Tagebuch Sonntag, 29. November 2015 – Ich bin die Frau mit der Kuvertüre unter den Fingernägeln

Ausgeschlafen und einen riesigen Milchkaffee gefrühstückt. Danach in den Keller gegangen und mein winziges Abteil so aufgeräumt, dass man jetzt halbwegs an alles rankommt. Es stehen immer noch die ollen 60 Umzugskartons im Weg, die die Hamburger Firma anscheinend nicht wiederhaben möchte. „Die holen wir, wenn wir wieder in Ihrer Nähe sind.“ Ich geb euch noch drei Monate, dann werden sie verschenkt, Jungs.

Aus dem Keller meine Weihnachtsdeko hochgeholt. Mal langsam die Wohnung in ein Winterwunderland verwandeln. Vorher:

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Nachher:

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Eine Folge Everwood geguckt – und dann plötzlich sehr große Lust auf Backen oder ähnlichen Küchenkram gehabt. Ich wechselte zwischen verschiedenen Köstlichkeiten hin und her: Zunächst rührte ich den Teig für Madeleines an, denn der muss mindestens drei Stunden im Kühlschrank bleiben.

Danach bereitete ich die Füllung für Kaffeetrüffel zu und ließ sie leicht andicken. Währenddessen bastelte ich die Ganache für Earl-Grey-Trüffel und stellte sie in den Kühlschrank, damit sie fester wurde und gerollt werden konnte. Jetzt war die Kaffeefüllung genug abgekühlt, um sie in die Hohlkörper zu füllen (nein, die gieße ich nicht selbst, irgendwo ist auch mal Schluss). Nach dem Befüllen war die Ganache schon fast bretthart, so dass ich sie abstechen, kurz in Puderzucker wälzen und zwischen den Händen zu Kugeln rollen konnte. Normalerweise wäre hier Schluss gewesen, aber ich wollte die Trüffel etwas haltbarer machen, und vor allem mag ich den Puderzuckerüberzug nicht so gerne. Also schmolz ich weiße Kuvertüre, wartete brav, bis sie zwischen 31 und 32 Grad kühl war (ich besitze neuerdings ein Futterthermometer), tauchte die Trüffel dann in die Schokolade und igelte sie. Das geht übrigens auch prima mit zerknitterter Alufolie, falls man gerade kein Pralinengitter zur Hand hat.

Inzwischen war die Füllung der Kaffeetrüffel halbwegs fest, so dass ich die Kugeln mit Kuvertüre versiegeln konnte. (Ich liebe Spritzbeutel!)

Dann buk ich in vier Schichten Madeleines – ich bekam dieses Mal 42 Stück raus und merkte, dass mein Münchner Ofen schneller ist als der Hamburger; die konnten schon nach acht statt zehn Minuten raus – und tauchte zwischendurch die Kaffeetrüffel in Vollmilchschokolade. Als Deko habe ich etwas Goldpuder aufgetragen, aber den sieht man quasi gar nicht.

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Außerdem noch gelesen, Tee getrunken und es mir gutgehen lassen.

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Tagebuch Samstag, 28. November 2015 – Das Leben, ein Fest

(Wenn man sich meine Hochs und Tiefs so gesammelt durchliest, möchte man sofort wilde laienpsychologische Diagnosen stellen, ich weiß. Ich versuche, diese seltsame, angespannte Zeit als eine Anomalie durchgehen zu lassen und hoffe, dass ich möglichst bald meinen ruhigen Fluss wiederfinde. Könnte zu dieser Jahreszeit etwas schwieriger werden, weil ich Weihnachten und Silvester mit dem Kerl immer sehr gerne gefeiert habe. Mal gucken, wie es dieses Jahr wird. Aber nun zu meinem unglaublich aufregenden Samstag:)

Ich musste erstmals auf Time Machine zurückgreifen.

Früher war ich eher eine Back-up-Slackerin, die so alle vier Wochen mal eine externe Festplatte anschloss. Es begab sich aber in dieser Zeit, dass mein Rechner einen Totalabsturz hatte und ich drei Tage vor dem Abgabetermin für eine neue Kundin nichts mehr (nichts!) von meiner Arbeit der letzten zwei Wochen hatte. Ich konnte das einzige Mal in meinem Berufsleben eine Deadline nicht einhalten, musste die doppelte Arbeit machen und habe dafür weniger Geld bekommen, weil ich natürlich die Rechnung niedriger ansetzen musste. Obwohl die Dame mit meinen Texten zufrieden war, kam nie wieder ein Folgeauftrag, was mich nicht verwunderte.

Deswegen bin ich seitdem eine gnadenlose Backupperin, die externe Festplatte liegt immer griffbereit auf dem Schreibtisch, so dass ich jeden Abend alles schön kopiere. Seitdem ist natürlich nie wieder was passiert.

Bis gestern. Da entschied sich mein Word-Dok, mein Referat und damit die endlich mal produktive Arbeit der letzten zwei Tage zu vernichten, indem es einen irrwitzigen Schreibschutz erstellte (keine Ahnung, wie und warum) und ich nichts sichern konnte bzw. ich sicherte brav – aber das Dok schloss sich und verschwand aus meinem Ordner. Ich konnte es nicht über „Zuletzt verwendete“ öffnen – es war einfach verschwunden.

Und so kam zum ersten Mal Time Machine zum Einsatz, wo mein wunderschönes Dokument unbeschadet und vollständig auf mich wartete, nachdem ich mich getraut hatte, das Programm erstmals zu öffnen. What a time to be alive!

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Und als ob Frau Kaltmamsell geahnt hätte, dass ich gerade für etwas dankbar war, gab’s abends ein nachgeholtes Thanksgiving mit einer sehr spannenden Tischrunde, ausgezeichnetem Essen und dem vergeblichen Versuch aller Beteiligten, einen traditionellen Thanksgiving-Krach anzuzetteln. Darauf ein Hütchen!

