Was schön war, Donnerstag, 15. März 2018 – Ein halber Tag frei

Seit dem 2. Januar war ich durchgebucht. Also so gebucht, dass ich von 9 bis 18 Uhr an irgendeinem Schreibtisch saß, ob nun in einer Agentur oder zuhause, so dass ich in dieser Zeit erreich- und ansprechbar war. Meine Erledigungen wie Einkaufen oder Bücher in Bibliotheken bringen tätigte ich wie andere Berufstätige auch: nach Feierabend, in der Mittagspause oder am Wochenende. Diese Buchungszeit endete letzten Freitag. Zurzeit bin ich auf verschiedenen Kunden eher stundenweise bzw. auf Zuruf gebucht, was mir weniger Geld, aber dafür ein bisschen mehr Freiheit bringt.

Mittwoch abend musste ich keinen Wecker stellen, schaltete das iPhone zusätzlich auf stumm und freute mich auf Ausschlafen mitten in der Woche. Es ist vermutlich klar, wann ich wach wurde? Genau. 6 Uhr 32.

Ich lungerte nur kurz im Bett rum, denn wenn ich wach bin, bin ich wach. Also begann ich meinen Tag früher als gedacht, aber dafür sehr entspannt. Nach der Körperpflege kam mein neues Lieblingsritual: Espresso kochen. Dazu mahle ich mir frische Bohnen in meiner Handmühle, fülle das Kaffeemehl in den Siebträger, drücke ihn mit einem schönen Edelstahltamper fest und lasse die Maschine ihr Wunderding verrichten. Währenddessen verräume ich Mühle und Bohnen und fülle einen guten Fingerbreit kalte Vollmilch in mein neues Edelstahlkännchen, die von der Maschine dann in wenigen Sekunden in schlotzigfesten Milchschaum verwandelt wird. Ich kann bis heute kein Herz auf meinen Espresso gießen, weil die Milch mehr Schaum als Schlotz ist, egal was ich tue, aber wurstegal. Dann säubere ich alle betreffenden Teile der Maschine und genieße meinen halbwegs flachen Flat White auf dem Sofa. Ohne Zucker und Sirup, weil er so toll schmeckt wie er ist.

Gestern beendete ich nach dem Aufklappen des Rechners als erstes mein Mailprogramm, damit mich niemand an meinem freien Vormittag stört. Auch Twitter wurde minimiert.

Mit Twitter hadere ich seit Wochen. Mir ist aufgefallen, dass die ganzen Themen, die mich persönlich aufregen oder anfressen oder traurig machen oder ängstigen, nicht mehr durch mein morgendliches B5-Duschradio oder die abonnierte FAZ an mich herangetragen werden. Nein, das erledigt meine eigentlich sorgfältig kuratierte Timeline. Meine Menschen machen mich auf Dinge aufmerksam wie die neueste Hetze der AfD, widerliche Kommentare über dicke Menschen auf allen Websites dieser Welt, eklige Werbung, hasserfüllte Diskussionen über Frauenrechte und so weiter und so fort. Alle meinen es gut, alle wollen, dass diese Dinge nicht unter den Teppich gekehrt werden, sondern dass sich Dinge dadurch ändern, dass man sie ans Tageslicht und in die Öffentlichkeit bringt. Ich habe durch meine Timeline in den vergangenen Jahren sehr viel gelernt. Aber momentan überfordert mich die ständige und allumfassende Empörung, Aufregung und das Entsetzen total.

Ich habe in den letzten Wochen viele Accounts entfolgt. Das ist so gut wie nie persönlich gemeint, aber ich mag im Moment einfach keine Aufregung mehr, keine schnippischen Kommentare, keine süffisant-überlegenen Anmerkungen, keine Urteile vom hohen und immer gut gemeinten Ross herab. Ich habe vermutlich selbst genau solche Tweets in Mengen abgesetzt, das ist mir durchaus klar. Ich habe auch dazu beigetragen, dass eklige Anmerkungen über Dicke Aufmerksamkeit bekommen haben, indem ich auf sie hingewiesen habe. Auch das habe ich versucht zu ändern, indem ich, wie hier im Blog, eher nur noch Dinge twittere, die mich freuen oder die schön waren. Das klappt nicht immer, weil Twitter halt eine Aufregemaschine ist, aber ich versuche, mir das abzugewöhnen. Und dazu gehört eben auch, vieles nicht mehr mitbekommen zu wollen. Exkurs Ende.

So startete ich meinen Tag nur durch die Radionachrichten informiert mit schönem Getränk und entspanntem Bloggen sowie Bloglesen. Dann ging ich ins Museum, denn wir nehmen Sonntag unsere neue Fehlfarben-Ausgabe auf und dafür wollten ein paar Ausstellungen weggeguckt werden. Ich ließ mir viel Zeit, guckte eine Ausstellung sehr gründlich, wobei ich immer vor einer Führung weglaufen musste. Dann ging ich in die zweite, die deutlich kleiner, aber ebenso spannend war. Ein paar weitere Räume des Museums durchschritt ich etwas schneller – um dann noch einmal in die zweite Ausstellung zu gehen, weil mich einige Werke nicht loslassen wollten. Das war wieder einer dieser Momente, in denen ich sehr glücklich war, Kunst gucken zu können, weil es den Kopf so schön aufmacht. Und gleichzeitig einer von den doofen, in denen man ahnt, dass man sich diese Kunst nie wird leisten können, weil bescheuerter Kunstmarkt und bla.

Nach dem Museumsbesuch ließ ich mich von einer Tram (TRAMFAHREN!) in die Innenstadt tragen. Also drei Stationen, du winzige kleine Schnuffelstadt, du. Im Kaufhof am Stachus kaufte ich einen altmodischen Kaffeefilter aus Porzellan, von dem mir nachträglich einfiel, dass meine Mama davon vermutlich zehn im Keller liegen hat. Meine derzeitige Begeisterung für das Produkt Kaffee eskaliert gerade ein bisschen; bitte haltet mich davon ab, mir auch noch einen zweiten Wasserkocher zu kaufen, nur weil das Internet mir das empfiehlt, ja?

Zuhause setzte ich dann einen der Filterkaffees an, die in meinem vorgestrigen Kaffeepaket gelegen hatten. Eine Runde kochte ich in der French Press und eine Runde schön mit dem neuen Handfilter, weil ich ausprobieren wollte, ob der gleiche Kaffee mit dem gleichen Wasser, aber eben mit einer anderen Zubereitungsart anders schmeckt. Und was soll ich sagen? Tut er. In der French Press schmeckte dieser Kaffee sehr klar und geradeaus, kräftig, aber nicht stark. Beim Handfilter kam ein bisschen mehr Fruchtsäure durch, aber nicht so stark, dass ich es als unangenehm empfand (ich mag die Säure im Kaffee nicht so gern). Ich habe ihn für mich als „etwas scharfkantiger“ definiert und suche noch nach einer genaueren Beschreibung.

Irgendwann öffnete ich mein Mailprogramm wieder und stellte fest, dass niemand was von mir wollte. Den Rest des Tages verbrachte ich mit viel Kaffee und Keksen und Serien auf dem Sofa. War also eigentlich ein ganzer freier Tag. Auch gut.