Tagebuch Montag, 9. September 2019 – Dankeschön

Dankeschön, darling, dankeschön
Thank you for seeing me again
Though we go on our separate ways
Still the memory stays, for always
My heart says, “Dankeschön”.

Seit Monaten leite ich, wenn mich jemand nach meinem Diss-Thema fragt, meine Erklärung mit folgenden Worten ein: „Also, meine These, von der ich noch nicht weiß, ob sie mir um die Ohren fliegt, lautet …“ und dann kommt meine These, von der ich noch nicht weiß, ob sie mir um die Ohren fliegt. Bzw. dann kam die These. Bis gestern. Denn gestern ist sie mir um die Ohren geflogen.

Das fing schon im Kolloquium an, dass in meinem Hirn irgendwas klackerte, was da sonst ruhig rumlag und sich einen schönen Tag machte. Am Sonntag lag ich dann ruhig rum und machte mir einen schönen Tag, aber mein Hirn arbeitete anscheinend weiter. Einer meiner Textergötter ist ein großer Fan der von ihm so getauften Akkordeon-Theorie: einen Job anfangen, ordentlich drauf rumdenken, und dann weglegen und was anderes machen. Wenn man dann den ersten Job wieder rausholt, sind auf einmal Dinge im Kopf, die das Unterbewusstsein erledigt hat, und zack, schöne neue Ideen.

Das klappt, wie ich nach Bachelor und Master weiß, auch in der Wissenschaft. Ich kann mich ganz hervorragend in einen Stoff oder eine Frage oder, wie jetzt, in Quellen und Archivalien verbeißen – sie dann aber auch prima wieder loslassen, fünf Stunden Netflix gucken und, wieder am Schreibtisch angekommen, neue Ansätze zur Interpretation oder Einordnung haben. Deswegen ja auch immer der Satz von den Ohren, um die eventuell eine These fliegt – was weiß denn ich, was ich morgen finde oder auf was mein Hirn plötzlich kommt?

Seit über einem Jahr laufe ich dem Beleg dieser These nun hinterher und fühlte mich eigentlich recht sicher und wohl mit ihr. Aber gestern las ich einen sehr empfehlenswerten Aufsatz, den ich vorher noch nicht kannte, und in dem kamen ein paar Vokabeln vor, die mein Hirn ganz plötzlich an andere Dinge anlegte, die da oben schon rumlagen, es klackerte wieder, ich wehrte mich noch nach Kräften, formulierte meine These um, versuchte sie zu retten, aber: Nach sechs Stunden am Schreibtisch lag sie erledigt vor mir.

Ruhe in Frieden, gewagte These, du warst zu steil, um eine Diss zu werden. Aber du hast mich sehr inspiriert, und deine kleine Schwester, die jetzt deinen Platz eingenommen hat, ist auch nett und nicht scheiße. Nicht ganz so riskant und aufregend, aber auch gut. Mit der arbeite ich jetzt erstmal weiter. Dankeschön, darling, dankeschön, we go our separate ways now. Wenn ich mich von deinem ekligen, fiesen, sehr unerwarteten Nackenschlag erholt habe, du blöde Kuh.