Tagebuch, Samstag, 4. November 2017 – Unentschieden

Ich begann den Tag mit hammerhartem Rumlungern. Keine Lust zu putzen, keine Lust einzukaufen. Ich daddelte Hay Day auf dem iPad, las Zeitung (pünktlich im Briefkasten!) und wartete darauf, dass es Mittag wurde, um mich für die Fahrt nach Augsburg in Stadionklamotten zu werfen.

Stadionklamotten und ich werden immer noch keine Freunde. Ich weiß nie, was ich anziehen soll – welches Trikot ist schon klar, aber: wieviele Lagen? Welche Jacke? Schon die Winterstiefel oder gehen noch Sneakers? In Augsburg kommt noch dazu, dass wir immer in der beknackten Sonne sitzen, das heißt, ich brauche meist ein Cap und meine Sonnenbrille, um das Spiel entspannt verfolgen zu können. Die wollen auch irgendwo untergebracht werden und damit entscheidet sich meist die Jackenfrage, denn meine schnuffelige MärzbisNovemberjacke von Nike, unter die eben ein bis drei Shirts kommen, hat gerade zwei lausige Taschen ohne Reißverschluss. Da passt nicht mal mein Sonnenbrillenetui rein. Ja, Etui, denn ich trage ja bereits eine Brille, die ich bei Sonne eben tauschen muss. Die hat natürlich geschliffene Gläser und war dementsprechend teuer, weswegen ich die nicht einfach so locker im Shirtkragen rumbaumeln lasse. Deswegen entschied ich mich gestern für die Regenjacke mit vier Taschen, zwei davon mit Reißverschluss, wo Dinge wie Asthmaspray und Hausschlüssel reinkommen. In eine der großen Innentaschen passen Cap und Brille, in die andere kommt meist mein Stadionbuch. Eintritts- bzw. Dauerkarte und Stadionbezahlkarte sowie Semesterticket (Ticket, Studi-Ausweis, Perso, ja, die MVG nimmt das Semesterticket sehr ernst) stecken in diversen Hosentaschen.

Ich finde es sehr angenehm, dass F. damit keine Probleme hat, wenn ich im Zug nicht dauernd reden, sondern lesen oder stumm aus dem Fenster gucken möchte. Er selbst zückt dann halt sein Handy und so zuckeln wir 40 Minuten schweigend gen Augschburg. Beim Abtasten am Stadioneinlass werde ich natürlich immer gutmütig angefrotzelt, ob ich ein so langweiliges Spiel erwarte, aber das ist okay, für Bücher rechtfertige ich mich gerne.

Beim letzten Spiel, wo es kühler war als gestern, trug ich unter der Regenjacke noch die Nike-Schnuffeljacke; auf die hatte ich gestern verzichtet, es sollten laut iPhone 14 Grad und Sonne sein. Waren es auch. In der ersten Halbzeit saß F. im Shirt neben mir, was mir ein winziges bisschen zu kühl war, aber es wäre noch gegangen. In der zweiten Halbzeit war die Sonne bereits hinter dem Stadion verschwunden, und es wurde merklich kühler. Ich fror nicht, aber eine zweite Jacke wäre auch okay gewesen. Vielleicht ahnt ihr jetzt, warum ich mir immer und ewig einen Kopf darüber mache, was ich im Stadion trage. Manchmal denke ich an eine Bekannte, die in der Allianz-Arena immer in der Südkurve stand und 90 Minuten anfeuerte: „In der Kurve wird dir nie kalt.“ Ich sitze dann aber doch lieber rum als zu hüpfen.

Das Spiel selbst war spannend und endete 1:1. Vor dem Spiel wäre ich total mit einem Unentschieden gegen Leverkusen zufrieden gewesen; nach dem Spiel war ich dann aber doch quengelig, weil mehr drin gewesen wäre.

Während des Spiels hörte man plötzlich ein lautes Brummen und ich wollte mich gerade an F. wenden und fragen, was das für ein Geräusch wäre, als ein ADAC-Hubschrauber direkt über dem Stadion auftauchte. Er überflog es aber nicht, sondern schien kurz über der Dachöffnung zu kreisen. Zuerst dachte ich, haha, da wollen die Piloten oder Pilotinnen nach einem Einsatz vielleicht noch ein bisschen Fußball gucken, aber der direkte Gedanke danach erschreckte mich dann selbst ein bisschen. Der Hubschrauber stand kurz über dem Rasen und ich dachte: Hatten wir Hubschrauber als Terrorwaffe schon?

Ich ärgerte mich selbst über den Gedanken, war die nächsten 45 Sekunden aber doch sehr angespannt, als ich dem Hubschrauber durch die durchlässige Fassade zusah, direkt neben dem Stadion zu landen. Wie wir abends nachlasen, hatte sich anscheinend ein Zuschauer verletzt und benötigte Hilfe. Ich ärgerte mich immer noch über meinen blöden Gedankengang. So ganz haben die Terroristen nicht gewonnen, weil ich und viele andere immer noch zu Großveranstaltungen gehen, Konzerte und Weihnachtsmärkte besuchen, Rad fahren und einfach unser Leben leben, ihr Arschlöcher. Aber ein bisschen sind sie anscheinend doch in meinem Kopf.


Stadionbuch. Macht vom Thema her natürlich überhaupt keinen Spaß, liest sich aber bis jetzt unwiderstehlich.

Wir fuhren ähnlich schweigend zurück wie wir hingefahren waren. Abends bekochte ich F. noch mit Kürbisrisotto, das von diesem Spiegel-Rezept inspiriert war. Den Schinken habe ich mir geschenkt, und auch die verschieden geschnittenen Kürbisstückchen habe ich vereinfacht (Einheitsgröße FTW), aber was richtig toll war: weißer Pfeffer. Der brachte einen mir bisher ungekannten Geschmack ins Risotto, das ich bis auf die Zugabe von Kürbis und weißem Pfeffer wie immer zubereitete – Butter, Zwiebeln, Reis, Weißwein, Hühnerbrühe, Parmesan. Und ständig rühren! Ich weiß, darüber gehen die Meinungen auseinander, aber ich gehöre zum Team Ständig Rühren.