Teddybärenwoche, Tag 4: Teddy, mein Held.

Teddy ist schon 40, denn ich habe ihn zu Weihnachten bekommen, als ich noch kein Jahr alt war. Vielleicht heißt Teddy deswegen auch nur Teddy, weil ich mit neun Monaten noch nicht in der Lage war, ihm einen anderen Namen zu geben.

Er ist das erste Stofftier, an das ich mich erinnere – und das ich noch besitze. Er ist auf vielen meiner Kinderfotos zu sehen, er durfte in meinem Bett schlafen und ich weiß, dass Mama ihm des Öfteren die Beine neu annähen musste, weil ich ihn immer mit mir rumgeschleppt und vielleicht nicht immer pfleglich behandelt habe. Würde mich mal interessieren, ob man Kleinkindern wirklich beibringen kann, etwas pfleglich zu behandeln.

Teddy hat mich bei Gewittern beschützt, mich bei langen Autofahrten unterhalten, mich getröstet. Denn natürlich konnte Teddy sprechen. Er hatte eine kleine rote Zunge, und wenn ich mit ihm irgendwo zuhause rumsaß, haben wir uns stundenlang unterhalten. Jedenfalls bis ich zehn war. Da sind wir nämlich umzogen, von unserem alten Haus in unser neues. Alle Möbel wurden verpackt, und selbst die gesamte Küche kam mit. Das wusste ich aber nicht. Im ganzen Umzugstrubel hatte ich nämlich ein viel wichtiges Problem: Teddys kleine Zunge war abgefallen und meine Mutter musste sie wieder annähen. Die war aber natürlich eher damit beschäftigt, ein ganzes Haus in Kisten zu verstauen und hatte keine Zeit. Ich solle die Zunge irgendwo aufbewahren, bis sie Zeit hatte. Also habe ich die Zunge auf einen Küchenschrank gelegt, weil ich der Meinung war, der würde nicht mitkommen. Aber als ich am Umzugstag aus der Schule kam, war die Küche weg. Im Umzugslaster. Und natürlich hatte niemand auf Teddys Zunge geachtet. Seitdem war Teddy stumm.

Ich habe trotzdem weiter mit Teddy geredet. Auch in der Pubertät, als es total uncool war, noch Stofftiere bei sich im Zimmer zu haben, durfte Teddy weiter bei mir wohnen und wurde nicht auf den Dachboden gesteckt wie viele andere Plüschviecher, zu denen ich nie eine so enge Bindung wie zu Teddy hatte. Inzwischen schlief er nicht mehr in meinem Bett, aber er saß immer auf dem Nachttisch, so dass ich ihn sehen konnte.

Wenn wir in den Urlaub gefahren sind, habe ich immer ein Ersatzstofftier mitgenommen, weil ich Angst hatte, Teddy irgendwo zu verlieren. Als meine Schwester und ich vor einer längeren Reise gebeten wurden, alles Wertvolle in den Banksafe zu tun, war ich kurz davor, auch Teddy in den Safe legen zu wollen. Aber erstens würde er im Schließfach ja keine Luft kriegen und zweitens war ich doch nicht ganz so blöd, wie dieser Eintrag mich grad macht. Trotzdem hatte ich jedesmal Angst, unser Haus würde abbrennen, und niemand würde Teddy retten, genau wie auch niemand auf seine Zunge aufgepasst hatte, weil niemand weiß, wie wertvoll dieser alte, ranzige Teddy für jemanden ist.

Vor ein paar Jahren hat mir meine Schwester den Tarnbär geschenkt, weil Teddy immer fragiler wurde und ich mich nicht mehr getraut habe, ihn ab und zu in den Arm zu nehmen. Vielleicht auch, weil er nach fast 40 Jahren nicht mehr ganz so blütenfrisch ist wie er mal war, da er ja, seit meine Mutter nicht mehr für ihn zuständig ist, keine Waschmaschine mehr von innen gesehen hat. Der Tarnbär ist inzwischen der Kuschelteddy geworden, der neben meinem Bett sitzt (der aber auch nicht auf Reisen mitkommt, weil ich ihn ja verlieren könnte), während Teddy alt und würdevoll im Regal im Schlafzimmer sitzt und sich alles in Ruhe von oben anguckt. Wenn unsere Wohnung brennen würde, wäre er das erste, was ich mit dem MacBook schnappen würde, um es zu retten.

Wenn ich irgendwann sterbe und verbrannt werde, muss sich meine Schwester um ihn kümmern. Ich überlege ernsthaft, das ins Testament zu schreiben, damit Teddy in gute Hände kommt. Denn Teddy kann ja selbst nicht mehr sagen, was er will.

Das beiden Fotos mit mir und Teddy, der sich im unteren Bild elegant im Hintergrund hält, aber noch eine Zunge besitzt, hat meine Schwester liebevoll und offensichtlich mit Blitz aus dem Familienalbum abfotografiert. Zur Strafe, weil sie die Bilder nicht einscannen wollte, veröffentliche ich hier mein Lieblingsfoto von Schwesterherz und mir, weil ich mich jedesmal totlache, wenn ich es sehe. Zur Ehrenrettung meiner Schwester muss ich aber sagen, dass sie heute keinen Quadratschädel und keine Michelinbeine mehr hat. Und auch ihr Gesichtsausdruck („Hey, bitches, don’t touch my ride!“) hat sich verwachsen.