Was schön war, Dienstag, 1. März 2016

Von F. nach Hause fahren und aus dem Busfenster gucken

Die letzten Fußnoten im ersten MA-Semester

Morgens fuhr ich in die Stabi, um dort die letzten zwei kleinen Fußnötchen gegenzuchecken. Dazu brauchte ich zwei Bücher, die im Lesesaal lagen. War natürlich alles richtig, was ich mir notiert hatte, aber so eine strebsame Nase bin ich halt, dass ich bei Formulierungen, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob ich sie beim wilden Stoffsammeln brav abgeschrieben oder nur en passant exzerpiert hatte, lieber noch mal nachgucke, bevor ich die Arbeit abgebe.

Dann las ich die vorgestern gekürzte und mit einer leicht veränderten Zusammenfassung versehene Arbeit zum tausendsten Mal und war zum ersten Mal zufrieden.

Mal sehen, was die Korrekturfee sagt.

Moralische Anstalten

In der frei lesbaren Designkolumne aus dem März-Merkur von Christian Demand geht es um die seltsame Gleichsetzung von Menschen mit Geschmack (wer auch immer den definiert) und Menschen mit einer guten Gesinnung (gleiche Klammer wie eben).

„Menschen vom Schlag der Erfurter Wutbürgerin, versicherte man sich stattdessen gegenseitig, seien mit Argumenten nun einmal nicht zu erreichen. »Die denkt so«, seufzte eine Journalistin konsterniert, die kurz zuvor noch mit Erklärungen nur so um sich geworfen hatte, und schob zur Bekräftigung nach: »die denkt in ihrem Wohnzimmer mit Gelsenkirchener Barock so«. Niemand widersprach. Niemand wunderte sich über diese anachronistische Kategorie. Niemand lachte lauthals auf, um nachzufragen, weshalb man sein Ressentiment nicht ebenso gut in Bauhaus-Optik oder auch in Ikea-Möbeln ausleben können sollte. Offenbar empfanden alle Beteiligten die umstandslose Gleichsetzung von zweifelhaftem Geschmack und niederer Gesinnung als unmittelbar einleuchtend.“

Demand schlägt den Bogen vom Deutschen Werkbund über Manufactum-Kataloge bis zur AD, Svensk Design und der Kulturgeschichte, die sich etwas von ihm vorwerfen lassen muss (über den letzten Satz habe ich sehr gelacht. It’s funny cause it’s true):

„Designhistorische Literatur wird nämlich unseligerweise seit eh und je bevorzugt von Autoren geschrieben, die, bei aller Sachkunde, von Bewunderung für ihren Gegenstand durchdrungen sind und dementsprechend viel Raum und Energie für die Erörterung künstlerischer Prioritäts- und Rangfragen aufwenden. Aus diesem Grund trägt Designgeschichte oft zumindest latent affirmative, wenn nicht sogar hagiografische Züge, am schlimmsten bei Monografien zu einzelnen Stilrichtungen und Designern. Zu allem Überfluss genießen die immer gleichen Entwürfe und Objekte, Institutionen und Akteure in der Forschung überproportional große Aufmerksamkeit – was durch die Logik der wissenschaftlichen Fördersysteme zusätzlich begünstigt wird, weshalb es wohl nur eine Frage der Zeit ist, bis der erste aus DFG-Mitteln finanzierte catalogue raisonné der am Bauhaus entworfenen Heftklammern und Klingelschilder erscheinen wird.“

Piano Phase

Weniger funny, aber auch true: Pappnasen in der Kölner Philharmonie, die den Abbruch eines Stückes von Steve Reich erzwingen. Das konnte ja auch keiner ahnen, dass Reich gespielt wird, wenn Reich im Programm und vermutlich auch noch auf der Eintrittskarte steht.

Daraufhin warf @munifornication das abgebrochene Stück Piano Phase in meine Twitter-Timeline und ich war für 18 Minuten sehr abwesend und völlig hingerissen vom Timing der beiden Künstler*innen.

Der Cembalist Mahan Esfahani, der seine Darbietung unterbrechen musste, hat selbst auch etwas zum Vorfall geschrieben:

„I really hate to engage in a reductio ad ISISam, to coin a phrase, but I should like to reflect on something which bears consideration. There are people in the world who want to completely destroy culture. Culture! Can you believe this? Culture doesn’t hurt anyone. It doesn’t stab or kill or behead anyone. And yet, it disturbs them so much to the depths of their souls that they want to stamp it out. Now, I’m not saying that yesterday’s very naughty individuals have some sort of equivalency to that level of evil, but it would do them good to consider that music will die if we are not active participants in seeing music change and challenge us. In that sense, I’m not a performer and you are not listeners. We are all responsible for making sure that music is never in a state of inertia. There is no such thing as a static definition of ‘good’ or ‘authentic’ or ‘correct.’ The sort of people who talk about this as though it were heaven tend to be those who make hell on Earth.“

(via @captnsumner und @regelwunst)

Socken stopfen

Ja, wirklich.

Ich habe vor kurzem angefangen, meine Kleidung zu reparieren, wenn sie Macken hat, wo ich sie früher schlicht entsorgt habe. Für Fünf-Euro-Socken mach ich mir doch keine Mühe, dachte ich. Heute denke ich: Warum eigentlich nicht? Ich trage diese Fünf-Euro-Socken gerne, also sorge ich dafür, dass ich etwas länger von ihnen habe. Das sieht bei mir zwar immer aus, als hätte Doktor Frankenstein betrunken Stoffreste vertackert, aber für mich ist das jedesmal ein kleiner Triumph, wenn ich die Socken gestopft in die Schublade lege anstatt mit einem Löchlein versehen in den Abfall.

Die Handarbeitsbloggerei darf jetzt gerne lächeln, das kenne ich schon von der Kochbloggerei, die vor fünf Jahren auch gerührt darüber war, dass ich meine erste Tomatensauce gekocht habe. In fünf Jahren stehen hier Schnittmusterbögen, mark my words.