Tagebuch Freitag, 27. November 2015 – Don’t cry, work

Ein doppeltes Dankeschön an Jakob, der mich gleich mit zwei Büchern beglückte. Auch wenn ich dafür eine halbe Stunde in der Postschlange stehen musste, denn die Packstation war voll. Aber ich hatte ein Smartphone und natürlich ein Buch dabei, insofern war das okay. Auch komisch, ein Buch dabeizuhaben, wenn man welche abholt. Also ich wusste natürlich nicht, ob im Päckchen Bücher sind, aber wenn irgendwas überraschend in meiner Packstation (oder sonstwo) landet, sind es eben meist Bücher.

Anyway.

(Meine Wortlosigkeit der letzten Tage wird anscheinend gerade mit Stream-of-consciousness-Tippen gekontert.)

Anyway.

Das erste Buch ist Nüchtern von Daniel Schreiber, der von seiner Alkoholerkrankung berichtet. Ich habe ein bisschen Angst davor, dass ich nach dem Buch keinen Wein mehr trinken will, aber das keine-Tiere-mehr-Essen nach der Lektüre von Foer hat sich auch wieder gelegt.

Das zweite Buch ist Jonathan Franzens Purity. Ja, ich weiß, eigentlich sollte man von dem ollen konservativen Knochen nix mehr lesen, aber was soll ich sagen? Ich mag seine Bücher. Bei seinen Interviews komme ich zwar aus dem Augenrollen nicht mehr raus, aber gerade Freedom fand ich großartig, The Corrections eh, und ich meine, hey, ich hab sogar sein blödes Vögelbeobachtenbuch gelesen. Daher landete natürlich auch Purity auf dem Wunschzettel und dann in der Packstation (oder sonstwo).

Ich kam auch gerade vom Lesen zur Post, insofern war das ein thematisch gelungener Tag gestern.

Ich habe in diesem Semester eindeutig zu wenig Unistunden, um mich aus meinem traurigen Loch zu ziehen. Wenn ich an vielen Fronten und mit mir selber kämpfe, hilft es, wenn mich irgendwas ablenkt. Leider kann ich mich selbst nicht immer ablenken, wie ich in den letzten Tagen gemerkt habe, als ich sinnlos vor den Büchern und dem Rechner saß und keine zwei guten Zeilen getippt habe. Das kenne ich noch aus der Werbung; wenn nichts geht, kann ich auch nicht gut schreiben.

Aber ich kann prima zuhören. Und so rettete mich gestern mal wieder ein Seminar, für das ich nur auflaufen musste. Und als ich da war, kam von ganz alleine die Faszination für mein Fach und meine Aufgabe, das Referat war spannend, die Anstöße des Dozenten ja eh, und deswegen war der Tag deutlich besser als die letzten beiden, was mich sehr gefreut hat. Vielleicht sollte ich in meiner derzeitigen Hader-Phase nicht zuhause hadern, sondern mich einfach in die Uni setzen, in irgendeine Vorlesung, gibt ja immer welche. Ein Plan, meine Damen und Herren!

Nach dem Iconic-Architecture-Seminar, in dem wir über Hochhäuser (mindestens fünf Stockwerke) und Wolkenkratzer (ab ungefähr 150 Meter Höhe) sprachen, radelte ich zum Zentralinstitut für Kunstgeschichte und las weiter über das Nationalstation in Peking. Das Blöde an dem Thema ist allerdings, dass ich nicht lesen, sondern dauernd Bilder angucken will, weil das Ding so wunderwunderschön* ist. Ich will zwar in Kunstgeschichte immer Bilder angucken, aber so dringend hatte ich das, glaube ich, seit dem ersten Semester nicht mehr, wo ich mich in den ganzen Memlings und van der Weydens verlor und noch gar nicht fassen konnte, dass ich das jetzt noch länger machen werde.

Anyway.

Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.

Weil der Tag (für mich etwas überraschend) eh schon gut war, gab’s auch noch gutes Essen, für das ich mir beim Kochen anständig Zeit nahm und danach auch nicht in Schlumpfhose auf dem Sofa rumlungerte, sondern in vorzeigbaren Klamotten am Tisch saß.

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Den Boden vom Rosenkohl entfernen, die kleinen Racker von oben nach unten halbieren, scharf anbraten und am besten noch zwei, drei Knoblauchzehen, angeknackt, mit ins Öl werfen. In Ruhe dunkel werden lassen, einmal wenden, auch die andere Seite schön bräunen, fertig. Hat rein gar nichts mit dem matschigen Gemüse zu tun, als das ich als Kind Rosenkohl kennengelernt habe.

Dazu gab’s Kartoffelbrei mit Sahne statt mit Milch wie alltags und ein Hühnchen, das ich nicht fix kleinschnitt und hardcore blitzbriet, weil’s so schön schnell geht, sondern dass ich brav laaaangsaaaam vor sich hinschmurgeln ließ, immer schön mit Butter und Bratensaft begießen, schließlich noch ne Runde im Ofen nachgaren, wie sich’s gehört, denn wir haben ja Zeit.

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Danach noch einen Espresso – und sicherheitshalber einen Haselnussgeist, bevor ich mit Nüchtern anfange.

(Ich glaube, mein Tisch steht schief.)

* Die Außenbeleuchtung! Jedesmal, wenn ich in der Allianz-Arena bin, ärgere ich mich über die unförmigen Lichtballons von der U-Bahn auf dem Weg zur Arena, die so gar nichts mit dem Stadion zu tun haben und längst nicht so schick aussehen wie hier. Es geht anscheinend auch anders.

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(Bildquelle)

Tagebuch Donnerstag, 26. November 2015 – Leer

Traurig gewesen, viel über Mittwoch nachgedacht, noch trauriger geworden. Wenig und unkonzentriert für die Uni gearbeitet, viel geschlafen oder an die Decke geguckt, immerhin Zeug mit Käse überbacken (meine gute Tat des Tages). Nach dem Krönchen gesucht, das man richten könnte, um weiterzugehen.

Tagebuch Mittwoch, 25. November 2015 – Fiftyfifty

Morgens lobendes Feedback der Dozentin aufs Anselm-Kiefer-Handout bekommen. Im Seminar ein gutes und ein fürchterliches Referat gehört. Nach der Stunde beim Jackeanziehen gemerkt, dass ich einen der Handschuhe verloren habe, die ich immer in den Jackentaschen mit mir rumschleppe. Angefangen zu heulen. Ich habe anscheinend gerade das Stadium der kraftlosen Dünnhäutigkeit erreicht, bei der es genügt, einen 4,99-Euro-Polyester-Handschuh aus irgendeiner deutschen Fußgängerzone zu verlieren, um loszuflennen.

