Tagebuch, Dienstag, 30. Januar 2018 – Wie üblich

Getextet. Gehustet.

Ein recht unaufregender Tag am Schreibtisch. In der Mittagspause Tomatensauce für eine Pizza angerührt; den Hefeteig dazu habe ich nicht selbstgemacht, sondern faul auf ein TK-Produkt zurückgegriffen. Wenn ich schreibe, kümmere ich mich ungern um Teige, das mache ich lieber am Wochenende. Happy-Desk-Lunch daher Pizza mit Tomatensauce, roten Zwiebeln und ein bisschen zuviel Käse. Das Alibi-Basilikumblatt war auch super.

Zu Jahresbeginn war ich in einer B2B-Agentur gebucht und erzählte davon im ungläubigen Flüsterton meinen Werberfreund*innen: „Die machen da fast alle um 18 Uhr Feierabend!“ Das konnte F. nicht so recht würdigen, bis ich ihm gestern abend spontan absagen musste, weil ich um kurz nach 17 Uhr noch einen Schwung an Zeug auf den Tisch bekam, der bitte heute morgen abgearbeitet sein musste. DAS ist die Werbung, die ich kenne!

Der Husten hält sich hartnäckig, aber der Kopf ist wieder klar. Das heißt, ich konnte nach tagelanger Pause endlich im Ulysses weitermachen, für den mein Hirn die ganze letzte Woche gefühlt zu matschig gewesen war. Ich beendete das neunte Kapitel.

In den Kapiteln zuvor folgte ich Bloom und meckerte innerlich rum, dass ich viel lieber Dedalus folgen würde und zack, durfte ich das im neunten Kapitel tun. Schon nach den ersten Seiten fiel mir ein, warum ich lieber über Stephen lesen wollte: Bisher sind die Dedalus-Kapitel die fiesen, bei denen man quasi nichts versteht, aber dafür lesen sie sich für meinen Geschmack viel spannender, eben weil man quasi nichts versteht. Wobei das falsch formuliert ist: Ich lese viel neugieriger, viel aufmerksamer, weil ich stets versuche, doch irgendwas mitzukriegen. Ich kann die Worte erfassen, die mir begegnen, aber sie ergeben keinen für mich bekannten Sinneszusammenhang. Es liest sich wie der irre zweite Wein, den wir im Tantris hatten, es liest sich wie ein Twombly-Gemälde. Man wird irgendwo reingeworfen und muss sehen, wie man mit den Umständen klarkommt. Ich kann verstehen, dass das nicht jedermanns Sache ist, ich habe, wie beschrieben, auch drei Anläufe für dieses Buch gebraucht, aber jetzt sitze ich mitten drin und lasse mich durch die Wortwellen schaukeln.

Außerdem habe ich seit gestern die perfekte Reply auf alles auf Twitter: „I know. Shut up. Blast you. I have reasons.“ (Kapitel 9, Zeile 847, Gabler-Edition.)

Und eine wunderbare Beschreibung des Zustands, wenn man aus der Bibliothek kommt: „Stephen, greeting, then all amort, followed a lubber jester, a wellkempt head, newbarbered, out of the vaulted cell into a shattering daylight of no thought.“ A shattering daylight of no thought. <3 (Kapitel 9, Zeilen 1110–1113, Gabler-Edition.)

(Wenn ihr nach „Wilhelm Meister“ sucht, seid ihr direkt am Anfang des neunten Kapitels.)