„Fußballerinnen in der Nachschminkzeit“

Schöner Artikel im Tagesspiegel über die dusselige Strategie „20Elf von seiner schönsten Seite“. Via Mädchenmannschaft, die noch viele weitere Links zur beginnenden Frauenfußball-WM gesammelt hat.

„Sex sells – die normative Kraft dieser alten Werberegel ist immens. Und für Fußballerinnen gibt es wenig Spielraum, sich dieser Vorgabe zu entziehen, zumal sie die Werbeeinnahmen dringend brauchen. Die meisten Bundesliga-Spielerinnen sind Halbprofis, sie arbeiten nebenher oder machen Ausbildungen. Andere sind Sportsoldatinnen. Selbst bei größeren Vereinen liegen die Monatsgehälter der Spielerinnen zwischen 500 und 2000 Euro. Da lässt man sich schon mal etwas tussig fotografieren. Manche Spielerinnen sehen darin offenbar auch eine Chance. Schließlich gilt Fußball in Europa – anders als in den USA – immer noch als der Männersport schlechthin. Er steht für Kraft, Kampf und Härte, Attribute, die traditionell der männlichen Rolle zugeschrieben werden. Daran ändern auch metrosexuelle Aufhübschungen nichts, die letztlich nur eine geschickte Marketinganpassung an die Popkultur sind. Für Männer besteht kein Rollenkonflikt im Fußball, für Frauen – vor allem für heterosexuelle – ist er omnipräsent. Also versuchen sie, die Weiblichkeit, die ihnen auf dem Spielfeld abgesprochen wird, abseits davon wiederherzustellen – durch betont genderkonformes Auftreten.

Diese Kompensationsbewegung ist angesichts der jahrzehntelangen Verunglimpfung des Frauenfußballs als unästhetischer Mannweiber-Sport nur allzu verständlich. Sie birgt aber ein unauflösbares Dilemma: Indem sie den Blick verstärkt auf ihre äußere Erscheinung lenken, sabotieren die Fußballerinnen ihren eigenen Wunsch, in erster Linie als Sportlerinnen ernst genommen zu werden. Symptomatisch ist eine Aussage der Bayern-Spielerin Annika Doppler im „Playboy“: „Fußballerinnen sind sehr durchtrainiert, sehen aber immer noch weiblich aus – und oft auch sehr gut. Ich lade alle Männer ein, sich bei einem Spiel live davon zu überzeugen.“ Dieses Zitat ist auch insofern beschämend, weil es männlichen Zuschauern ein rein sexistisches Interesse am Frauenfußball unterstellt. Dass sie ins Stadion gehen, um sich ein gutes Frauenfußballspiel anzuschauen, wird gar nicht für möglich gehalten. Ein sportlich interessiertes Publikum gewinnt man so sicher nicht.“