Spider-Man

Spider-Man
(USA, 2002)

Darsteller: Tobey Maguire, Kirsten Dunst, Willem Dafoe, James Franco
Drehbuch: David Koepp
Kamera: Don Burgess
Musik: Danny Elfman
Regie: Sam Raimi

Als ich gelesen hatte, dass Tobey Maguire Spider-Man spielen soll, war meine erste Reaktion: Och nö, nicht wirklich jetzt, oder? Der Nerd aus The Ice Storm? Der kleine Romantiker aus Pleasantville? Der total gestörte Schriftsteller aus Wonderboys? Dieser Denker soll einen Superhelden spielen?

Schön, dass meine erste Reaktion so völlig daneben war. Genau dieses intellektuelle, menschliche Potenzial ist das, was mir an Spider-Man am besten gefallen hat. Maguire ist absolut überzeugend als Loser, der nie den Bus kriegt und natürlich keine Chance bei Mary Jane hat, dem Mädel von nebenan, in das er seit Kindertagen verliebt ist. Und dieses Gefühl „Der Typ ist ganz normal“ transportiert er auch in seine Superheldenseite. Spider-Man ist bei allen genetischen Veränderungen immer noch ein an sich zweifelnder Mensch: Lieben die New Yorker mich? Oder werde ich lästig? Was kann ich aus meinen Talenten machen? Wie gehe ich mit der Verantwortung um? Wer bin ich überhaupt? Der Film beginnt mit eben diesen Worten: Who I am? Wer ich bin? Und er braucht zwei Stunden, um sich über diese Frage klar zu werden.

Spideys Mary Jane wird von Kirsten Dunst gespielt – auch sie gibt ihrem Charakter bei aller Schablonenhaftigkeit noch ein wenig Würde. Und auch sie ist auf der Suche nach etwas, das ihr Halt gibt und ihr sagt, wer sie ist. Und so hangelt sie sich von Job zu Job und von Mann zu Mann, so wie Spidey das von den Wolkenkratzern tut. Natürlich darf sie auch schön kreischen, wie das die Mädels halt tun, wenn sie von Superhelden gerettet werden. Aber sie darf den fiesen Typen, die ihr in einer Seitengasse auflauern, auch richtig eins auf die Zwölf geben, ohne dass sie aus der Rolle fällt.

Die beiden Hauptdarsteller schaffen einen gekonnten Spagat zwischen der einen Seite der Geschichte, die aus vorsichtiger Annäherung, sich entwickelnder Freundschaft und recht ordentlichen Dialogen, die netterweise bis auf eine Ausnahme nie ins Peinliche abrutschen, besteht, und dem Rest der Story: die Story, wo sie eben die kreischende Jungfrau in Not und Maguire der Retter in letzter Sekunde ist.

Und überraschenderweise ist es diese Seite der Geschichte, die mich eigentlich kaum interessiert hat. Die Effekte sind nett, aber nach drei Minuten auch nicht mehr überraschend. Das ganze Hin- und Hergeschwinge in den Häuserschluchten von New York sieht zu schwerelos aus, um wirklich Spaß zu machen. Es geht zu schnell und ähnelt zu sehr einem Videospiel, als das man wirklich mit dem Titelhelden mitleidet oder -triumphiert. Das Menschliche, was den Rest der Story so glaubhaft gemacht hat, fehlt plötzlich. Auf einmal ist der Film wieder eine Effektschleuder und kein Film mehr, der mir eine Geschichte erzählen will. Die ganzen Handlungsstränge (der Tod des Onkels, die zwiespältige Beziehung zwischen Peter und seinem besten Freund Harry, die Schizophrenie von Harrys Vater, der Peters Freund, aber Spider-Mans Feind ist) werden alle plattgebügelt von einstürzenden Häusern, zusammenbrechenden Mauern und abstürzenden Seilbahnen. Alles um der Effekte willen. Wozu hat sich Autor David Koepp die Mühe gemacht, uns für all diese Personen zu interessieren, wenn sie am Ende doch nur Staffage sind? Dann lieber den konsequenten Actionfilm-Weg gehen und die Charaktere nur anreißen, damit sie das Effekt-Feuerwerk nicht stören.

So bleibt Spider-Man irgendwo in der Mitte: Die Effekte sind nicht grandios genug, um mich über die komplette Zeit zu faszinieren. Die Zweikämpfe zwischen Spidey und dem Green Goblin (das böse Alter Ego von Harrys Vater – von Willem Dafoe gespielt, solide wie immer) sind auch nicht besonders aufregend choreografiert. Dafür fand ich eben die menschliche Seite des Superhelden ziemlich emotional und spannend aufbereitet.

Wahrscheinlich ist das genau der Punkt, der mir Star Wars so verhagelt hat: Ich denke, auch George Lucas wollte Darth Vader eine Seele verleihen, zeigen, wo er herkommt und warum er so geworden ist, wie er eben geworden ist. Das ist ja auch erstmal ein ehrenwerter Ansatz, aber dann muss er seinen Akteuren einfach bessere Dialoge in den Mund legen. Anstatt sie einfach fürchterliche Platitüden absondern zu lassen, hätte er so wunderbare Liebeserklärungen schreiben können wie die, die Peter Parker seiner Mary Jane macht.

Eigentlich müsste der Film „Peter Parker“ heißen. Denn der spielt eine viel größere Rolle als das zweite Ich des Helden. Schade eigentlich, dass er selber das anders sieht und sich die Anfangsfrage des Films zum Schluss so beantworten wird: Who I am? I am Spider-Man.