Tagebuch 12. September 2015 – #12von12

Das waren gestern recht monothematische 12 von 12.

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Einer der eher unspektakulären Ausblicke aus unserem Wohnzimmer. Es war das vorvorletzte Mal, das ich in Hamburg aufwachte. Ich schlafe derzeit auf meinem geliebten Riesensofa, das vermutlich in München die Hälfte meines Zimmers einnehmen wird.

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Cappuccino zum Frühstück.

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Gebloggt. Neben mir die fast schon leeren Billy-Regale, an der Schiebetür lehnt ein zusammengerollter Teppich, und dahinter stapeln sich die Kisten.

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Diese Kisten, um genau zu sein.

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Unter den Bibeln liegen politische Lexika. In die nächste Kiste kommt der Talmud, zusammen mit lauter Atlanten und Wörterbüchern, wobei ich von denen sehr viele verklappt habe. Ich gucke wirklich nie ins Bankenlexikon, auch wenn ich als Werberin viel für Finanzdienstleister geschrieben habe. Was ich gestern außerdem weggeworfen habe: Belege aus 15 Jahren Autotexterei. Viele Audi-, Mercedes- und VW-Kataloge, opulente, großformatige (und schwere) Messemittel. Hab ich digital, muss jetzt weg. Ebenfalls in die Tonne: meine ganzen Schulbücher und -Reclams. Ja, die wären leicht gewesen, aber mal ehrlich: Ich gucke dann vermutlich doch nicht mehr in meinen zerfledderten Don Carlos. Insgesamt füllten meine weggeschmissenen Bücher drei der sechs Tonnen im Müllraum. Entschuldigung, liebe Nachbarn! Kommt garantiert nicht wieder vor.

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Von einigen Werbeerinnerungen kann ich mich aber doch nicht trennen. Bei S&J bekam man nach der Probezeit den silbernen Pistolenfön, den man bei Präsentationen vor Kunden ansteckte. Das Ding ist der Grundriss der ersten Agenturräume und diente als eine Art Erkennungszeichen für uns Hansel. Wer bei S&J im Guten ging, bekam den eisernen Pistolenfön, so dass man immer zurückkehren konnte. Falls es die Agentur noch geben würde, that is.

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Den wollte ich eigentlich wegschmeißen, aber jetzt liegt er doch noch in einem meiner vielen Tagebücher, die ich natürlich nicht verklappe.

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Nach drei Tagen und 49 Kisten waren sechs Billys plus Aufsätze leer. Nein, in den Kisten sind natürlich nicht nur Bücher. Irgendwer muss das ja noch tragen. Ich allerdings nicht; ich bezahle Menschen für ihre Körperkraft und bin sehr dankbar für sie. (Sowohl für die Menschen als auch für ihre Kraft.)

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Gegen 13.30 Uhr war es dann soweit: Ich habe fertig. Das bisschen Kleinkram, die wenigen Klamotten und das Körperpflegezeug, das ich morgen und übermorgen noch brauche, landet im Koffer, den ich Montag zum Flughafen zerren werde. Im Koffer transportiere ich auch alle Regalbretthalternupsis, die ich aus den Billys gezogen habe. Hoffentlich geht mein Gepäck nicht verloren.

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Nach einer Dusche und einem Sandwich ging’s aufs Sofa zum Fußballgucken. Dabei bin ich natürlich eingeschlafen. Sorry, Bayern.

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Im vorletzten Bild zu erkennen: meine zwei leergeräumten Weinregale, die ihre neue Heimat in meinem Münchner Keller finden werden, weil ich leider keinen Platz in der Wohnung für sie habe. Ihren Inhalt habe ich aufgeteilt: Meine Lieblingsflaschen sind hoffentlich bruchfest eingepackt, der Rest wird verschenkt. Vorgestern wollte ich schon meinem besten Freund ein paar Flaschen in die Hand drücken, aber der Mann hatte unfassbarerweise keinen Rucksack und keinen Korb für seinen Gepäckträger dabei. Dann muss er sich die Weine halt abholen. Heute, Sonntag abend, sehe ich meine beiden besten Freundinnen, die natürlich auch was Hübsches in die Hand bekommen. Und Samstag schleppte ich sechs Flaschen zu meinen liebsten Kolleginnen, von denen ich mich bei Sushi und Fisch mit Tomatensalsa und Avocadocreme verabschiedete.

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Beim Nachhausekommen der zweite Heulflash des Tages. Der erste ereilte mich, als die Bücherregale leer waren. Jetzt wohne ich wirklich nicht mehr hier – hier sind keine Bücher mehr von mir.

Der zweite kam abends, als ich die Badezimmertür schloss. Unser Bad … ich stolpere seit Tagen über „unser“, wenn es um die Wohnung geht, weil es „uns“ ja nicht mehr gibt. Also noch mal: Das Bad ist innenliegend und aus welchen Gründen auch immer haben die ErbauerInnen damals eine Öffnung in die Wand gekloppt, die zur Küche geht. In einer Nachbarwohnung ist diese Öffnung mit einem Fenster temporär verschlossen, bei uns hängt ein kleines Stoffrollo davor, das man hochziehen kann, falls man mal wieder zwei Stunden gebadet hat und das Bad ein einziges Feuchtgebiet ist, das nach Sauerstoff schreit. Wenn man die Badezimmertür schließt, entsteht ein Luftzug, der das Rollo kurz anhebt und es dann wieder an die Wand drückt. Dabei dengelt die Leine, mit der man das Rollo öffnet, kurz an die Wand und der Metallpröppel am unteren Ende des Bandes erzeugt ein Geräusch. Gestern ist mir nach fast neun Jahren Zusammenwohnens aufgefallen, dass ich dieses Geräusch nur noch wenige Male hören werde, weil ich dann nicht mehr in diesem Badezimmer sein werde. Ich kann in diese Wohnung nicht mehr zurückkehren. Ich habe mich so daran gewöhnt, immer wiederzukommen, auch wenn ich so oft weggefahren oder -geflogen bin, aber jetzt ist damit Schluss. Jetzt komme ich nicht mehr wieder. Und obwohl ich das wusste und mich ängstlich, aber hoffnungsvoll auf einen neuen Lebensabschnitt freue, hat mich das gestern sehr schmerzhaft erwischt.