Tagebuch, Dienstag, 10. Juli 2018 – Sommerferienbeginn

Ich erwähnte neulich schon einmal, dass mein Kopf sich anscheinend gerade eine Auszeit nimmt. Das habe ich natürlich nur zwei, drei Tage ernstgenommen und schön weiter an der Diss gearbeitet, brav jede Minute nutzend, die ich nicht für Jobs brauche. Aber seitdem häuften sich Kleinigkeiten, die mich meine Strategie „Augen zu und durch“ überdenken ließen.

Als wir in der Puppenkiste waren, schaltete ich mein Handy ab – und in der Pause fiel mir meine PIN nicht mehr ein, die ich auf dem iPad täglich ungefähr 50mal eingebe. Letzte Woche saß ich in der Stabi und schrieb lustig Dinge aus Katalogen und Büchern in meine Stoffsammlung, und als mich F. abends danach fragte, konnte ich ihm keinen einzigen Text mehr nennen, den ich morgens noch so lesenswert gefunden hatte. Selbst als ich das Dokument auf dem Rechner öffnete und es überflog, wusste ich nicht mehr, warum ich genau diese Zeilen notiert hatte. Und Montag stieg ich gleich zweimal an der falschen U-Bahn-Station aus; das erste Mal schob ich es auf meine Unkonzentriertheit, weil ich gerade Finnegans Wake vor der Nase gehabt hatte, aber das zweite Mal konnte ich mir nicht mehr erklären. Ich kann in meiner eigenen Stadt nicht mehr U-Bahn fahren! Ehe ich meine eigene Haustür nicht mehr finde oder ich meinen Namen vergesse (ODER MEINE CAMPUS-E-MAIL, MIT DER ICH MICH ÜBERALL EINLOGGE OMG), mache ich jetzt Ferien. So. Basta.

Seit Montag überlegte ich daher pflichtschuldig, wo ich denn mal hinfahren könnte, um mich abzulenken. F. hatte mir Urlaub auf dem eigenen Sofa verboten – „das ist kein Urlaub! Du musst mal raus“ –, womit er vermutlich recht hat. Ich ging im Kopf meine üblichen Städte durch, in die ich mal wieder wollen würde, um in schönen Museen rumzulungern, Dresden, Berlin, Leipzsch, Madrid? Aber irgendwie stresste mich das mehr als dass es mich vorfreute.

Und dann kam gestern eine Mail (DANKESCHÖN) mit einem Link zu Literaturhotels. Das klang schon mal interessant, und eine Location sprach mich auch sofort an, weil sie nicht so irre weit weg war. Die ist für mich im Moment nicht bezahlbar, aber das erste Bild, das man auf der Site sieht, zeigt grüne Wiesen, viel Wald, ein Kirchlein und Berge. Und in dem Moment wusste ich, was ich dringend haben möchte: Natur zum Draufgucken. Keine Stadt, keine Museen, nicht so irre viele Leute, nur irgendwas Nichtmenschengemachtes zum Anglotzen.

Die erste Idee war natürlich MEER OMG MEER ICH WILL ANS MEER bis mir einfiel, dass ich nicht mehr im Norden wohne. Damit waren Sylt und Rügen raus, denn ich hatte keine Lust auf eine achtstündige Zugfahrt. Ich weiß seit kurzem, dass es ernsthaft einen Direktflug von München nach Westerland gibt, und seit ich das weiß, weiß ich, was ich an meinem nächsten Geburtstag machen werde, ha! So kurzfristig waren diese Flüge aber zu teuer und deswegen schwenkte ich um auf einen der vielen Seen, die hier in Bayern so rumliegen. Ich suchte nach Hotels mit Seeblick, die im Juli natürlich auch schon eher Mangelware waren, aber ich fand eine bezahlbare Pension, von der man in fünf Minuten am Wasser ist, wo der Biergarten auf der Website heimelig lockt, deren Küche einen Teller vom Guide Michelin hat und wo im Nachbarort ein Sternelokal ist, wo ich nächste Woche alleine essen gehen werde. F. bleibt brav zuhause, und ich werde vier Tage lang nur rumliegen, spazierengehen, aufs Wasser gucken, Bootfahren, wo-hoo!, viel Wein trinken und Zeug lesen, das nichts mit der Diss zu tun hat. Und wenn ich wieder in München bin, mache ich das noch ein paar Tage im Englischen Garten.

Das Referat morgen für die Korrekturfee ziehe ich noch durch, es wird aber etwas weniger professionell werden als geplant, denn wie gesagt, mein Kopf ist schon seit Tagen (oder Wochen) am See, während der Rest von mir das erstmal kapieren musste. Ob es im Blog auch eine Auszeit gibt, weiß ich noch nicht; aus Erfahrung weiß ich, dass man immer am meisten zu erzählen hat, wenn man eine Blogpause ankündigt, daher lasse ich das mal.

Ich war schon nach der Buchung gestern entspannter als vorher. Jetzt schreibe ich noch flugs ein paar Kundenmails, dass ich nächste Woche auf nichts reagieren werde, und dann schneide ich das gestern gebackene Brot an und beginne meine Sommerferien.