Was schön war, die letzte Woche – Kunst und Kleinkram

Letzten Donnerstag fuhr ich nach Regensburg, um mir die Ausstellung Artige Kunst. Kunst und Politik im Nationalsozialismus anzuschauen. Auf der Zugfahrt dorthin schaffte ich die komplette FAZ, und auf der Rückfahrt las ich die Radium Girls weiter, während von draußen akustisch angenehm der Regen auf den Zug prasselte. Im noch trockenen Regensburg ließ ich mich per Bus in die Ostdeutsche Galerie chauffieren und sah aus dem Fenster eine vielversprechende Altstadt, die ich dringend besichtigen möchte. Eigentlich wollte ich die Ausstellung gleich am nächsten Tag verbloggen, aber man kommt ja zu nichts, denn:

Am Wochenende beschäftigten mich die Vorfälle in Charlottesville, was natürlich überhaupt nicht schön war – leider aber auch nicht großartig überraschend, wenn man sich mal für fünf Sekunden mit den Südstaaten beschäftigt hat. Ich hatte mir vor Monaten und dann immer wieder vorgenommen, nicht mehr über Trump zu twittern, weil es nichts bringt, weil ich hier in Deutschland eh nichts an seiner Politik ändern kann, aber Charlottesville hat mich zu sehr belastet, um nicht ein paar Artikel zu teilen, die ich lesenswert oder nachdenkenswert fand. Wobei ich immer noch nicht weiß, ob das die richtige Taktik ist, mit Stress umzugehen. Vielleicht wäre die Idee, bei jedem schlimmen Vorfall eine Woche Internetfasten einzuschieben, auch sinnvoll, um dann mit Abstand die guten Think Pieces zu erwischen. Andererseits kann man dann vermutlich auch gleich den Rechner einmotten, weil immer irgendwas schlimm ist.

Ich war wieder gleichzeitig dankbar für Twitter, weil man schnell mitbekam, wie sich Dinge entwickelten; ich folge vielen amerikanischen Medien bzw. einigen Journalist*innen, die nicht unbedingt sofort alles als BREAKING raushauen, daher fühlte ich mich gut informiert, aber nicht überfordert. Gleichzeitig bekam ich natürlich auch viele emotionale Tweets mit, Bilder, von denen recht schnell klar war, dass sie nicht aus Charlottesville stammten und die dann trotzdem ewig retweetet wurden, der übliche Twitter-Kreislauf halt. Das nervte dann wieder, und allmählich verliere ich die Geduld mit Social Media, weil es immer so weiter geht und wir alle anscheinend nie etwas dazulernen.

Am Montag saß ich im ZI und wollte eigentlich über die NS-Ausstellung schreiben, schleppte aber spontan alles, was ich zu Südstaaten-Denkmälern finden konnte, an den Platz und las (und bloggte anschließend darüber). Nebenbei blätterte ich in (älteren) Katalogen, die sich explizit mit Schwarzen Künstler*innen und ihren Werken beschäftigen, was ähnlich doof ist wie Ausstellungen, in denen nur Kunst von Frauen hängt, weil es sich immer anfühlt wie „Seht her, die können das auch, wer hätte es gedacht“. Es war nötig, dass man irgendwann solche Ausstellunge machte, einfach um andere Namen in den Kanon zu kriegen, aber es hatte – und hat – einen sehr gönnerhaften Beigeschmack.

Ich bin auch noch nicht fertig zu durchdenken, dass von Schwarzen Künstler*innen anscheinend eher erwartet wird, sich mit Sklaverei und der spezifisch schwarzen Geschichte der USA zu befassen. Genau wie Kunst von Künstlerinnen gerne als explizit feministisch hingestellt wird. Ich glaube, beides ist falsch, aber ich kann mich selbst auch irrsinnig schwer von solchen Erwartungen und Zuschreibungen lösen. Auch deswegen gucke ich inzwischen immer in Ausstellungen erst auf die Werke und versuche mir selbst ein Bild zu machen, bevor ich auf den Aushang schaue, auf dem steht, was ich da gerade sehe. Und trotzdem erwische ich mich noch dabei, Quatsch zu denken wie „Ach, ne Frau, klar, das Bild sieht ja auch so aus.“ Blödsinn. Doofer Blödsinn. Ich hoffe, alleine die Tatsache, dass mir bewusst es, dass es Blödsinn ist, bringt mich irgendwann dazu, neutraler auf Bilder schauen zu können. Andererseits weiß ich natürlich auch, dass man nie ganz neutral auf Kunst gucken kann, weil man Erwartungen, Erlebnisse, Erziehung und Konditionierungen mitbringt, die in den angeblich ganz individuellen Blick hineinspielen.

Ansonsten verbringe ich meine Tage derzeit damit, Akquise zu machen und schreibe so ziemlich jede Kollegin an, mit der ich mal zusammengearbeitet habe, um der Werbewelt wieder mitzuteilen, dass man mich wieder länger buchen kann. Das hat auch schon zu netten Mailantworten und Telefonaten geführt sowie zu zwei Anfragen, aus denen zwar leider nichts geworden ist, die aber beide von Agenturen kamen, für die ich noch nie gearbeitet hatte. Da hat anscheinend schon jemand mal meinen Namen fallengelassen, was mich sehr gefreut hat.

Ich hoffe, der erste anständige Auftrag lässt nicht mehr allzu lange auf sich warten, denn meine Selbstbelohnungen für das abgeschlossene Studium warten. Den ersten Teil habe ich gestern schon erledigt und mir endlich die Absolvente gekauft – ein Quietscheentchen mit dem LMU-Siegel auf dem Doktorhut. Auf die habe ich mich seit fünf Jahren gefreut und ich grinse jetzt immer, wenn ich sie im Bad sehe.

Der zweite Teil der Selbstbelohnung wird etwas teurer, aber auch auf ihn freue ich mich seit fünf Jahren: Ich möchte endlich ins Tantris gehen, mit Raritäten-Weinbegleitung und allem Schnickschnack, den der Laden zu bieten hat. Ich wäre deutlich entspannter, wenn ich dafür ein bisschen frisches Geld auf dem Konto hätte.

Bis dahin schreibe ich weiter Mails und lungere bei Behörden und Copyshops rum, um meine Bewerbungsunterlagen für das Promotionsstudium zusammenzukriegen. Gestern war ich zum Beispiel im Kreisverwaltungsreferat, um ein polizeiliches Führungszeugnis zu beantragen, das hätte die LMU gerne. Das KVR hat anscheinend ein paar Zuständigkeiten neu ausgewürfelt. Ich hatte mich schon auf drei Stunden Wartezeit wie damals bei der Ummeldung von Hamburg nach München eingestellt und war dementsprechend vorbereitet (Getränk, Snack, FAZ, Radium Girls, voll aufgeladenes iPhone). Am Eingang entdeckte ich netterweise den Hinweis, dass man für ein Führungszeugnis nicht in einem der üblichen Wartebereiche anstehen musste, die sich am Anfangsbuchstaben des Nachnamens orientieren und wo man dann quasi alles beantragen kann, aber eben auch ewig warten muss, weil da alle alles beantragen. Stattdessen wurde ich in einen gesonderten Wartebereich gelotst, bekam von der Dame an der Infotheke eine Nummer anstatt sie am Automaten zu ziehen – und konnte kaum glauben, dass nur fünf Leute vor mir dran waren. In einer knappen Viertelstunde war ich wieder draußen.