Tagebuch Dienstag, 21. Mai 2018 – Briefwahl

Um 5 Uhr morgens scheint es geregnet zu haben; ich musste die Zeitung erstmal über den Küchenstühlen trocknen, bevor sie lesbar war.

Einen kleinen Job erledigt und dann mein Wochenende nachgeholt, was aus Rumliegen, Seriengucken und Dem-Regen-Zuhören bestand.

Weil ich durch die Situation mit meinem Vater letzte Woche noch nicht wusste (und so ganz sicher immer noch nicht weiß), ob ich Sonntag in München sein werde, habe ich erstmals in meinem Leben Briefwahlunterlagen angefordert. Die lagen gestern in meinem Briefkasten und ich musste mir erstmal durchlesen, welcher Umschlag zu was gehört.

Vor ein paar Tagen erfuhr ich beim morgendlichen Radiohören im Bad, dass die Zahl der Briefwähler*innen seit Jahren steigt, bei der letzten Bundestagswahl lag sie schon bei fast 30 Prozent. Warum das ein Problem sein soll, wie es im Beitrag anklang, erschließt sich mir aber nicht: Die Briefstimmen werden wie alle anderen auch erst am Wahltag gezählt; dass sich die Wahl, wie im verlinkten Artikel angesprochen, über mehrere Wochen erstreckt, sehe ich daher nicht.

Ich gehe trotzdem lieber im Wahllokal wählen. Ich mag diese deutlich aktivere Ausübung meines demokratischen Rechts, indem ich irgendwo hingehen und den Umschlag selbst in eine extra für mich dorthin gebrachte Urne einwerfen muss anstatt am Schreibtisch zuhause auf einem Zettel rumzumalen und ihn dann in den gleichen Briefkasten zu schmeißen, in dem auch meine profanen Rechnungen landen. Eine Wahl ist etwas Besonderes, und so soll es sich für mich auch anfühlen.

Trotzdem bin ich natürlich dankbar dafür, dass ich dieses Recht auch anders ausüben kann.

Der hoffentlich letzte Zahnarzttermin für den kleinen Molar verlief ereignislos. Die Playlist, die letztes Mal für mich erklang, lief dieses Mal leider nicht. Die Zahnarzthelfer hatten schon den Kofferdam angelegt und alles für den Arzt vorbereitet, als ihnen einfiel, dass sich mich nach meinen Musikwünschen fragen könnten. Ich mag bei Ärzt*innen eigentlich nie Musik, aber wenn man mich schon fragt? Weil ich nicht mehr sprechen konnte, deutete ich mit beiden Armen die Bewegung an, die man beim Geigespielen macht, was auch sofort verstanden wurde. „Klassik!“ … „Geht auch Klavier?“ Ich nickte und hörte dann einer Stunde Chill Out Piano für Einkaufszentren zu, was aber eigentlich ganz nett war.

Den Abend mit F. und einer Flasche Schaumwein verbracht. Schmerzfreiheit wird neuerdings gefeiert.

Gemeinsam eingeschlafen.

Gestern abend im Badradio zufällig reingeschaltet und dann per Smartphone im Bett zuende gehört, weil jemand anders ins Bad wollte: Asiatische Musiker. Vorurteile, Chancen, Widersprüche vom Deutschlandfunk. Ich copypaste mal den Teasertext zur Sendung: „Asiatische Musiker könnten keine deutschen Lieder singen, finden manche Professoren. Andere loben die eiserne Disziplin der Studierenden aus China, Japan oder Südkorea, die an deutsche Musikhochschulen kommen, um sich künstlerisch weiterzuentwickeln. Eine Sendung über Kulturenclash, Inspirationsquellen und neue Klassikmärkte.“ Hier kann man sich die 40 Minuten anhören.