Schön, dass ihr euch so einen Kopf um mein Wohlergehen macht und deshalb per Mail nachfragt, wie’s mir geht und warum die Kommentare abgeschaltet sind. Weil ich zu faul zum vielen Mailen bin, kommt die Antwort per Weblog.

Zu 1: Mir geht’s hervorragend.

Zu 2: Die Kommentare sind abgeschaltet, damit’s mir hervorragend geht.

Ich überlege seit ungefähr einem halben Jahr, die Kommentare zu deaktivieren. Die „Darf man doofe Kommentare löschen und kommt man dafür nicht in die Hölle“-Diskussion war der Anfang. Auf weiß-der-Geier-wievielen Weblogs zu erläutern, dass das hier immer noch meine Seite ist und dass damit automatisch meine ganz persönliche Schmerzgrenze der Maßstab aller Dinge ist, war genauso nervig wie nutzlos. Ich bin im Folgenden ziemlich paranoid geworden, was die Kommentare angeht. Ich habe mein Vertrauen in mich selbst erschüttert gesehen, abzuschätzen, was richtig und was falsch ist; wann ist es purer Selbstschutz, Spackenkommentare zu löschen und wann ist es doofe Eitelkeit. Und noch einen weiteren Effekt hat diese Diskussion gehabt: Ich habe mehr und mehr den Spaß am Schreiben verloren. Bei jedem Eintrag habe ich mir im Vorfeld überlegt, wer jetzt was in den falschen Hals kriegen könnte. Und bei jedem Eintrag bin ich davon überrascht gewesen, wie wenig ich die Reaktionen des Publikums vorhersehen kann. Viele Kommentare, die ich nicht vorausgeahnt habe und die mich falsch erwischten, haben genervt oder sogar verletzt. Anfang Dezember war ich fast soweit, das Bloggen ganz zu lassen, weil ich einfach keine Lust mehr auf diesen bescheuerten vorauseilenden Gehorsam hatte. Den habe ich schon tagsüber in der Agentur, wo ich bei jedem Satz den CD, den Berater, den Kunden und die Rechtsabteilung des Kunden im Hinterkopf habe. In meinem Weblog will ich weiterhin aus dem Bauch heraus schreiben dürfen, ohne dafür verbal in die Fresse zu kriegen.

Die „guten“, alten Argumente „Wer öffentlich schreibt, muss auch öffentlich mit Gegenwehr rechnen“ fruchten bei mir nicht mehr. Wer öffentlich schreibt, fordert sicherlich zu Kritik heraus. Aber auch die kann in einem halbwegs vernünftigen Umgangston verfasst werden. Je länger ich dieses Weblog führe, desto mehr habe ich das Gefühl, dass Brüllen inzwischen mehr Spaß macht als Diskutieren und dass es immer mehr in Mode kommt, den Kopf vor dem Kommentieren auszumachen. Und darauf habe ich einfach keine Lust mehr.

Ich habe so lange mit mir gerungen, die Kommentare abzuschalten, weil sie neben der täglichen Nerverei gleichzeitig eine tägliche Freude waren. Zu lesen, dass es Leuten gefällt, was ich schreibe, ist nur ein Aspekt (wenn auch ein ziemlich schöner). Noch spannender sind (oder waren) allerdings die Kommentare, die ergänzt haben, was im Artikel angesprochen wurde (wie hier bei Wallace & Gromit). Oder die Kommentare von Autoren, die mir bisher unbekannt waren. Ich habe viele schöne Weblogs direkt aus dem Kommentarfeld auf meine Blogroll gesetzt, und ich muss gestehen, dass mir das sehr, sehr fehlt. Genau wie mir das Gefühl fehlt, Publikum zu haben. Es fühlt sich trotz der Mails eben an, als ob man in den leeren Raum hineinschreibt. Das Gefühl ist seltsam – aber gleichzeitig sehr befreiend.

Die neue Tagline „Blog like nobody’s watching“ ist durchaus ernst gemeint (der zweite Teil der Line nicht, aber mir ist schon bei mehreren Gesprächen aufgefallen, dass keiner den Witz versteht. Mist). Es ist genau das eingetreten, was ich mir erhofft hatte: Die Lust zu schreiben ist wieder da, weil ich nicht mehr über Konsequenzen nachdenken muss. Daher geht es mir seit dem Abschalten der Kommentarfunktion wieder besser, mein Weblog gefällt mir besser, und überhaupt ist die Welt viel sonniger als noch Anfang Dezember. Ich hoffe mal naiv, dass das so bleibt. Vielleicht denke ich in drei Wochen anders, vielleicht auch nicht. Aber was immer ich denke, steht einen Tag später hier. Ihr kriegt das schon mit.