Links vom 3. Januar 2013

Der New Yorker über den Show-Taschendieb Apollo Robbins und warum sich inzwischen nicht nur Las Vegas, sondern auch Neurowissenschaftler_innen und das Militär für ihn interessieren:

„When Robbins hits his stride, it starts to seem as if the only possible explanation is an ability to start and stop time. At the Rio, a man’s cell phone disappeared from his jacket and was replaced by a piece of fried chicken; the cigarettes from a pack in one man’s breast pocket materialized loose in the side pocket of another; a woman’s engagement ring vanished and reappeared attached to a key ring in her husband’s pants; a man’s driver’s license disappeared from his wallet and turned up inside a sealed bag of M&M’s in his wife’s purse.

After the performance, Robbins and I had dinner at the bar. “A lot of magic is designed to appeal to people visually, but what I’m trying to affect is their minds, their moods, their perceptions,” he told me. “My goal isn’t to hurt them or to bewilder them with a puzzle but to challenge their maps of reality.”

(via @dirksteins)

Michael Schmidt, Leiter des Klassik-Portals beim Bayerischen Rundfunk, vergleicht im Deutschlandfunk Wagner und Verdi miteinander. Ein schöner Reinkommer ins Wagner- und Verdi-Jahr 2013.

„Giuseppe Verdi und Richard Wagner gelten gleichermaßen als die großen Vollender des musikdramatischen Stils. Beide setzen musikalische Ausdrucksmittel freier und ungebundener ein, was sich in einer Aufgabe der starren Rezitativ-Arie-Gliederung äußert oder auch im freieren Umgang mit der Harmonik. Trotzdem nehmen die durchkomponierten Musikdramen bei Wagner und Verdi sehr unterschiedliche Erscheinungsformen an.

Verdis Musik wirkt mit ihren einprägsamen Melodien oft volksnah. Seine Opern zeichnen realistische Charaktere und Typen, deren bewegendes Schicksal aus der jeweiligen Situation heraus illustriert wird. Wagner dagegen zeigt sich in seinen Opern als Mythomane, der von Ideen geleitet wird. Meist wählte er mythologische Stoffe, um eine allgemeingültige Aussagekraft zu erlangen. Verdi war die Idee einer solchen Kunstreligion oder die Idee des Künstlers als Propheten völlig fremd. Während Wagner mit Göttern, Halbgöttern oder mythischen Wesen wie Siegfried und Brünnhilde operierte, ging es Verdi um die Darstellung konkreter menschlicher Personen wie Othello und Desdemona.“

(vermutlich via @DKultur)

In diesem Zusammenhang, wenn auch ohne Verdi und Wagner: die laut NYT besten Klassik-Einspielungen des letzten Jahres. Falls ihr eure Bibliothek erweitern oder überhaupt mal aufbauen wollt. Immer eine gute Idee!

Andreas Beyer, Professor für Kunstgeschichte und Leiter des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris, eröffnet in der FAZ eine neue Serie: „Die zweite Reihe.“ Sie befasst sich mit den Kunstschätzen der Berliner Gemäldegalerien, die mehr Beachtung verdient hätten. Den Start macht die „Auffindung des heiligen Sebastian“ von Georges de la Tour. Ich bin schon nach diesen ersten Zeilen sehr angefixt.

„Die Besonderheit des Berliner Gemäldes wird im Vergleich mit einer weiteren Fassung des Bildes im Pariser Louvre deutlich. Diese gilt gemeinhin als das Original, die Berliner Variante als Kopie (weshalb sie dort auch unter „Werkstatt“ firmiert und ins Untergeschoss verbannt wurde). Grund dafür ist, dass in Paris die Bildfläche insgesamt heller erscheint.

In der Pariser Fassung hat der Maler durch erhebliche Beimischung von Lapislazuli für einen dauerhaften Erhalt der blauen Farbe gesorgt; im Berliner Bild, das materiell scheinbar weniger ambitioniert ausgeführt worden ist (deshalb die Werkstattzuschreibung), hat das Fehlen dieses Zusatzes zu frühzeitiger Verdunkelung geführt. Das bewirkt freilich, dass im Berliner Bild der Chiaroscuro-Effekt, das spektakuläre Helldunkel, weitaus stärker zum Tragen kommt. Und für nichts ist Georges de la Tour bekannter und zu Recht mehr geschätzt.“

(via @helge_david)

Und zum Schluss zwei Buchtipps von Herrn Buddenbohm, die einem eventuell einen Kloß im Hals verschaffen.

„Wenn man zu Borchert Schnurre parallel liest – nein, dann kann man sich dennoch nicht vorstellen, was aus ihm geworden wäre, wenn er länger Zeit gehabt hätte. Wie er wohl zum Frieden gefunden hätte. Nur bei den Naturschilderungen merkt man vielleicht ganz kurz, nur ein, zwei Zeilen lang, was ihm im Frieden noch möglich gewesen wäre, bei den Liebesgeschichten ahnt man es vielleicht auch, wie sie später geendet hätten, wenn sie nicht im und durch den Krieg geendet hätten. Borchert hat das Theaterstück „Draußen vor der Tür“ in nur acht Tagen geschrieben, das ist eine brennende Intensität, die man auch den Geschichten anmerkt, er hatte einfach keine Zeit, er hat geschrieben und geschrieben, mit der Hand, immer weiter, in Heften und auf Zeitungsrändern, wenn kein anderes Papier da war, in fliegender, fiebernder Eile. Er hat nach dem Krieg erst gemerkt, wie gut er Prosa schreiben konnte, er dachte zuerst, er sei Lyriker, beruflich hielt er sich lange Zeit für einen Schauspieler. Als die Geschichtentexte dann endlich kamen, da war das Aufschreiben schon kaum noch zu schaffen.“