Tagebuch 15. Oktober 2015 – E-Mails

Zum ersten Mal in einer Mail ein süddeutsches Idiom verwendet. Anstatt zu schreiben „Ich bleibe lieber zuhause“, schrieb ich, ohne lange darüber nachzudenken „Ich bleibe daheim.“ Ich stutzte erst, als die Worte da standen.

Wenn ich zuhause alleine rumpuschele, begleite ich manchmal das, was ich tue, mit Selbstgesprächen. (Ja, ich werde eine von den alten Frauen werden, die auf der Straße vor sich hinmurmeln.) Als ich gestern ein paar T-Shirts in die Wäsche warf, sagte ich laut: „Ihr kommts jetzt auch in die Wäsche.“ Anstatt „Ihr kommt jetzt auch in die Wäsche.“

Ich weiß noch nicht, ob mich das freut, dass sich hier Bairisch in mein wundervolles Hannoveraner Hochdeutsch einschleicht oder ob das wieder ein Teil des Abschiednehmens ist, der eher weh tut. Zefix!

Ein freundlicher Leser fragte mich etwas per Mail und ich zitiere mal (ich hoffe, ich darf):

„Ich habe ebenfalls kürzlich Inside Out gesehen und bei dem Film spontan an Sie und den Bechdel-Test (bestanden – sofern die Emotionen als Frauen durchgehen, oder?) gedacht. Insgeheim habe ich damit gerechnet, dass Sie die Darstellung von Sadness als pummeliges Mädchen mit Brille stereotypisch finden und war von Ihrer positiven Einschätzung überrascht.

Darf ich fragen: Wie kommts?“

Darüber musste ich, ehrlich gesagt, etwas nachdenken.

Ich meine mich daran zu erinnern, bei den ersten Bildern auch gedacht zu haben, ja nee klar, die Traurige ist dick. Oder andersrum: Die Dicke ist traurig. Geht ja auch gar nicht anders, wir wissen ja alle, dass dicke Menschen gar nicht glücklich sein können, sie sind ja schließlich dick.

Diese Gedanken rutschten aber bald in den Hinterkopf, weil Sadness im Film eine wichtige Rolle hat und sie der ewig und fast manisch gut gelaunten Joy etwas entgegenstellen kann – vielleicht auch durch ihr Körpergewicht. Ich mochte das gern, dass eine der beiden Hauptfiguren dick ist, denn jede positive Repräsentation eines dicken Menschen, auch wenn es hier eine computergenerierte Emotion ist, ist gut und wichtig bei der Normalisierung dieser Körperform in den Medien. Je mehr dicke Menschen ich sehe, desto mehr gewöhne ich mich an sie und empfinde sie nicht mehr als anders oder gar falsch. Außerdem mochte ich, dass Sadness alleine durch ihre Optik geerdeter ist, fester auf ihren Beinen steht, nicht so sprunghaft und hektisch umherrast wie Joy, sondern bedächtiger und überlegter unterwegs ist.

Ich habe ihre Fülle besonders in der Szene mit Bingbong als schön empfunden. Als die beiden sich gegenseitig trösten, ist bei mir der Eindruck des Anschmiegens geblieben, das Ankuschelnkönnens. Das heißt natürlich nicht, dass man sich nicht auch an schlanke Menschen rankuscheln kann. Aber die meisten von uns, glaube ich wenigstens, greifen bei Kuschelbedürfnis dann doch eher zum dicken Kissen oder der mummeligen Bettdecke, wenn kein Mensch in der Nähe ist, anstatt zum dünnen Joggingshirt und einem Handtuch.

Und eine Brille ist nie stereotyp. Eine Brille ist immer sexy.