Tagebuch Donnerstag, 6. Juni 2019 – Puddle or Floor

Morgens alleine vor dem Wecker aufgewacht, entspannt wach geworden. Aufgestanden, erst die schwere Schlafzimmergardine weggeschoben, dann die Außenjalousie hochgezogen, einen Fensterflügel weit geöffnet. Ins danebenliegende Arbeitszimmer gegangen und die Außenjalousie hochgefahren – die einzige in der Wohnung mit Elektrik. Zuerst habe ich ewig darüber genölt, weil’s länger dauert als sie händisch zu bedienen, aber inzwischen stehe ich ganz gern wie eine kleine Königin vor meinen Balkonfenstern und sehe zu, wie das Licht im Zimmer stufenlos und ohne mein Zutun immer mehr wird. Dann die leichte, weiße, fast transparente Flattergardine weggezogen und die Balkontür geöffnet. Der Durchzug sorgt sofort dafür, dass die Gardine etwas angehoben wird und sich leicht im Wind bewegt.

Genau für diesen Effekt habe ich die billigen Ikea-Gardinen seit knapp 20 Jahren von Wohnung zu Wohnung getragen. In Hannover hingen sie in meinem Schlafzimmer, wo es einen winzigen Balkon gab, auf dem ich nie gesessen habe. Aber ich mochte es so gern, die Tür zu öffnen und den Gardinen beim Wehen und Wölben und Flattern zuzuschauen. In keiner meiner Hamburger Wohnungen hatten sie so recht Platz, aber sie waren klein und konnten sich in jeder Kiste zusammenrollen, so dass ich sie nie aussortiert habe. Und seit September hängen sie hier, und jetzt, wo es warm genug es, nicht nur stoßzulüften, um Sauerstoff in die Wohnung zu kriegen, sondern die Fenster länger aufzulassen und den wenigen Hinterhofgeräuschen zu lauschen, genieße ich es so sehr, wieder meinen alten Gardine zuzuschauen.

Nebenbei habe ich bei Queer Eye die richtige Gardinenlänge gelernt, die ich instinktiv meist beachtet habe: Sie sollten, laut Bobby, und dem Mann glaube ich ja alles, entweder kiss the floor or fall in a puddle. Meine Schlafzimmergardinen küssen den Fußboden, die Flattergardine fällt wie ein Wasserfall. (Klingt besser als Pfütze.)

Den restlichen Tag mit der Diss verbracht.

Dazu musste ich erstmal in den Lesesaal der Uni-Bibliothek, wo ein Berliner Ausstellungskatalog per Fernleihe auf mich wartete, der unglaublicherweise nicht im ZI steht.

(Dass mein Bällebad inzwischen auf Instagram ist, habe ich zwar in den sozialen Netzwerken kundgetan, aber hier noch nicht. Jetzt aber! Hier der Lesesaal. Swoon!)

Ich arbeitete den Katalog durch und gab ihn wieder zurück. Danke, Uni-Bibliothek Regensburg, Küsschen!

Danach ging’s in die Stabi, wo ich mir ein zweites Mal einen Katalog aus Breslau hatte zurücklegen lassen. Am Anfang meiner Diss hatte ich andere Fragen als jetzt, weswegen ich da nochmal reinschauen wollte.

Und je länger ich arbeitete, desto mehr wurde mir klar, dass meine heilige, total durchdachte Struktur mal wieder verändert werden musste, wozu mir nur ein gif einfiel.

Ich meckerte mal wieder darüber, dass in der Wissenschaft nie was fix ist, jede Deadline quasi nur ein Zwischenschritt und überhaupt macht mich das alles wahnsinnig, dass Wissen und Lernen nie aufhört. (Okay, es ist toll, ABER ES MACHT MICH AUCH WAHNSINNIG.)

Doktor F. war natürlich unbeeindruckt.

An den drei!!! Ausrufezeichen!!! seht ihr, wie aufgeregt ich war.

Auf Twitter hatte Canzonett aber einen hervorragenden Kommentar, den ich mir als Motivationsbildchen ausdrucken werde: „Find joy in it. It’s your thoughts growing (and outgrowing their baby clothes).“

Heute beginnt in Frankreich die Fußball-WM der Damen. Wir gucken das gemeinsam, oder?

Und ab nächster Saison die Bundesliga. YAY!