Links vom 15. August 2015: Städtebau

Warum sind unsere Städte so hässlich?

So pauschal würde ich das nicht unterschreiben. Der 2. Weltkrieg und seine Folgen sowie die deutsche Trennung haben dafür gesorgt, dass unsere Städte vielleicht etwas unheitlich aussehen – was aber durchaus seinen Reiz hat. Niklas Maak beschreibt, dass man nicht nur über den angeblich hässlichen sozialen Wohnungsbau und gleichzeitig auf Investoren à la Berlin Mitte schimpfen darf und dass die neuen Städte vielleicht eher von der Justiz als von Architekt_innen gestaltet werden.

„Ein schlagender Vorschlag kommt aus Berlin. Dort kämpfen Architekten wie Arno Brandlhuber dafür, dass der paralysierte Staat kreativ von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch macht. Sie schlagen etwa vor, die erlaubte Traufhöhe, die in Berlin oft bei 22 Metern liegt, was auf eine Regel aus dem neunzehnten Jahrhundert und die damalige Länge der Feuerleitern zurückgeht, auf 26 Meter zu erhöhen.

Damit soll privaten Hausbesitzern der Aufsatz von luxuriösen und lukrativen Penthäusern ermöglicht werden, wenn das Belichtung und Belüftung der Nachbarhäuser nicht beeinträchtigt – und wenn sie sich, und das ist der wesentliche Punkt, im Gegenzug verpflichten, über den ganzen Lebenszyklus des Gebäudes eine Etage für 6,50 Euro pro Quadratmeter zu vermieten, um so den dringend benötigten Wohnraum für Geringverdiener zu schaffen. Privaten Hauseigentümern und Immobilienentwicklern würde das den Bau von teuren Dachlagen ermöglichen, und gleichzeitig würden im Handumdrehen Tausende bezahlbarer Wohnungen mitten in der Stadt und nicht als neues Wohngetto am Stadtrand geschaffen und die gewünschte soziale Mischung ermöglicht.“

Gropiusstadt kämpft gegen ihr schlechtes Image

Wo wir gerade in Berlin sind: 2012 schrieb der Tagesspiegel über das 50jährige Bestehen der Gropiusstadt:

„In der Vergangenheit war nicht alles rosig. Gropiusstadt ist die älteste Berliner Trabantensiedlung, gebaut ab 1962. Ursprünglich sollten 14 500 Wohnungen entstehen, doch der Mauerbau zwang zur Verdichtung der Flächen und Erhöhung der Häuser. 50 000 Berliner sollten hier eine Bleibe finden, um die Wohnungsnot zu lindern. Erst 1975 war die Siedlung komplett fertig, aber schon damals begannen die sozialen Probleme. Nach der Wende verschärften sich Leerstand und Verwahrlosung, ab 2000 steuerten die beteiligten Wohnungsbaugesellschaften und der Bezirk aktiv dagegen. 2005 wurde ein präventives Quartiersmanagement eingerichtet, 2008 ein Bildungsverbund der Kitas und Schulen gegründet. Inzwischen ziehen wieder Mittelstandsfamilien ins Hochhausviertel und begünstigen die soziale Mischung.“

Ohne Zuwanderung veröden Deutschlands Städte

Norbert Schwaldt über die veränderte Stadt- und Gemeindeentwicklung. Für mich interessant waren neben der Forderung nach mehr Zuwanderung auch der Hinweis auf die neue Mobilität: Senioren bleiben, im Unterschied zu früher, nach dem Ende der Erwerbstätigkeit nicht unbedingt an ihrem bisherigen Wohn- bzw. Arbeitsort – auch weil ihre Kinder als Erwachsene nicht mehr in die alte Heimat zurückgekehrt sind. Wenn es sich woanders im Alter besser wohnen lässt, zieht man eben weg; da ist ja sonst nichts mehr, was einen hält. Das kenne ich aus meinen Mittelstandsmilieu eher anders; da wurde in den 70er Jahren ein Haus gebaut und das hat man halt, da bleibt man eben. Kann ich mir persönlich überhaupt nicht vorstellen.

Vor allem die kleineren Gemeinden im ländlichen Raum sehen sich der BBSR-Studie zufolge mit einer Negativspirale konfrontiert. So hat sich dort zwischen 2008 und 2013 die Zahl der Erwerbsfähigen weiter verringert. Dieser Trend wird verstärkt durch die Abwanderung von jungen Menschen in die Großstädte. Die Entwicklung verschärft den Fachkräftemangel, der bereits heute in vielen Regionen spürbar ist.

“Die Metropolen haben eine enorme Sogwirkung. Wissens- und wertschöpfungsintensive Branchen sind dort konzentriert und haben Vorteile im Wettbewerb um Fachkräfte. Die strukturschwachen Regionen laufen Gefahr, wirtschaftlich weiter zurückzufallen”, sagte BBSR-Direktor Harald Herrmann bei der Vorstellung der Studie in Berlin.

