Zitronen-Thymian-Huhn mit dem tollsten Weißwein aller Zeiten

Wenn mich ein Fleischrezept anspringt, muss es schon verdammt gut sein, denn ansonsten lasse ich mich ja neuerdings eher von vegetarischen Rezepten anspringen. Das hier habe ich über Björn Freitag gefunden, dem ich auf Twitter folge, und es sprang mich völlig zu Recht an. Ganz simpel zuzubereiten, wenige Zutaten, kein Schnickschnack. Perfekt für einen entspannten Sommerabend.

Ein Bio-Huhn füllen mit
2 Bio-Zitronen, geviertelt,
1 Bund Thymian,
1/2 Knolle jungem Knoblauch,
Meersalz und
schwarzem Pfeffer.

Im Originalrezept stand was von einer halben Zehe, aber ich behaupte, Knolle passt besser. Das Huhn auf einem Gitter in den Ofen schieben und in der Schiene darunter ein tiefes Blech einschieben, das mit

500 ml Wasser

gefüllt ist. Im auf 180° vorgeheizten Ofen für circa 90 Minuten braten; bei uns waren es 15 Minuten mehr. Das Huhn tranchieren und währenddessen ein Sößchen zaubern. Dazu den aufgefangenen Bratensaft mit

200 ml Weißwein und
200 ml Geflügelfond (bei uns Gemüsebrühe) auf ein Drittel einkochen lassen und mit
1 EL Butter aufmontieren.

Das Originalrezept wollte dazu Polenta mit Pinienkernen, gerösteten Zwiebeln und Pecorino – habe ich gemacht, fand ich aber zu geschmacksintensiv zum Huhn. Ich war absolut glücklich nur mit ein bisschen Fleisch, das herrlich duftete und ganz sanft nach Zitrone und Thymian schmeckte, und einem Klecks Sauce, bei der die Zitrone so richtig durchknallte.

Dazu gab’s meinen liebsten Weißwein, den ich in London im St. John Bread and Wine das erste Mal getrunken habe. Ich zitiere mich mal eben selbst: „Ein Muscat sec von Domaine Boudau 2010. Die Nase sagt: Bergamotte-Tee, der unter gelben Bäumen serviert wird. Und der Gaumen sagt gar nichts mehr, sondern wirft sich ergeben dem Stoff zu Füßen: viel, viel Frucht, ohne süß zu sein, viel, viel Kraft, ohne den Kopf zu plätten, ein ganz großer Mund, eine ganz leichte Säure, und über allem eben diese Bergamotte-Note, die vom Gebirge runterweht und ein bisschen Schnee mitbringt. Sowas habe ich noch nie getrunken, aber davon brauche ich jetzt dringend eine Kiste.“

Diese Kiste ist inzwischen bei mir angekommen. Der Winzer liefert leider nur nach Frankreich und Monaco, aber Google verrät einem mehrere Shops in Deutschland. Ich persönlich bestellte bei Karl Kerler in Nürnberg* und bin mit Liefergeschwindigkeit und Service sehr zufrieden – bei meiner Adresse hatte sich ein kleiner Fehler eingeschlichen, weswegen die kostbare Kiste wieder zum Versender zurückging. Nach einem freundlichen Mailwechsel bekam ich den Schatz ohne erneue Kosten nochmals zugeschickt. Danke dafür.

Inzwischen kann ich den Geschmack auch noch etwas genauer definieren: Der Schnee vom Gebirge erinnert mich an Eisbonbons. Ganz kühle, klare Eisbonbons, die nach Earl Grey schmecken, ohne die Klebrigkeit von Bollos zu haben oder die lauwarme Langeweile von Teebeuteln. Stattdessen duftet einem eine eisige Glasplatte entgegen, auf der das Aroma aufgetragen scheint, und genauso schmeckt der Wein dann auch. Klar definierte, deutliche Geschmacksnoten, nicht das üblich diffuse „irgendwas mit tropischen Früchten“ oder „mineralisch“. Der Wein bleibt nicht übermäßig lange am Gaumen, macht den Mund aber ganz groß und steigt bis in die Nase. Und: Er verändert sich nicht großartig, ganz egal, ob man dazu Zitronenhuhn isst oder – gerade beim Tippen ausprobiert – Honigbrötchen.

Ich kriege mich seit gestern abend nicht mehr ein über diesen Wein, denn er ist der einzige, den ich – behaupte ich mal – aus allen anderen Weißweinen, die ich in den letzten zwei Jahren getrunken habe, herausschmecken würde, so einzigartig finde ich seinen Geschmack.

(Wir brauchen kein Duftfernsehen. Wir brauchen Geschmacksblogs!)

* Wie mir ein freundlicher Leser gerade (Dienstag mittag) mitteilt, ist bei Herrn Kerler der Muscat übers Wochenende ausverkauft worden. Was mich in die knifflige Lage bringt, entweder weiter über meine Lieblinge zu schreiben und sie dann selber nicht mehr zu kriegen, weil meiner Leserschaft sie ordert, oder alle Kostbarkeiten für mich zu behalten, was total asig wäre.

O-Ton Niggemeier: „e-kel-haft, wie dir deine leser einfach blindlings folgen, e-kel-haft. einen wein- und fressmob kommandierst du da!“

Ich signiere meine Mails jetzt nur noch mit „Geliebte Führerin“