Der (voraussichtlich) letzte Stundenplan im BA

Ich bin jetzt ein kleines Sechstsemester. Allmählich müsste ich mal Abschied von der Formulierung „das kleine Dingssemester“ nehmen, aber ich habe sie sehr liebgewonnen. Und der Effekt „Je länger ich hier bin, desto mehr weiß ich, dass ich nichts weiß“ sorgt eh dafür, dass ich mich eben immer noch wie das kleine Dingssemester fühle.

Trotzdem bin ich jetzt im letzten Semester des Bachelor-Studiums angekommen. (Hier bitte alle das Riechsalz rausholen und fassungslos „Wo ist die Zeit geblieben?“ kieksen. Ich mach das auch dauernd.) Da ich im fünften Semester die Superstreberin habe raushängen lassen und alles, was ich noch erledigen musste, erledigt habe, bleibt für mein letztes Semester wirklich nur noch Kleinkram. Naja, und die Bachelorarbeit halt, für die ich Ruhe haben wollte, was mir gelungen ist. Die einzigen Kurse, deren ECTS-Punkte mir noch fehlen, sind eine Ãœbung, die zum Praktikumsmodul gehört, sowie das Kolloquium, das die BA-Arbeit begleitet. Das war’s. Aber ein winziges bisschen mehr Programm gönne ich mir dann doch.

Montag, 10–12 Uhr: Einführung in die Stadtbaugeschichte

Ich hatte in Geschichte im dritten Semester einen Kurs „Die Stadt in Süddeutschland. Von den Anfängen urbaner Kultur bis ins 20. Jahrhundert“ und im letzten Semester die „Stadt im Mittelalter“. In Kunstgeschichte habe ich mich unter anderem mit Architektur in der Stadt beschäftigt, also mit Rathäusern, Börsen, Salzstadeln und ähnlichem sowie mit Bauwerken, die vielen Städten vorausgegangen sind wie Pfalzen, Residenzen, Burgen oder Klöster. Was mich an diesem Kurs gereizt hat, war die Zusammenführung des bisher Gelernten mit noch ein bisschen Sahne obendrauf:

„Befundorientierte Baugeschichte – „historische Bauforschung“ – ist nicht auf das Einzelbauwerk beschränkt, sondern auch auf größere Objektzusammenhänge anwendbar. Besonders bedeutend ist dies im Kontext historischer Stadtanlagen. Diese sind einerseits als Gefüge zahlreicher Einzeldenkmäler zu interpretieren, zugleich aber auch als Denkmäler in sich, mit relevanten geschichtlichen Eigengesetzlichkeiten.

Bei der Untersuchung von Stadtbaugeschichte treten methodisch damit neben der befundorientierten Objektuntersuchung wesentliche weitere Analysemethoden, insbesondere interdisziplinärer Wissenstransfer aus politischer Geschichte, Sozialgeschichtsschreibung, aber auch auch technisch-materielle Aspekte wie Materialverfügbarkeit, Topographie, Verkehrswegeführung.“

Wir hatten bis jetzt drei Sitzungen, und obwohl die Veranstaltung eher eine Vorlesung ist als eine Übung, bin ich bis jetzt sehr zufrieden und habe schon viel gelernt. Für das Referat durften wir uns alle eine Stadt aussuchen, über die wir sprechen. Ich beschäftige mich nach 15 Jahren Wohnsitz da mal mit Hamburg.

Mittwoch, 10–12 Uhr: Architektenkarrieren im Mittelalter und der frühen Neuzeit

In der Vorlesung sitze ich freiwillig. Man kann ja nie genug über Architektur wissen. Eigentlich hatte ich mir auch noch eine Geschichtsvorlesung über Lebensgewohnheiten und Lebensarten im 18. und 19. Jahrhundert in den Stundenplan gepackt, aber irgendwie sitze ich Montags nach der Stadtbaugeschichte doch lieber in der Bibliothek als im Hörsaal.

Donnerstag, 10–12 Uhr: Französisch A 2.1

Theoretisch mache ich den Kurs auch freiwillig, praktisch wollen sowohl München als auch Hamburg von ihren Master-Bewerber*innen eine zweite moderne Fremdsprache nachgewiesen haben. Eigentlich auf Niveau B – da bin ich noch nicht, nach A 2.1 kommt noch A 2.2 und dann erst B. Hamburg reicht der Nachweis aber bis Ablauf des zweiten Semesters, das kriege ich also hin. München hält sich bedeckt, und ich hoffe, dass mein guter Wille, meine total tollen Noten und mein liebreizender Augenaufschlag das irgendwie hinbiegen.

Donnerstag, 14–17 Uhr: Kolloquium

Darauf habe ich mich gefreut, seit ich im letzten Semester schon ein paar Mal da war, weil mein Dozent mich eingeladen hatte. Im Kolloquium sitzen alle Prüflinge des Dozenten, ganz gleich, ob BA, MA oder Promotion. In der ersten Sitzung haben alle kurz ihre Projekte vorgestellt, was für mich total praktisch war, weil ich gleich zwei Kerlen Fragen zu ihren Themen stellen konnte, die mein Thema gut ergänzen. In den folgenden Wochen stellt dann jeder seine Arbeit ausführlicher als Referat vor, und ich finde es großartig, einen ganz wilden Querschnitt durch die Kunstgeschichte zu haben. Klar sind hier Architekturthemen in der Überzahl, weil das eines der Fachgebiete des Dozenten ist, aber das ist mir natürlich auch recht. Wenn kein Referat zu halten ist, erzählen wir, was für Bücher wir gerade lesen oder in was für Ausstellungen wir waren, und daraus entspinnt sich dann ein wilder thematischer Ritt durch die Jahrhunderte. Ich mag das sehr.