Nach Hause geflüchtet, keine Konzentration möglich, doofe, hilflose Mail geschrieben, einen lieben Menschen verletzt. Das kann ich: Wenn’s mir scheiße geht, nehme ich immer gerne noch wen mit in den Sumpf.

Abends getröstet worden, versöhnt, guten Rotwein genossen, gemerkt, dass ich rauchige Whiskys doch mag, weil ich ja einen Hauch Wasser in sie kippen kann.

Fiftyfifty-Tag, würde ich sagen.

Tagebuch Dienstag, 24. November 2015 – Strukturen

Weiter übers Vogelnest gelesen, vor allem diese Broschüre einer Partnerfirma von Herzog & de Meuron, die am Stadion mitgebaut hat. Darin finden sich sehr schöne Bilder von der Konstruktion, die unter dem ganzen Geflecht liegt, was ich für meine Präsentation sehr gut gebrauchen kann.

Außerdem habe ich den Film über Herzog & de Meuron in China transkribiert bzw. mir die Rosinen rausgepickt, die ich fürs Referat brauche. Der Trailer ist übrigens totaler Schrott: „The Great Wall could not stop them …“ Kolonialismus-Rhetorik much? Der Film selbst ist mir manchmal auch ein bisschen zu behäbig bzw. schnauft auf Nebenschauplätzen rum, die ich nicht gebraucht hätte. Aber dafür gibt es herrliche Bilder von der Baustelle, von denen ich noch rauskriegen muss, wie ich von ihnen Screenshots mache.

Was ich am Film spannend fand: die Architekten sprechen sehr selten von einem Gebäude oder von einem Stadion, einer Arena oder ähnlichem. Sie sagen dauernd „Struktur“. „Wir wollten von Anfang an eine chaotische Struktur schaffen.“ „Wir wünschen uns, dass hier eine begehbare Struktur entsteht, wie der Eiffelturm.“

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(Arup Journal 1 (2009), S. 14.)

Außerdem mochte ich die Inspirationen, die dem Bau vorangingen – und die der Konkurrenz, die deren Designs gleich aus dem Wettbewerb rauskegelten. Herzog & de Meuron arbeiteten mit Ai Weiwei zusammen, um jemandem im Team zu haben, der sich in chinesischer Kultur und Ikonografie auskennt, nachdem zwei Projekte in Moskau und Abu Dhabi wegen kultureller Differenzen gescheitert waren. An ein Vogelnest dachten die Architekten laut Eigenaussage nicht, sie wollten ein „Gefäß“ schaffen, das Menschen in sich versammelt. Als die Stadion-Entwürfe einer ausgewählten Öffentlichkeit präsentiert wurden, schuf die Presse den Begriff des Vogelnestes, das positiv konnotiert ist. Ein Mitarbeiter der staatlichen Baubehörde erwähnt das Sprichtwort „ein Nest bauen, um Phönixe anzulocken“, womit hier die besten Sportler und Sportlerinnen der Welt gemeint sein könnten. Ein Mitbewerber entwarf ein Stadion mit einem grünen, gewölbten Dach, das die Presse sofort an eine Schildkröte erinnerte – angeblich eine Anspielung auf eine Ehefrau, die ihrem Mann Hörner aufsetzt. Und damit war der Entwurf raus.

Tagebuch Montag, 23. November 2015 – Sphärische Gurtbögen

Die hat uns der Dozent in der Barock-Klassizismus-Vorlesung versucht zu erklären; er hat sogar zwei Papierbögen mit eingezeichneten Linien dabeigehabt, die er zu einem Tonnengewölbe formte, um uns klarzumachen, wie die Racker funktionieren im Vergleich zu normalen Gurtbögen. Hat nur so halb funktioniert, der ganze Hörsaal guckte recht sparsam, aber als wir dann nach dem Grund- und Aufriss endlich ein Foto sahen, wurde es klarer.

Die Bögen gehen nicht von gerade ausgerichteten Säulen nach oben, sondern von schräggestellten. Deswegen beschreiben sie kein schönes Rechteck, sondern ein Oval, das immer anders aussieht, je nachdem wo man in der Kirche steht. Der Dozent nannte das den Höhepunkt der dynamisierten Innenräume, nicht mal die irre Moderne käme an diese Schwingungen heran. „Kurvierte Architektur ist nicht einfach, aber wir sind im Spätbarock, da ist ja nix einfach.“

Referat- und Handoutmanuskript fürs Kiefer-Referat finalisiert, nachdem vom Mitstreiter kein Input mehr kam (I am Jack’s total lack of surprise). Ich trenne mich nur sehr ungern von Kiefer, ich finde immer noch mehr schicke Aufsätze, fiese Verrisse und tolle Bücher und habe das Gefühl, sein Frühwerk jetzt wirklich gut durchdrungen zu haben. So fühlt sich hoffentlich mein Forschungssemester an, das in einem Jahr auf mich wartet.

Mein MA-Studium besteht aus vier Semestern. Die ersten beiden sind quasi zum Reinkommen: im ersten habe ich zwei Seminare und zwei Vorlesungen, was sich erstmal nach nichts anhört, für die ich aber neben zwei Klausuren (piece of cake) zwei Hausarbeiten im Umfang von 50.000 Zeichen schreiben muss. (Zum Vergleich: Meine BA-Arbeit hatte 65.000 Zeichen.) Im zweiten Semester ist es dann nur noch ein Seminar und eine Vorlesung, aber dafür taucht mein geliebtes Nebenfach endlich wieder auf: Geschichte. Da besuche ich ein Seminar (Klausur, Referat, Hausarbeit 30.000 Zeichen) und zwei Übungen (Klausur, Referat, Hausarbeiten 15.000 Zeichen, vulgo: zwei lange Blogeinträge).

Im dritten Semester bleibt in Geschichte alles beim alten, aber in Kunstgeschichte muss ich nur noch ein Seminar belegen, in dem ich meine sogenannte Forschungsarbeit schreibe, die 70.000 Zeichen haben wird und für die Kiefer und die Werke Richard Wagners echt ein schönes Thema gewesen wären. Aber gut, rocke ich halt in diesem Semester eine tolle Hausarbeit runter.

