Tagebuchbloggen 04.04.2011

Am Sonntag habe ich die erste Manuskriptphase meines TOLLEN BUCHS abgeschlossen. Angefangen hat alles im Dezember mit einer wilden Stoffsammlung in meinem Moleskine. Die einzelnen Themen habe ich dann auf Din-A4-Papier geschrieben, das ich in Streifen geschnitten habe, damit ich die Inhalte hin- und herschieben konnte. (Nein, ich mache sowas nicht am Rechner, sondern lieber auf Papier. Wenn ich mir über einen 120-seitigen Autokatalog Gedanken mache, kritzele ich auch lieber mit einem Stift rum anstatt ein Flowchart anzulegen.) Nachdem ich die Themen in eine Reihenfolge gebracht habe, habe ich diese zwei Tage später über den Haufen geworfen und eine neue gemacht, diese ebenfalls nach zwei Tagen über den Haufen geworfen und mir wieder die alte vorgenommen.

Dann habe ich viele schlaue Bücher gelesen, in denen viele schlaue Dinge gesagt wurden, und mir gleichzeitig selber viele schlaue Gedanken gemacht. Dieses viele schlaue Zeug habe ich auf dutzende von blauen Karteikarten geschrieben, die ich unter meine Themenpapierschnipsel geordnet habe. Und als ich das Gefühl hatte, jetzt habe ich genug, um anzufangen, habe ich genau das gemacht.

Während des Schreibens entstand ein Kapitel, das gar nicht eingeplant war, während ich ein anderes wieder verworfen habe. Außerdem habe ich einige Sätze geschrieben, bei denen ich im Hinterkopf habe, dass die Formulierung noch nicht ganz so ist, wie sie sein könnte (rot markiert), Textblöcke, bei denen ich mir noch nicht sicher bin, ob ich sie überhaupt drinlassen möchte (rot markiert), und manchmal steht im Manuskript noch eine Behauptung, von der ich (noch) nicht weiß, ob ich sie belegen kann (rot markiert). Aber ich habe jetzt eine Rohfassung, an der ich rumklöppeln kann.

Es sind nicht alle Karteikarten verbraucht worden, weil ich mir bei manchen Gedanken oder Ideen selbst noch nicht klar war, wo sie hingehören. Auch das passiert jetzt im zweiten Schritt: möglichst alles irgendwie unterbringen, was mir am Herzen liegt. Wobei ich jetzt schon den dööfsten Doofsatz für alle Texter_innen im Hinterkopf habe, der leider wahr ist: Kill your darlings. Ich weiß jetzt schon, dass ich einigen meiner Lieblinge wahrscheinlich den Gnadenschuss werde geben müssen, weil sie einfach nirgends hinpassen. Vielleicht mache ich im Blog zum Buch eine Rubrik „Darlings“, und da stehen dann 100 Fakten, die keine Heimat haben. (Memo to me: Endlich mal das Blog zum Buch in Angriff nehmen.)

Meine Vorgabe waren 224 Seiten. Ich habe keine perfekten Normseiten konfiguriert, sondern mehr so pi mal Daumen mit Seitenrand und Zeilenabstand rumgedaddelt und bin bis jetzt bei 212 Seiten. Das müsste also passen, vor allem, wenn ich noch ein paar Karteikarten einarbeite.

Eigentlich müsste ich jetzt total motiviert und tatendurstig sein. Bin ich auf eine seltsame Weise auch, weil der erste und dickste Brocken weg ist und es nun ans „Schönmachen“ geht. Da liegen eine Menge Dateien auf insgesamt drei Festplatten (man weiß ja nie), und darauf bin ich schon mal sehr stolz. Trotzdem bin ich auf eine ganz unerwartete Weise traurig, weil da eben eine Menge Dateien liegen und der dickste Brocken weg ist. Ich bin monatelang mit dem Gedanken aufgewacht: Cool, ich schreibe ein Buch. Und gestern bin ich mit dem Gedanken aufgewacht: Naja, jetzt fitzeln wir da halt noch ein bisschen dran rum.

Gleichzeitig war ich in der Agentur, wo zwei neue Autokataloge geschrieben werden wollen, völlig hirntot. Ich habe von 9 bis 10 Uhr morgens nur blöd auf den Bildschirm gestarrt. Für eine halbgare Headline hat der Kopf noch gereicht, aber die ersten drei, vier Copyzeilen haben sich schon beim Schreiben so falsch angefühlt, dass ich das ganze Dokument in den Papierkorb gezogen habe. Neue Playlist angewählt, Kopfhörer auf und nochmal von vorne. Ich ahne, dass ich die gesamte Vormittagsarbeit von gestern ebenfalls in den Papierkorb ziehe, weil ich mich völlig uninspiriert gefühlt habe. Zum ersten Mal ahne ich, was das Wort „leergeschrieben“ bedeutet.

Ich glaube, ich lasse das Büchlein mal ein paar Tage rumliegen, bevor ich es wieder anfasse; Abgabetermin ist Ende des Monats, und es erscheint im September. Mit den Autokatalogen klappt das leider nicht; die haben eine engere Deadline. Womit ich eh hadere – ich kann mich nicht auf eine konzentrieren, sondern muss auf zwei sehr unterschiedlichen Baustellen schreiben –, ist im Moment noch nerviger als sonst, weil ich gerade wirklich gerne zwei, drei Tage lang gar nichts schreiben wollen würde. (Bis auf Blogeinträge, die sind Urlaub für den Kopf.)