Was schön war, Samstag, 31. August/ Sonntag, 1. September 2019 – Wochenende

Eigentlich wollte ich arbeiten. Eigentlich wollte ich an der Diss sitzen. Aber ganz eigentlich wollte ich Wochenende haben. Also habe ich das gemacht.

Am Samstag ausgeschlafen und erst gegen 9 Uhr oder so noch schnell den letzten Schatten auf dem Balkon für einen Flat White erwischt. Mein gegossenes Muster sah wahlweise aus wie ein Phallus oder ein Stinkefinger, weswegen ich einfach einen Blob Milchschaum darübergoss.

Samstag vormittag stand ich in der Badewanne, um F.s Roomba schadenfroh am verwinkelten 3-Quadratmeter-Bad scheitern zu sehen. Einfach selbst durchzusaugen wäre garantiert schneller gegangen, aber weitaus weniger unterhaltsam gewesen.

Dann holte ich die Zeitung und vergaß natürlich den Müllsack, den ich mit nach unten nehmen wollte, denn danach plante ich, die Wohnung für 48 Stunden nicht mehr zu verlassen. Der Müll steht hier immer noch.

Gelesen, Serien geguckt. Ich hänge vermutlich zum letzten Mal bei How I Met Your Mother rum; den Dickenhass konnte ich noch nie leiden, aber nach ein paar Jahren #MeToo kann man auch diese ganzen widerlichen Aufreißstrategien von Barney nicht mehr ertragen. Blöderweise mag ich Ted sehr gerne und himmele ewig seine braunen Kuschelaugen an. Schlimm.

Nicht mal Lust gehabt, zum Bäcker zu gehen oder selbst zu backen. Wie gut, dass ich seit kurzem einen Kühlschrank mit drei geräumigen Gefrierfächern mein eigen nenne. Ein halbes selbstgebackenes Fladenbrot aufgetaut und mit frischer Knoblauchmajo, eingelegten Gurken, der lustigen Baconmarmelade und einer Scheibe Riesentomate genossen.

Abends mit eBook auf den Balkon gesetzt. Alleine, mit Wein, neben mir die Lichterkette, vor mir ein paar Kerzen, die mir dann aber ernsthaft zu hell waren. Das iPad-Leuchten reichte mir. Dann guckte ich einfach nur noch so ins dunkle Blau.

Sonntagmorgen war ich schon um 6 wach, ging ins Bad und hatte für fünf Minuten total tolle Pläne: mal wieder walken gehen! Ne längere Runde Fahrradfahren, damit ich demnächst mit dem Rad zum Bayerncampus fahren kann und nicht immer den abends oder am Wochenende nur noch spärlich fahrenden Bus nehmen muss! Bei Sonnenaufgang Kaffee trinken!

Daraus wurde dann: wieder ins Bett gehen und von F.s DM um kurz vor 10 wach werden. Alles richtig gemacht.

Restlicher Tag wie oben, minus Roomba, plus ein Ottolenghi-Rezept, der das ganze mit Haselnüssen gemacht hat: gegrillte Zucchini (bei mir in der Grillpfanne) mit Basilikum (VOM BALKON! IN ZWEI FARBEN!), geröstete Walnüsse, bisschen Balsamico, bisschen Walnussöl, Parmesan. Tolles Zeug.

Nachmittags Augsburg in Bremen verlieren gesehen. Rumgejammert, aber die zweite Halbzeit war großartig. Gute Mannschaftsleistung, einfach immer wieder anlaufen, fuck it, so will ich das sehen. Fox Sports kommentierte schon fast gerührt von „the brave Augsburg ten“. (Gelbrote Karte in der ersten Halbzeit.)

Abends vor den grauenhaften Landtagswahlergebnissen an den Schreibtisch geflohen und doch noch ein bisschen gearbeitet. Dabei sehr laut Dvořák gehört. Half ein bisschen.

Denn das war die dicke „Was nicht schön war“-Insel am Wochenende: Die AfD wurde sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen zweitstärkste Kraft. Was die genauen Wahlergebnisse mir immerhin zeigen konnten: Das liebevolle Bepuscheln der ostdeutschen Lebensleistung können wir als Beschwichtigungsstrategie jetzt auch lassen. In beiden Ländern stimmten 31 Prozent der Wähler*innen zwischen 30 und 44 für die Neofaschisten, also Menschen, die zur Zeit des Mauerfalls höchstens vierzehn Jahre alt gewesen sind und damit die DDR eher weniger bewusst mitbekommen haben. Ich gestehe ihnen gerne zu, dass das Erwachsenwerden schwieriger war, weil die Vorbilder fehlten – wie sollten Eltern und Verwandte Tipps geben, die sie selbst nie gebraucht hatten –, aber dass diese Wähler*innen der Braunkohle nachtrauerten oder den heimeligen LPGs kann ich mir nicht vorstellen.

In Brandenburg waren diese 31 Prozent die größte Wähler*innenmenge für die AfD; in Sachsen darf sich die Generation, die 1989 auf die Straße gegangen ist, um für Demokratie zu kämpfen, diese Ehrennadel mit Eichenlaub und Schwertern anheften, denn dort stimmten 32 Prozent der Wähler*innen zwischen 45 und 59 dafür, die Demokratie wieder abzuschaffen.

Mir fällt dazu keine schlaue Analyse ein, wie gefühlt den meisten Profis aus der Soziologie, Psychologie und Politik auch nicht mehr. Was ich alles in den letzten Wochen für Stücke gelesen habe, immer im Hinterkopf die Hoffnung: Das müssen die doch selbst sehen, dass sie menschenverachtenden Dreck wählen. Seit gestern weiß ich immerhin: Ja, das tun sie. Die AfD wurde in Sachsen nicht als Protestpartei gewählt – wie in Brandenburg –, sondern genau wegen ihrer politischen Inhalte. Der braune Untergrund ist keiner mehr.