Im vierten Semester ist Geschichte dann schon wieder Vergangenheit und die Masterarbeit mit 100.000 Zeichen will geschrieben werden. Die darf gerne auf dem Forschungsmodul aufbauen – wir sollen ja unsere ganzen wilden Grundkenntnisse aus dem BA-Studium in eine Richtung und auf ein Spezialgebiet hintrimmen, was für mich momentan noch ein Wunschtraum ist. Ich habe zwar schon drei grobe Richtungen, bei denen ich ahne, dass sie mich länger begleiten, aber welche davon jetzt mein Gebiet wird: keine Ahnung.

Wobei Lektorgirl meinte: „Nimm [Thema 3], dann kannste endlich mal wieder ein Buch schreiben, das wir veröffentlichen würden.“

The Leftovers ließen mich sprachlos zurück. Wie immer eigentlich.

Viel Tee getrunken. Sehr oft auf dem Klo gewesen. Lebkuchenvorräte gehen zur Neige. Mir ist kalt.

Tagebuch Sonntag, 22. November 2015 – St. Markus

Im Moment hadere ich mal wieder mit sehr vielem. Mit der Trennung, mit dem doofen Gefühl, das ich habe, wenn ich bei F. im Arm liege und heulen muss, weil ich an den Kerl denke und dass er echt der Letzte ist, mit dem ich das ausdiskutieren möchte. Mit der neuen Wohnsituation, die sich mal richtig gut und dann wieder richtig scheiße anfühlt. Mit der Uni, die mich immer, immer glücklich macht, die es mir aber auch immer, immer schwerer macht, an einen anderen Job als die Wissenschaft zu denken, was vielleicht nicht unbedingt ein sinnvoller Plan ist. Mit den Freundinnen, die viel zu weit weg sind und mit denen ich gerne dauernd gemeinsam Wein trinken wollen würde anstatt einzeln mit ihnen zu telefonieren. Mit dem Gefühl des Entwurzeltseins und dass ich mir das ganz alleine zuzuschreiben habe. Mit dem Zeug-Vermissen – den Gesangsunterricht in Hamburg, das Viel-Geld-Verdienen, überhaupt Geld verdienen, sorglos Zeug einkaufen und wissen, ich kann’s mir leisten und ich hab Platz, es unterzubringen. Mit dem schlechten Gewissen, dass das alles totale First-World-Problems sind, aber es sind nun mal welche und es sind meine.

Wenn ich hadere, kapsele ich mich meist ab und verstumme und mache das mit mir aus. Oder ich trinke zu viel. Oder ich gehe in eine Kirche. Letzteres hab ich gestern gemacht. (Es gab Wein zum Abendmahl, insofern ist die zweite Klarkomm-Methode sogar auch in Ansätzen erfüllt.)

Vor Kurzem habe ich mich aus Hamburg ab- und in München mit Erstwohnsitz angemeldet. Ich habe auch brav „evangelisch“ im Meldebogen angekreuzt und so war ich nur mild überrascht, als vor einigen Tagen die Zeitung meiner neuen Kirchengemeinde im Briefkasten lag. Bisher bin ich in München zu St. Matthäus am Sendlinger Tor gegangen, weil die Kirche sowohl von außen als auch von innen schön was zum Gucken hergibt. Aber gestern dachte ich, ach, schauste doch mal bei St. Markus vorbei, wenn sie dich schon so freundlich einladen.

Ich suchte auf Google Maps nach dem Weg, dachte mir, hm, wo steht denn da ne Kirche, dachte mir dann aber, die werde ich schon sehen, wenn ich davorstehe, ist ja ne Kirche, die erkennt man ja, und so war’s dann auch. Genauer gesagt war mein Gedanke: Ach du bist das! denn die Kirche kann ich prima sehen, wenn ich vom Haus der Kunst nach Hause radele, die Von-der-Tann-Straße in Richtung Ludwigstraße, auf die ich dann rechts einbiege. Von der Kreuzung aus habe ich die Kirche schon oft gesehen. Und jetzt ging ich endlich mal rein.

Ich war rechtzeitig da und konnte mich erstmal in Ruhe im Kirchenraum umgucken, wo mich die inkonsequente Neogotik etwas verstörte. Ich vermisste Kapitelle an den Säulen, fand die gotischen Bögen an den Emporen auch nur so hingeschludert und überhaupt passte das Kirchenschiff nicht so recht zum deutlich schlichteren und moderneren Chor, der dazu auch noch viel dunkler war als das Schiff – wenn auch nicht so dunkel wie auf dem Wikipedia-Bild. Das Kreuz hing an der Seite, was ich auch eher unschön fand; ich will auf Jesus draufgucken, wenn ich in der Kirche bin (oder wenigstens auf ein Abbild von ihm). Dafür waren der Empfang sehr freundlich, die Stühle bequem und die Reihen deutlich besser gefüllt als in jeder Hamburger Kirche. Ich stolperte mal wieder über einige Stellen in der Liturgie – in Bayern singt man an anderen Stellen dem Pastor oder der Pastorin (eat this, Katholen) was zu als in Hamburg –, aber ansonsten fühlte ich mich sofort zuhause.

Nach genau dem Gefühl hatte ich gesucht: zuhause zu sein. Wenn ich hadere, fühle ich mich in meinem gewohnten Umfeld fremd, irgendwie falsch, neben der Spur, aus dem Takt. In der Kirche kann ich mich (größtenteils) an der Liturgie festhalten, an den Liedern, die ich sofort intuitiv singen kann, auch wenn ich sie nicht kenne, und natürlich an der Gemeinschaft, in die ich eintrete, wenn auch nur für eine gute Stunde. Aber ich weiß, ich bin in jeder Kirche willkommen, ich kann kommen, wie ich bin und ich werde aufgenommen, wie ich bin, ohne dass jemand was will oder mich beurteilt. Ich bin da, weil alle anderen auch da sind. Und so kam ich zur Ruhe, konnte den Kopf auf andere Dinge konzentrieren als auf die, mit denen ich gerade hadere, und durfte auch endlich das Abendmahl mal wieder feiern.

