Tagebuch Montag, 1. April 2019 – Schreibtischtag, Tofu und Kirschblüten

Gut geschlafen, gegen halb 6 aufgewacht und dann noch bis 7 gedöst bzw. gefühlt eine Stunde lang davon geträumt, den Wecker zu verpassen, ihn falsch gestellt zu haben, ihn zu lange auf Snooze gestellt zu haben, die Zeitumstellung vergessen zu haben und ähnlichen Quatsch.

Nebenbei: Ich mag die Zeitumstellung. Die eine Stunde weniger fällt mir nie auf, dafür freue ich mich über die geschenkte im Herbst sinnloserweise umso mehr. Es bleibt im Sommer abends länger hell und ich finde, wir sollten das so beibehalten. Ich habe auch bei der komischen Online-Umfrage mitgemacht und brav für „Remain Ja zur Zeitumstellung!“ gestimmt, aber das war anscheinend egal.

Nach zwei Wochen Rumspielen mal nichts am Mahlgrad der neuen Espressomühle verändert. Herrliche Crema! Ich lasse das jetzt so. Derzeit im Ausschank befindet sich Playground: Love, eins von hundert Mitbringseln von Kai zu meinem Geburtstag, der anscheinend in jeder Hamburger Rösterei eingekauft hat. Schmeckt fruchtiger als ich nach der Beschreibung vermutet habe und generell sehr gut.

Den Vormittag verbrachte ich mit Warten auf einen Kundenanruf; wir hatten keine Zeit ausgemacht, daher saß ich ab 9 halt am Rechner. Aber so lange noch niemand was von mir wollte, arbeitete ich weiter an der Diss. Die Grobgliederung, die ich meinem Doktorvater noch nachliefern wollte, steht jetzt, und sie ist dann doch etwas feiner geworden als noch vor einer Woche. Jetzt, wo ich das Ding vor mir liegen sehe, merke ich erst, was für einen Berg Arbeit ich mir aufgehalst habe. Und ich weiß jetzt auch, warum ich mit dem Schreiben anfangen sollte – weil’s viel zu schreiben gibt.

Steuer gemacht. #meinglamourösesleben

Kurz in die Uni gefahren, Bücher abgegeben und den neuen Plastik-Studierendenausweis abgeholt. Meine labbrige Papierbescheinigung, die gestern gerade erst einen Tag gültig war, musste ich abgeben, was ich schaffte, ohne zu wimmern, meine Daten wurden noch einmal abgeglichen und dann druckte mir ein freundlicher Herr die Karte aus. Die musste ich noch in ein schickes Validierungsgerät schieben, das die Gültigkeitsdauer aufdruckte. Ich nehme an, im Oktober fräst das Ding das jetzige Datum runter und druckt das neue drauf. Lassen wir uns überraschen.

Mit der Karte habe ich auch eine neue Bibliotheksnummer und damit zwei neue Abholregale in der Uni- bzw. der Staatsbibliothek bekommen. Vermutlich ist diese Plastikkarte nur dazu da, damit sich auch höhere Semester wieder wie als Ersti fühlen dürfen. Das wird super: 50.000 Studis suchen ihre neuen Regale.

Angenehmes Kundinnengespräch geführt, spannendes Projekt, würde ich gerne machen. Ich gebe heute ein Angebot ab, das wie gewünscht etwas unterhalb meines normales Tagessatzes liegt und gucke, was passiert.

Anschließend weiter an der Diss gepuschelt. Ich habe schon beim Archivlesen in der letzten Woche gemerkt, dass ich vermutlich, wie bisher in jeder wissenschaftlichen Arbeit, ernsthaft von vorne anfangen werde. Alles, was ich las, fügte sich in die Biografie oder die Ausstellungshistorie des Mannes ein, und damit wollte ich eh anfangen. Die Einleitung steht ja quasi, die war mein Exposé, das ich noch ändern und mit Forschungsstand und Quellenlage ausstatten werde und mit einer leicht veränderten Formulierung für meine These. Denn mein Doktorvater merkte schlau an: Und was folgt daraus, wenn Ihre These stimmt? Äh. Ja. Das sollte ich vielleicht auch noch erwähnen. Was haben wir denn alle davon, wenn ich hier 200 Seiten runterkloppe?

Nach dieser famosen Einleitung, nach der wir irre gespannt weiterlesen, kommt die Biografie, die, so wie ich meine derzeitige Quellenlage einschätze, noch nicht grundlegend über die bisherigen Lexikoneinträge hinausgeht, diese aber ordentlich unterfüttern kann. Im Moment überprüfe ich noch jeden Eintrag und frage mich, woher diese Info kommt, aber ich ahne, dass ich das irgendwann einfach abnicken werde – wer bin ich, ein Künstlerlexikon anzuzweifeln? Die werden das schon irgendwo her haben. Was ich aber anlegen kann: biografische Details, die vielleicht im Bezug auf seine künstlerische Laufbahn oder die als Gebrauchsgrafiker wichtig werden. Einträge aus seiner Spruchkammerakte. Ich zitierte gestern daraus gnadenlos alle Vereinsmitgliedschaften, auch die, die nichts mit der Kunst zu tun haben. Rausschmeißen kann ich die immer noch.

Dann kommt das Kapitel mit den Ausstellungsbeteiligungen, und da kann ich ein paar neue zu den bisher bekannten belegen. An die kann ich die ganzen Presseberichte andocken und so nicht nur sagen, ja, der Herr Protzen hat an der Sonderschau der Münchner Künstlergenossenschaft im Dezember 1933 teilgenommen, sondern auch, dass seinen Bildern zumindest von der Münchener Zeitung eine „festkonturierende Sachlichkeit“ bestätigt wurde. Das wollten wir ja alle schon mal wissen.

Damit war ich bis 18 Uhr beschäftigt, und dann meinte mein Magen, er hätte jetzt wirklich gerne mal was zu essen und außerdem liegt da noch die FAZ, die durchgelesen werden will. Es gab Harissa-Tofu nach Ottolenghi (chön charf) und Zucchinistreifen, einfach mit ein bisschen Erdnussöl angemacht. Danach Kinderschokolade.

Abends kam F. vorbei, der vorher bei seinen Eltern die üblichen Dinge erledigen musste (neues Telefon einrichten) und brachte einen Arm voll Kirschblütenzweige aus dem dortigen Garten mit (hier das Herzaugenemoji vorstellen). Außerdem fragte er mich, ob ich die Dostojewski-Gesamtausgabe unten im Hausflohmarkt gesehen hätte. Hatte ich nicht! Als ich mittags aus der Uni kam, war die noch nicht da! Während ich die Zweige auf Vasen verteilte, holte F. die Bücher, die jetzt hinter den Max Frischens stehen. Ich habe die Brüder Karamasow, wo-hoo! (In der klassischen Übersetzung von Elisabeth Kaerrick.) Auch diese Bücher sehen so aus, als hätte noch nie jemand reingeguckt.

Ich bin kurz davor, einen Zettel unten hinzulegen: „Hey, wer auch immer gerade sein oder ihr Bücherregal von den Klassikern befreit – DANKE!“ Am besten mit Namens- und Stockwerkangabe, dann kann man mir weitere Bücher einfach vor die Tür legen.