Nach der Bevölkerungsprognose des Instituts wird die Einwohnerzahl in Deutschland bis 2035 leicht auf 78,2 Millionen Menschen sinken und gleichzeitig die Alterung der Bevölkerung weiter fortschreiten. Die regionalen Unterschiede sind dabei aber groß: Einer immer größer werdenden Gruppe von schrumpfenden Kommunen steht eine kleiner werdende Gruppe wachsender Städte gegenüber.

“Um die Bevölkerungszahl langfristig konstant zu halten, müsste Deutschland jedes Jahr Wanderungsgewinne von ca. 400.000 Personen erzielen. Bevölkerungswachstum wird ohne Zuwanderung über einen längeren Zeitraum nicht möglich sein”, sagte Herrmann.“

Mit dem klaren Willen für mehr Radverkehr

Das ist inzwischen ein kleines Steckenpferd für mich: den Wandel des öffentlichen Verkehrs weg vom Auto, hin zu quasi allen anderen Verkehrsmitteln. Ich fahre seit gut drei Jahren kein Auto mehr, sondern Fahrrad und Öffis, und die wenigen Male, in denen ich ein Auto vermisste, waren Tage, an denen ich Orte besichtigen wollte, die etwas außerhalb der Stadt lagen (Klöster, Schlösser, was ich mir halt so angucke) oder an denen ich eine irrationale Sehnsucht nach Ikea verspürte, das hier in München auch am Stadtrand liegt. Ich habe es ernsthaft nie in den Ikea nach Altona geschafft.

Zurück zum Artikel: Er zeigt, dass es mit politischem Willen und einer cleveren Planung durchaus möglich ist, die Interessen von Fußgänger_innen, Radfahrer- und Autofahrer_innen unter einen Hut zu bekommen. Einen anderen Artikel finde ich leider nicht mehr, aber ich meine mich daran zu erinnern, dass es vor der im folgenden Artikel angesprochenen Stadt Brighton & Hove einen Versuch in den Niederlanden gab, wo sich alle drei Arten von Verkehrsteilnehmen eine große, schicke Straße geteilt haben. Jeder musste auf jeden Rücksicht nehmen anstatt auf doofe Linien auf dem Grund zu pochen und das Recht des Stärkeren gepachtet zu haben – und das hat angeblich recht gut funktioniert.

„In der Hauptstadt des Baskenlands zeigt sich eindrucksvoll, was sich mit politischem Willen innerhalb kürzester Zeit ändern kann. In den vergangenen zehn Jahren hat Vitoria-Gasteiz den Anteil an Radfahrern in der Stadt von 3,4 auf 12,3 Prozent gesteigert. Das funktioniert nur mit einem klar definierten politischen Ziel und dem konsequenten Umbau der Infrastruktur.

2008 haben die Politiker sämtlicher Parteien in der baskischen Hauptstadt dem sogenannten Nachhaltigen Mobilitätsplan zugestimmt. Dieser sah unter anderem vor, den Autoverkehr in der Stadt stark zu reduzieren. Damals wuchs er langsam, aber stetig an, was den Entscheidern im Rathaus missfiel. (…) 2008 blockierten parkende Autos 64 Prozent der Straßen und Plätze in der Stadt. Das fanden die Politiker undemokratisch. Sie wollten den Autos nur noch 15 bis 20 Prozent der Fläche im Straßenraum zugestehen, die übrige Fläche sollten sich Radfahrer und Fußgänger teilen.

Dafür bauten sie die Infrastruktur massiv um. Große Einfallstraßen wurden komplett umstrukturiert, beispielsweise die Sancho el Sabio Kalea. Früher gab es hier vier Parkspuren und die Autos fuhren zweispurig in beide Richtungen – heute surrt eine Straßenbahn übers Grün. Die Parkplätze wurden abgeschafft, und es gibt nur noch eine verkehrsberuhigte Autospur in eine Richtung. Radfahrer fahren ebenfalls auf der Fahrbahn und auf den breiten Gehwegen, die sie sich mit den Fußgängern teilen. (…)

Um den Menschen das Umsteigen zu versüßen, wurde zeitgleich der öffentliche Nahverkehr ausgebaut. Die Buslinien wurden von 20 auf neun Linien reduziert, dafür ihre Taktung erhöht und eine Straßenbahn gebaut. Zeitgleich stiegen die Parkkosten für Pkw um das Dreifache. Das Signal war deutlich: Wer mit dem Auto in die Stadt kommt, muss zahlen.

Das Konzept geht auf. Die Zahl der Fußgänger hat zugenommen, ebenso die der Radfahrer, und der Anteil der Autofahrer sank auf 25 Prozent.“