Wenn es irgendeinen Brauch gibt, der mich erdet, dann ist es dieser. Gemeinsam um den Altar stehen, dem Pastor oder der Pastorin (gestern war es eine Pastorin) in die Augen schauen, wenn er oder sie dir symbolisch den Leib und das Blut Christi übergeben, den schweren Kelch zum Mund führen, einfach mal still stehen und still sein. (Nebenbei: Ich lehne für mich das Oblatenstippen ab, das kommt mir immer wie Kaffeekränzchen vor.) Zum Schluss fassten wir uns alle an den Händen, die Pastorin segnete unseren Kreis, wir sagten dem Nachbarn oder der Nachbarin ein „Friede sei mit dir“, durften nochmals der Orgel zuhören und dann war alles gut, ich war in der Spur und im Takt und alles war gut.

Alles war gut.

Tagebuch Samstag, 21. November 2015 – Home sweet home

Ausgeschlafen, mir einen großen Milchkaffee statt des Cappuccinos gegönnt. Dann zum Einkaufen gegangen anstatt zum Einkaufen geradelt; das hat mich in Amsterdam sehr gestört, dass ich durch mein derzeit konsequentes Radeln nicht mehr anständig zu Fuß vorankomme. Seitdem gehe ich wieder mehr, wenn auch nur kleine Strecken. Hier mal einen Umweg zur Packstation, da einen Extraschlenker zum Supermarkt bzw. ich gehe nicht mehr ausschließlich zum Supermarkt, der 200 Meter von meiner Haustür weg ist, sondern zu dem, zu dem ich immerhin einen Kilometer gehen muss (möchte).

Auf dem Rückweg mal wieder Gebäude fotografiert. Ich sehe hier in München immer wie ein Touri aus, weil ich die ganze Zeit nach oben gucke.

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Hier mochte ich die Pseudo-Kolossalordnung aus Pilastern so gerne, die Giebelchen über den Fenstern, die zusammen mit dem Balkon eine Linie ergeben und die verschieden breiten Fenster, die die Fassade spannend gestalten. Das Haus sieht für mich so liebevoll aus. (Ich alte Architekturromantikerin.)

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Hier mochte ich das Drama, das der Himmel und das Licht aufführen.

Schlimme Trüffel gebastelt, die sehen aus, als wenn sie aus Fukushima kämen, schmecken aber hervorragend. Kein Rezept fürs Blog, denn bis die nicht vorzeigbar werden, bleibt das mein peinliches Küchengeheimnis.

Nichts für die Uni gemacht, Fußball geguckt, Weingummi-Colafläschchen gegessen und dazu Cola light getrunken, mich gefragt, ob die beiden im Magen wilde Diskussionen führen, wer jetzt die echte Cola ist, im Internet rumgehangen, früh im Bett gewesen.

Tagebuch Freitag, 20. November 2015 – Here we are again

Der Tag begann ziemlich gut, denn es regnete. F. fand das laut SMS eher doof.

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Dann saß ich im Iconic-Architecture-Seminar. Die Referentin hatte tollerweise am Abend vorher um 22 Uhr abgesagt, was den Dozent ziemlich angepisst hatte (zu Recht), denn er hatte die Mail erst morgens gesehen und bis zum Seminarbeginn um 10 Uhr natürlich auch keine Zeit mehr, eine ausführliche Präsentation zu Frank Gehrys Walt Disney Concert Hall in Los Angeles und dem sogenannten Bilbao-Effekt zusammenzuklöppeln.

(Einschub: Hatte ich schon mal verlinkt: Witold Rybczynski nennt den Bilbao-Effect eher the Bilbao anomaly. Und eben beim Rumgoogeln entdeckt: A history of cities in 50 buildings aus dem Guardian, unter anderem mit der Berliner Hufeisensiedlung.)

Daher wurde die Stunde etwas kürzer, aber ich lernte immerhin, dass Frank Gehry der erste Architekt war, der bei den Simpsons auftrat, und ich hörte erstmals den Begriff starchitect. Wir fragten uns dann, ob die Guggenheim-Museen auf der ganzen Welt einer corporate architecture folgten. Corporate Architecture folgt mehreren Prämissen, die der Dozent aus Jons Messedats gleichnamigen Buch zitierte. Ich hoffe, ich habe korrekt mitgeschrieben, denn ich kenne das Buch (noch) nicht.

Die erste Prämisse wären Symbole oder Zeichen, die immer wiederkehren. Als Beispiel nannte der Dozent das leider abgerissene Gebäude des Kaufhauses Schocken in Stuttgart, dessen großer Schriftzug über fast die gesamte Fassadenlänge ein wiedererkennbarer Blickfang war. Der Architekt war Erich Mendelsohn. Ich freute mich innerlich über das Wiedersehen mit dem Kaufhaus, denn mein bester Freund hatte vor 100 Jahren seine Magisterarbeit über den Konzern geschrieben und ich hatte die Arbeit erst vor kurzem wiedergelesen; außerdem hatte eine Kommilitonin, die ihre BA-Arbeit zur gleichen Zeit wie ich schrieb, sich mit Mendelsohns Bauten in Jerusalem beschäftigt und darüber in unserem Kolloquium berichtet. Ich schreibe das ja dauernd, wenn’s um die Uni geht, aber: Ich mag das, wenn die vielen Puzzlesteine im Kopf ab und zu so schön zusammenpassen.

Als weiteres Beispiel von Zeichen und Symbolen nannten wir die Zisterzienser, die sich bei ihren Kirchenbauten im Mittelalter bewusst gegen Türme entschieden und sie als Bauluxus bezeichnet hatten. Ihre Kirchen erkannte man an den hölzernen Dachstühlen. Über Kirchen als Corporate Architecture sprachen wir auch – im Sinne von: erkennt man sofort als Nicht-Moschee und umgekehrt –, aber das war dem Dozenten zu weit gefasst. Von außen wäre es zum Beispiel schwierig, zwischen katholischen und evangelischen Kirchen zu unterscheiden, was ja doch ein großer Teil einer Corporate Identity wäre.

Und ein drittes Zeichen sah ich auf einmal mit anderen Augen: das Logo der Firma Hoechst. Das kannte ich zwar, wusste aber nicht, dass es auf echter Architektur beruhte, nämlich dem Peter-Behrens-Bau. Hier kann man den Ursprung des Logos schön erkennen.