Praktikum

Nach der Rücksprache mit der Studienreferentin war ich sehr erleichtert, dass ich kein Praktikum mehr machen muss, sondern meine Berufstätigkeit im Praktikumsbericht beschreiben darf. Im Bericht muss man irgendwie aufzeigen, dass das Praktikum einen im Studium weiterbringt oder das Studium einen gut für das Praktikum vorbereitet hat. Ich habe also versucht zu beschreiben, wie eine Werbeagentur funktioniert und dass mir mein Studium natürlich dabei geholfen hat, Kulturmarketing auf einem ganz neuen Niveau zu betreiben. Beim Verfassen des Berichts habe ich gemerkt, wieviel Bullshit-Bingo-Begriffe wir Werber*innen den ganzen Tag verwenden, ohne dass es mir noch auffällt. Dafür ist es meinem komplett werbe-unaffinen Korrekturleser Felix aufgefallen, der unter den Bericht schrieb: „Learn some fucking German, people.“ Recht hat der Mann. Darauf werde ich mich mal committen.

BA-Arbeit

Arbeitstitel: „Eine Epoche neu sehen. Konzept für eine Datenbank bayerischer Klöster der Romanik.“ Die Idee hatte ich, als ich mit meiner geliebten Frauenchiemsee-Hausarbeit beschäftigt war: eine Datenbank, die den Vergleich zwischen Gebäuden erleichtert und damit auch die Datierung (denn wir KuGis datieren stilkritisch, das heißt: wir vergleichen). Im Oktober trug ich die Idee meinem Dozenten vor, der meinte, eine Datenbank müsse aber schon mehr zu bieten haben als eine durchsuchbare Exceltabelle zu sein und warf mir Begriffe wie WissKI und Semantik zu.

Deswegen beschäftige ich mich in meiner Arbeit jetzt mit 3D- und 4D-Visualisierungen, die die Architektur der bayerischen Klosterlandschaft zwischen 700 und 1200 nachvollzieht. Referenzprojekte für Gebäudevisualierungen wären z.B. Synagogen und Barockschlösser. Mir geht es weniger um die kleinteilige Rekonstruktion, sondern um die Baukörper. Zusätzlich denke ich über eine semantische Datenbank und ihre Ontologien nach, die textliche Verbindungen zwischen den einzelnen Klöstern aufzeigen kann, ähnlich wie WikiData.

Im Hinterkopf habe ich auch noch Ãœberlegungen zu zukunftsfähigen Datenformaten (Stichwort „digital graveyard“) und lustigen Goodies, die noch niemand in der wissenschaftlichen Lehre benutzt hat wie Oculus Rift oder Computerspieloptik wie in Assassin’s Creed. Ich denke über interdisziplinäre Nutzung der Datenbank nach, die Historiker*innen und Wirtschaftswissenschaftler*innen mit einbezieht. Und ganz zum Schluss, aber ich weiß noch nicht, ob das wirklich in diese Arbeit gehört oder ob da die Werberin mit mir durchgeht, überlege ich, ob diese Datenbank auch außerhalb des Elfenbeinturms nutzbar ist, Stichworte Citizen Science und Communitybildung: „Kloster-Swarm! Check in fünf romanischen Klöstern ein und wir geben dir ein Bier in der Klosterbrauerei aus!“

Damit das ganze keine Arbeit in Informatik wird, schreibe ich auch über die Romanik als Epoche, warum Klöster im Mittelalter so wichtig waren und mache aus den Architekturdetails von mindestens drei Klöstern eine Art Probedatensatz, damit ich was zum Vergleichen habe.

Die Datierung ist nach dem ersten Versuch eines Exposés deutlich in den Hintergrund gerückt – mein Fokus liegt jetzt mehr auf der Frage, wie die Digitalisierung die Kunstgeschichte verändert. Die Datenbank soll mehr sein als als nur eine bequeme Suchfunktion; mir geht es in der Arbeit darum, nicht nur Gebäude, die es nicht mehr gibt, zu visualisieren bzw. die Entwicklung noch bestehender Substanz nachzuvollziehen, sondern es geht mir darum, Beziehungen zwischen den einzelnen Bauwerken aufzuzeigen. Quasi ein Beziehungsgeflecht zu entwerfen, das einen neuen Blick auf die romanischen Klöster in Bayern zulässt. Das ist kunsthistorisch interessant, weil sich Kloster architektonisch durchaus von anderen haben inspirieren lassen, und historisch, weil die Klöster zueinander in Beziehungen standen, sei es durch Verbrüderungsbücher oder wirtschaftlich bzw. politisch.

Und dann bin ich fertig.