Wenn Frauen zu sehr bloggen

Am Freitag gab es auf der re:publica einen Workshop mit dem schönen Titel „Strickblogs oder Postfeminismus: Contents jenseits vom Schwanzvergleich“ (leider nicht mehr als Audiostream verfügbar). Im Vorfeld hatte die Referentin mehrere Bloggerinnen angeschrieben, ob sie Input für diesen Workshop hätten. Ich hatte, ehrlich gesagt, keinen, weil mir auch nach tagelangem Überlegen nichts eingefallen ist, über das man großartig hätte reden können außer die üblichen Allgemeinplätze „Es gibt mehr weibliche als männliche Blogger, aber von den Kerlen hört man mehr“ und „Frauen schreiben persönlicher als Männer“. Und darüber wollte ich nicht reden, denn who cares.

Per Livestream konnte man den Workshop auch vom heimischen Sofa aus verfolgen, was ich getan habe. Und ich musste feststellen, dass anscheinend auch die anderen der Angeschriebenen keinen großartigen Input geliefert hatten, denn eben diese zwei Allgemeinplätze wurden erwähnt – und dann wurde aus dem Workshop, der nie einer war, eine Art Frauenstammtisch, bei dem sich alle Anwesenden vorstellten und sagten, über was sie bloggen. Oder auch nicht. Ich hatte das Gefühl, dass die Hälfte der Frauen kein Blog hatten, und ich glaube auch nicht, dass nach dieser Veranstaltung der Wunsch, eins zu haben, größer geworden ist, weil die Faszination des Bloggens einfach nicht klar werden konnte.

Mein Problem mit dem Themenkomplex „Frauenbloggen“ ist, dass ich keins habe. Ja, ich denke auch, dass Frauen anders bloggen, aber mal ganz doof in die Runde geworfen: Frauen leben auch anders, fühlen anders, setzen vielfach andere Prioritäten und lesen andere Bücher als Männer. Warum sollten sie dann nicht auch anders bloggen?

Ich bin absolut der Meinung, dass Männer und Frauen das Gleiche leisten können, sofern die Biologie nicht im Weg steht (Männer laufen nun mal schneller und springen weiter, okay, damit kann ich hervorragend leben). Aber wenn es um geistige Leistung geht, nehmen wir uns nichts. Trotzdem gibt es Filme, bei denen Männer ständig auf die Uhr gucken, während Frauen gerade selig die Kleenexbox leerheulen. Es gibt Zeitschriften, die Frauen gelangweilt weglegen, während die Kerle sich gar nicht mehr beruhigen können wegen der tollen Heimwerkertipps und Handyrezensionen. Das ist natürlich böse verallgemeinert; ich weiß, dass es genug Frauen gibt, die lieber die Bohrmaschine schwingen als die Nagelfeile und dass es durchaus Männer gibt, denen Titanic gefallen hat (auch wenn sie es niemals zugeben würden). Aber ich glaube schon, dass die beiden Geschlechter manchmal schlicht und einfach andere Interessen haben, weil ihr Leben sich nun einmal unterscheidet.

Wenn Frauen sich z.B. für ein Leben als Hausfrau und Mutter entscheiden, ist es fast zwangsläufig so, dass es bei ihrem Blog eben um Kinder und den ganzen Rest geht. Was ich auch völlig okay finde. Ich gucke gerne Filme, also schreib ich über Filme. Ich weiß nicht, ob ich jetzt aus falsch verstandenen emanzipatorischen Zwängen unbedingt über Politik schreiben muss, nur damit es ein Blog gibt, bei dem sich eine Frau mit diesem Thema auseinandersetzt. (Und nebenbei gibt’s das ja auch schon.) Ich glaube auch nicht, dass wir dringend noch ein weiteres SEO- oder Marketinggeschwafelblog brauchen, das erkennbar von einer Frau geschrieben wird, nur damit wir sagen können, ja klar, können wir auch. Vielleicht gibt’s ja auch schon Blogs über Suchmaschinenspamming von Frauen, weiß ich nicht, den Quatsch les ich nicht.

Zusammengefasst: Wir leben anders – wir bloggen anders. Der einzige Punkt, den ich auch nicht erklären kann, aber der wahrscheinlich auch nicht auf einem Workshop ergründet werden kann, ist, warum männliche Blogs grundsätzlich eher wahrgenommen werden. Meine Theorie wäre die häufigere Verlinkung von thematisch ähnlich gelagerten Blogs. Während wir eher persönlich Bloggenden weitere Blogs, die uns gefallen, nur in der Blogroll haben, verlinken sich derartige Blogs viel häufiger, weil ihre Themen sich eher überschneiden. Wenn Blog X über das schicke neue Spielzeug mit dem BING bloggt, ist die Chance relativ groß, einen Backlink von weiteren BINGBloggern abzukriegen; gerne in der Formulierung „Der X hat auch drüber geschrieben“. Und zack! sind einige neue Technorati-Links da, die diese Blogs in den Blogcharts weiter nach oben spülen, obwohl sie genau den gleichen Kram schreiben wie fünfzig andere auch. Und da diese Charts im Moment anscheinend die einzigen sind, die von der Öffentlichkeit, die sich nur mal eben für einen miesen Artikel in der Süddeutschen mit Blogs beschäftigt, wahrgenommen werden, ist für diese Öffentlichkeit klar: Keiner liest Frauenblogs. Da sag ich mal: Wenn auch Frauen sich dieser Themen annehmen würden, wären sie ebenfalls dabei. Viel Spaß damit.

Ich glaube, mein Grundproblem mit dem angesprochenen Workshop war eben, dass ich keinen Bedarf für diese Art der Differenzierung gesehen habe. Jetzt im Nachhinein sind mir doch noch ein paar Themen eingefallen, die vielleicht für weibliche Blogger interessant gewesen wären: Welche Risiken gibt es für uns, die die meisten Männer wohl nicht haben werden (Stichwort Stalking oder sexuelle Belästigung per Kommentar oder Mail) und wie kann man sich dagegen wehren bzw. davor schützen? Können wir uns zu einer Art Webring zusammenschließen, wollen wir das, müssen wir das? Wäre es vielleicht sogar finanziell interessant, ein Netzwerk aus weiblichen Blogs zu schaffen, weil man damit Werbetreibenden eine sehr spitze (no pun intended) Zielgruppe bieten könnte? Und generell: Wieso ist überhaupt das Bedürfnis da, sich absetzen zu wollen, sich darüber einen Kopf machen zu wollen, dass man nun mal als Frau schreibt?

PS: Der Guardian hat vor Kurzem eine Liste veröffentlicht mit den angeblich 50 most powerful blogs. Über die Auswahl kann man streiten, aber: Das Blog an Nummer 1 ist die Huffington Post, gegründet von Arianna Huffington. Und auf Nummer 5 findet sich dooce, wo Heather Armstrong über nichts anderes schreibt als über ihr Kind, ihren Ehemann und ihren Hund. Go figure.

Edit: franziskript hat sich die Veranstaltung angeguckt. Initiatorin Helene Hecke hat im Genderblog ihre Sichtweise aufgeschrieben.