Guggenheim verzichtet auf Symbole wie einen einheitlichen Schriftzug: der klassische in New York sieht ganz anders aus als zum Beispiel der in Bilbao. Bei der zweiten Prämisse Messedats – die Nutzung eines Starchitects – konnten wir auch nur halbwegs zustimmen: Jedes der neuen Guggenheims wurde von namhaften Architekt*innen gebaut, auch wenn die Gebäude alle sehr unterschiedlich aussehen. Allerdings nutzt die Foundation auch bereits bestehende Gebäude, wie zum Beispiel in Venedig.

Die dritte Prämisse war mir persönlich zu wischiwaschi: die Nutzung verschiedener Architekt*innen, die einen hochwertigen Pluralismus der Gebäude ermöglichten. Nur weil alle Gebäude irgendwie fancy sind und zu einer Firma gehören, ist das für mich noch keine Corporate Architecture.

Als Abschluss sprachen wir noch über Gehrys Gebäude im Düsseldorfer Medienhafen, die ich persönlich ja eher so meh finde, die aber tun, was sie sollen. Außerdem lernte ich, dass einige der frühesten Hochhäuser Deutschlands in Düsseldorf gebaut wurden, unter anderem das Wilhelm-Marx-Haus von Wilhelm Kreis, der dann aber in der NS-Zeit lustig weiterbaute und deshalb nach 45 eher totgeschwiegen wurde.

(Beim Durchlesen seines Wikipedia-Eintrags blieb ich bei diesem Gebäude hängen und dachte, das hast du doch gerade im Internet gesehen. Ha!)

Nach der Uni traf ich mich mit meinem Mitreferenten, der keine Probleme damit hat, einfach mein Referat zu halten, was mir sehr recht ist. Ich werde allerdings noch länger an seiner Formulierung „Ich mache Referate eher so aus dem Bauch raus“ zu knabbern haben.

In der Stabi fand ich weitere Literatur zum Vogelnest und zu Kiefer, vor allem zum Ausgangspunkt seiner Malerei:

„The history of West German art provides a good illustration of this hastily constructed new identity, which shut out individual experiences and imaginations. Artists and institutions moved abruptly from the monumental and figurative art prevalent under the Nazis to the abstractionism imported by the occupying forces. During the immediate postwar period, artists therefore returned to the forms and styles that had formerly gained favour in the 1920s, or imitated lyrical French abstractionism, or copied the informal and minimalistic techniques of the Americans. This movement, which turned its back on everything that had hitherto gone to make up the fundamental character of „German Art“ – morbidity and desolation, from the engravings of Dürer through the paintings of Caspar David Friedrich right up to German expressionism – stripped art both of subjectivity and of history.“ (S. 24.)

„Like other German artists of his generation, Kiefer questioned his own artistic heritage, focusing on the iconographic and mythological elements of German culture which initially fed the national identity, were taken over by Nazism, and then suddenly, almost overnight, were buried in the deepest strata of the collective unconscious.“ (S. 29)

(Lauterwein, Andrea: Anselm Kiefer/Paul Celan. Myth, Mourning and Memory, London 2007.)

Und dann radelte ich eindrucksatt und zufrieden nach Hause, um im Briefkasten einen nachgesendeten Brief aus Hamburg vorzufinden. Die olle Vattenfall hat zwar den Kontowechsel mitgekriegt, von dem auf einmal Geld an sie geht, aber nicht die Namensänderung des Vertragspartners der Hamburger Wohnung. Deswegen las ich im Brief an mich, dass eine schöne Zurückzahlung auf das Konto vom Kerl geht. Woraufhin ich den Brief einscannte, ihn an den Kerl mailte, anmerkte, dass ich mich sehr über einen Anteil dieser Rückzahlung freuen würde, denn bis August hatte ich noch „unsere“ Stromkosten getragen, obwohl ich 2015 nur ungefähr vier Wochen in Hamburg war. Ich habe noch keine Antwort bekommen, aber alleine, dass da wieder etwas ehemals Gemeinsames in meine kleine Münchner Blase eindrang, ruinierte mir den Rest des Abends.

Spaghetti mit gebratenen Zitronen und Chiliflocken

In der Twitter-Timeline ein Rezept von der New York Times gesehen und gleich besternt beherzt, um es schnellstmöglich nachzukochen, denn praktischerweise hatte ich alles im Haus. Bis auf Tageslicht, um ein anständiges Foto zu machen. Wird nachgeholt.

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Für zwei Personen.

Die Schale von zwei Bio-Zitronen reiben.

Die Zitronen dann von ihren Polen befreien, längs vierteln und den mittigen, bitteren, weißen Stengel aus jedem Viertel rausschneiden. Kerne entfernen. Dann die Viertel mundgerecht kleinschneiden. (Im Video der New York Times ist es idiotensicher erklärt.) Die Zitronenstücke in kochendem Wasser für zwei, drei Minuten blanchieren, damit die Bitterstoffe rausgehen. Ich verrate schon mal die Pointe: Das tun sie nicht ganz. Nach dem Blanchieren auf Küchenpapier trockentupfen.

Spaghetti in ordentlich Salzwasser fast al dente kochen, abgießen und dabei ein, zwei Tässchen Kochwasser zurückbehalten.

Die Zitronenstückchen bei starker Hitze für zwei, drei Minuten in Olivenöl anbraten. Noch eine ordentliche Prise Salz sowie eine genau so ordentliche Prise Zucker dazuwerfen, damit das Obst ein bisschen karamellisiert. Aus der Pfanne nehmen, beiseite stellen.

Die Hitze reduzieren und in
2 TL Butter die Zitronenschale und
1/2 TL Chiliflocken anbraten, bis sie duften. Das geht sehr schnell.

Nun die Nudeln,
das zurückbehaltene Pastawasser,
eine gute Handvoll geriebenen Parmesan und
den Saft von ein bis zwei Zitronen dazugeben. Alles leicht einkochen lassen und ordentlich umrühren, bis alle Nudeln was von der wunderbaren Sauce abgekriegt haben.

Zum Servieren die gebratenen Zitronen drüber, Petersilie und/oder Sellerieblätter (letzteres hatte ich nicht, wollte ich auch nicht), Salz, Pfeffer und wer mag, noch mehr Käse und Olivenöl.

Ich werde beim nächsten Mal dringend noch ein, zwei Zehen Knoblauch dazuwerfen und dafür auf die gebratenen Zitronen verzichten. So schick sie auf dem Teller aussehen, so bitter bleiben sie leider.

Ich habe schon öfter Pasta mit Zitronen versucht, fand das aber immer sehr unstimmig. Hier klappt’s endlich: Der Käse macht die Zitronenschale und den Saft würzig statt sauer, sie sorgen dafür, dass es keine pappige Käsebuttersauce gibt, sondern alles schön frisch bleibt, und die Sämigkeit der ganz leicht scharfen Sauce ist auch klasse.

Tagebuch Mittwoch, 18. November 2015 – Teamscheiß

Den Morgen mit viel Kaffee im Bett verbracht und gelesen. Genossen, dass mein (unser) Referat steht, mich auf die Uni gefreut. Um 12 das Lieblingsseminar besucht und knurrend bemerkt, dass mein Referatmitstreiter nicht da war, mit dem ich verabredet war, um alles festzuzurren. Wir müssen nächsten Mittwoch unser Handout abgeben und in zwei Wochen das Referat halten und ich habe noch nichts von ihm gesehen; meinen Kram hatte ich ihm gestern abend zugemailt. Innerlich habe ich mich gefreut, dass ich vielleicht alleine vor dem Kurs sitzen werde, auch wenn das natürlich total unkameradschaftlich ist. (Whatever.)

Nach dem Kurs zur Packstation gefahren, wo überraschend schnell ein Paket voller Schokolade und Patisseriezeug auf mich wartete. Gleich mal drei Ganaches angerührt, die jetzt über Nacht aromatisieren. Zu viel vom hellen Nougat genascht, da musste schnell ein Konterkäsebrot her.

Abends dann eine Mail vom Mitstreiter: Kein Kommentar zu meinem Teil, er würde den jetzt aber mit seinem ergänzen und mir das bis Dienstag schicken. (Also am Tag, bevor wir das Handout abgeben müssen.) Heißt für mich: Er hat meinen Kram nicht gelesen und quasi noch nix gemacht. Was mir egal ist, weil ich mit meinem Teil glücklich bin, aber das Problem ist: Es ist eben nicht nur mein Teil, sondern das ganze Referat.

Wir hatten das bei unserer leider einzigen Besprechung aufgeteilt: Er die Mythologie, ich dann die Bilder. Ich habe aber beim Ausarbeiten gemerkt, dass die Aufteilung Quatsch ist, weil ich die Bilder natürlich nicht besprechen kann, wenn ich nicht über die Mythologie, die ihnen zugrunde liegt, Bescheid weiß. Also habe ich mir den Kram auch angelesen – muss ich für die Hausarbeit ja eh und wissen will ich’s sowieso – und dann eben das ganze Referat gemacht. Natürlich brauche ich noch seinen Input, gerade über den Nicht-Wagner’schen Parzifal weiß ich quasi nichts und über die Nibelungen nur das, was mir ein einziges Buch und die Wikipedia verraten haben (was in meinen Augen nichts ist). Aber seine Mail klang jetzt so, als wollte er zu meinen (vorgestern probegestoppten) 23 Minuten noch 10 Minuten über deutsche Sagen und Epen des Mittelalters reden, und das braucht in einem kunstgeschichtlichen Seminar über die Bundesrepublik und die DDR ab den 1960er Jahren wirklich niemand.

Ich hoffe, ich habe das halbwegs nett in meiner Mail formuliert (habe noch keine Antwort) und ich ahne, dass er sich komplett überfahren fühlt. Wieder ein Lernprozess: Wie macht man gemeinsam ein Referat? Das hätten wir wahrscheinlich schlauer anfangen können.

Und noch eine Erkenntnis, die allerdings nicht mehr ganz neu für mich ist: Ich bin kein Teamplayer und ich werde anscheinend auch keiner mehr. Ich mache meinen Kram lieber alleine. Das war der Teil, den ich am Texterinnenjob am liebsten hatte: in meiner Ecke sitzen und schreiben, schreiben, schreiben. Das gemeinsame Konzipieren war die Pflicht, das einsame Ausformulieren die geliebte Kür. Vermutlich genieße ich es deshalb so, in Bibliotheken oder am Rechner zuhause zwischen Bücherbergen zu sitzen: Ich kann einfach alleine vor mich hinschreiben.

Im letzten Semester wurde mir von mehreren Seiten beigebracht, dass die Wissenschaft ein Gemeinschaftssport ist, dass man netzwerken muss, Kontakte knüpfen blablabla. Dann wird aus mir wohl keine Wissenschaftlerin werden. Das ahnte ich auch schon länger, weil keine einzige Bewerbung (auch die nach Dozierendeneinladungen) auf eine Hiwi-Stelle was ergeben hat. Da es mit meiner fachlichen Qualifikation nicht zusammenhängen kann (wir erinnern uns: Ich gehöre zu den besten zehn Prozent meines Abschlussjahrgangs), wird es wohl das doofe Alter sein, das mich rauskickt, und das kann ich den Profs nicht mal richtig übelnehmen. Ich glaube, ein Hiwi-Job ist der Start in eine wissenschaftliche Karriere, und die dürfte für mich eher ein Fantasiegebilde sein. Wenn ich den Master nach der Regelstudienzeit in der Tasche habe, bin ich 48, wenn ich mir dann noch eine Promotion gönne, mindestens 51, 52, keine Ahnung, wie lange man da pi mal Daumen für rechnet. Das ist dann doch ein großer Unterschied zu meinen Kommiliton*innen, die, wenn sie Glück haben oder richtig gut sind, noch in ihren 20ern promovieren und damit noch viel Zeit haben, die Unileiter raufzuklettern. Die Zeit habe ich schlicht nicht mehr.

Aber gut. Ich bin ja eh kein Teamplayer. Dann studiere ich halt weiter leicht deprimiert alleine vor mich hin, mache mein Ding, freue mich über meine Noten, die eben meine sind und nicht unsere, und gehe mit 50 wieder in die Werbung.

Haha.

Tagebuch Dienstag, 17. November 2015 – Alltagsgeschäft

Ich bin seit Montag wieder auf Twitter, wenn auch noch etwas misstrauisch. Ich gucke momentan eher sporadisch in meine Timeline, lese aber wieder nach und verlinke bzw. retweete wieder, wenn ich meine, etwas zu sagen zu haben. Als gestern die Spielabsage in meinem Blickfeld auftauchte, verabschiedete ich mich aber wieder, weil schon in den ersten Minuten alles voll war mit wilden Spekulationen und Arschlochretweets, die wirklich, wirklich, echt jetzt niemand braucht. Ich jedenfalls nicht.

Ansonsten verbrachte ich einen ereignislosen, aber produktiven Tag: Ich wartete auf das hochgeladene MP3 vom Fehlfarbenpod und stellte den Blogbeitrag dazu online, holte ein Paket von der Packstation ab, in dem sich totales Weihnachtsvorbereitungszeug befand, auf das ich mich sehr freue, gab Bücher in der Unibibliothek zurück (diese Begrenzung auf 25 Bücher zur Ausleihe ist total unfair!), kochte mir eine Kleinigkeit aus Kram, der wegmusste (aus Versehen Kräutertofu statt des geräucherten in den Einkaufswagen gepackt, knurrend mariniert und verarbeitet – und dann gemerkt: der ist ja viel toller als das Räucherzeug! Ich Idiot!) und stellte mein Anselm-Kiefer-Referat endlich fertig. Jetzt ist es ungefähr so, wie ich es halten würde, wenn ich alleine vor der Klasse säße. Heute treffe ich mich mit meinem Mitstreiter und gucke mal, was er so gemacht hat, und dann schmeißen wir zusammen.

Fehlfarben 9: Künstler, Kinder, Pinguine

Heute im Programm: gleich drei Ausstellungen! Sagt nicht, wir würden nichts für euch tun. Dazu gab’s drei ausgezeichnete Spätburgunder aus Deutschland.

Podcast herunterladen (MP3-Direktlink, 84 MB, 100 min), abonnieren (RSS-Feed für den Podcatcher eurer Wahl), via iTunes anhören.

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00.00:00. Begrüßung und Vorstellung.

00.01:30. Erster Wein und erste Ausstellung: Klee & Kandinsky im Lenbachhaus. Der Untertitel der Ausstellung lautet „Nachbarn, Freunde, Konkurrenten“; eventuell ahnt ihr jetzt, woher unsere heutige Überschrift kommt. Von uns gab’s drei dicke Daumen nach oben, und ihr habt noch bis zum 24. Januar 2016 Zeit, in den Kunstbau zu gehen.

00.27:00. Blindverkostung Wein 2 und noch mehr Klee & Kandinsky. Fazit ab ca. 00.42:00. Das Ergebnis der Twitter-Umfrage von 00.39:00 ist übrigens hier. (Team Klee!)

00.48:00. Blindverkostung Wein 3.

00.50:30. Die zweite Ausstellung: Geh und spiel mit dem Riesen in der Villa Stuck. Auch hier gibt’s einen Untertitel, aber der war nicht so cool wie bei den beiden Ks: Kindheit, Emanzipation und Kritik. Hier gab’s nur zwei Daumen nach oben, weil ich Pappnase mich bei den Öffnungszeiten vertan hatte und deswegen die Ausstellung nicht gesehen habe. Bis zum 10. Januar 2016 kann ich das aber nachholen.

01.10:00. Die letzte Ausstellung: Genesis von Sebastião Salgado im Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung. Auch hier, total langweilig, wissen wir, wir arbeiten an mehr Konflikt: drei Daumen nach oben. Die Ausstellung läuft noch bis zum 24. Januar 2016.

01.32:00. Alkoholauflösung und Verabschiedung.

Immerhin bei den Weinen waren wir uns uneinig: Felix und ich mochten Wein 3 am liebsten und Wein 2 am wenigstens, Florian mochte Wein 2 am liebsten und Wein 1 am wenigsten, wobei das dieses Mal alles sehr eng beeinander lag. Wir hatten drei richtig spannende Weine am Tisch, die wir alle noch mal trinken wollen würden.

Wein 1: Weingut Nicklis, Pfalz, Spätburgunder Frankweiler Kalkgrube, 2012, 13%, beim Winzer für 5,10 Euro. (Von diesem Weingut kann ich den Gelben Muskateller auch wärmstens empfehlen.)

Wein 2: Weingut Dautel, Württemberg, Spätburgunder Schilfsandstein, 2013, 13%, beim Winzer für 12,90.

Wein 3: Weingut Fritz Waßmer, Baden, Spätburgunder Barrique, 2008, 13,5%, bei Karstadt Perfetto für 12,70 Euro. Den 2009er gibt’s beim Winzer schon für 8,90.

Tagebuch Sonntag, 15. November 2015 – Immer noch Twitterpause

Ich ducke mich nicht vor dem Geschehenen weg, ich ducke mich vor der Welle an Reaktionen weg. Ich gucke ab und zu bei Spon oder Le Monde nach, wie es der Welt geht und dann lasse ich eben diese wieder in Ruhe. Twitter und Facebook bleiben weiterhin aus, dafür bin ich kurz auf Instagram gewesen, wo es nur Futter- und Architekturbilder in meiner Timeline gibt, und dafür bin ich gerade sehr dankbar. Ich verarbeite die Welt, indem ich mit ausgewählten Menschen darüber spreche, aber ansonsten mache ich sowas lieber erstmal mit mir selbst aus.

Daher war der gestrige Tag wieder ein Tag am Schreibtisch mit Anselm Kiefer und Richard Wagner. Dann wollte ich abends in eine Ausstellung gehen, hatte mich aber bei den Öffnungszeiten sehr dämlich vertan und stand vor verschlossener Tür. Mal sehen, ob meine beiden Mitstreiter beim Podcast, den wir Montag abend aufnehmen wollen, alleine über diese Ausstellung reden oder wir sie vielleicht auf Dezember verschieben. (Daher auch keine Nennung des Hauses, vor dem ich sehr laut fluchend stand.)