Bücher 2010, August

Jonathan Wilson – Inverting the Pyramid: The History of Football Tactics

Ein sehr gelungenes Buch, auch für mich als Einsteiger, was Fußballtaktik angeht. Wilson beschreibt die Unterschiede zwischen den bzw. die Entwicklung der Spielsysteme über die letzten gut 150 Jahre. Angefangen beim 2-3-5 (2 Verteidiger, 3 Mittelfeldspieler, 5 Stürmer), mit dem die „Erfinder“ des Spiels, die englische Mannschaft, jahrelang alles in Grund und Boden gespielt hat. Wohl auch, weil sie noch keine ernstzunehmenden Gegner hatten. Das änderte sich allerdings relativ schnell, denn Fußball eroberte so ziemlich die ganze Welt – und die ganze Welt beschäftigte sich mit der Frage, wie man mit dem Gegner auf dem Feld fertig werden konnte.

Nach und nach änderte sich die Aufstellung der Spieler auf dem Platz; die Wikipedia hat einen sehr kurzen Abriss und – praktisch – viele schöne Diagramme, die es mir ersparen, hier länger auf die Formationen einzugehen. Denn was mir an Inverting the Pyramid noch besser gefallen hat als die reinen Erklärungen zur Spielkultur, waren die Umstände, die diese Veränderungen mit sich gebracht oder sie überhaupt erzeugt haben. Die verschiedenen Mentalitäten der Länder, die Erwartungen von Zuschauern, die Biografien der Trainer – all das hatte Einfluss auf die Systeme und wie sie weltweit (oder auch nicht) angenommen wurden.

Ich habe mich über die Erwähnung der Erben der Tante Jolesch gefreut, in denen Friedrich Torberg über Matthias Sindelar schreibt, einen Stürmer des österreichischen Wunderteams. Ich mochte die Beschreibung des argentinischen Fußballs. Oder des brasilianischen bzw. die Leidenschaft der Zuschauer_innen, die ihrer Mannschaft die völlig unerwartete 1:2-WM-Finalniederlage gegen Uruguay 1950 jahrelang nicht verziehen haben:

Bigode, Barbosa and Juvenal – probably not by coincidence Brazil’s three black players – were held responsible. In 1963, (goalkeeper) Barbosa, in an effort to exorcise his demons, even invited friends to a barbecue at which he ceremonially burned the Maracanã goalposts, but he could not escape the opprobrium. The story is told of how, twenty years after the final, he was in a shop when a woman pointed at him. ‘Look at him,’ she said to her young son, ‘He’s the man who made all of Brazil cry.’

‘In Brazil,’ he said shortly before his death in 2000, ‘the maximum sentence is thirty years, but I have served fifty.'”

Ich fand die Beschreibungen von catenaccio faszinierend, Totaalvoetbal, die lange Tradition der Trainer, die im Ausland arbeiten (was ich bis dato für eine recht junge Angelegenheit gehalten hatte), ach, ich habe schlicht und ergreifend das ganze Buch sehr fasziniert durchgelesen. Es gibt einen hervorragenden Überblick über so ziemlich alle Mannschaften, die dieses Spiel geprägt haben, bleibt also nicht stur auf der englischen Mannschaft, die eine eher untergeordnete Rolle spielt – die deutsche bekommt übrigens noch weniger Platz. Der Stil ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, weil man sehr viele Fakten auf einmal serviert bekommt, aber wenn man sich durch die ersten 30 Seiten gekämpft hat, kann man Pyramid nicht mehr weglegen. Riesengroße Empfehlung für Fußballinteressierte und solche in the making (wie mich); leider gibt’s das Buch meines Wissens nicht auf Deutsch.

(Leseprobe bei amazon.co.uk)

(eBook) Barbara Demick – Nothing to envy: Real Lives in North Korea

Die Asienkorrespondentin der Los Angeles Times, Barbara Demick, beschreibt in Nothing to envy das Leben in Nordkorea. So gut das eben geht, wenn man nicht mit Menschen sprechen kann, die noch dort leben. So stützt sich ihr Buch auf die Erfahrungsberichte Geflüchteter, die logischerweise eher weniger gut auf das Regime zu sprechen sind.

Demick verfolgt die Lebensläufe von verschiedenen Personen über die Jahre, meist von Geburt an, bis hin zu ihrer Flucht nach China oder Südkorea, wo sie sie getroffen hat. So ist das Buch streng genommen kein objektiver Lagebericht, sondern arbeitet schon fast literarisch, was es aber sehr lesbar macht. Die einzelnen Schicksale ergeben ein recht gutes Bild vom täglichen Leben in Nordkorea, aber sie erzählen eben „nur“ von Menschen, die sich irgendwann von der Propaganda nicht mehr haben blenden lassen. Das klingt vielleicht etwas blöd, aber so richtig viel Neues habe ich nicht aus dem Buch erfahren. Trotzdem habe ich es gern gelesen, weil ich mich gerne an anderer Leute Leben langhangele.

(eBook) Jonathan Safran Foer – Eating Animals

Zunächst wollte ich das Buch nicht lesen, weil es mich schlicht nicht interessiert hat. Ich habe gedacht, so ungefähr zu wissen, was Massentierhaltung bedeutet und dass ich mir das nicht nochmal durchlesen muss. Durch das Foodcoaching und dem bewussteren Umgang mit Lebensmitteln hat es mich aber doch in den Fingern gejuckt, und als mit der Veröffentlichung der deutschen Übersetzung jeden Tag zehn Artikel und Interviews mit Autor Foer in meinem Twitterstream auftauchten, dachte ich mir, jetzt lies es schon, dann haste das hinter dir.

Hab ich leider nicht. Denn ehrlich gesagt war mir das Ausmaß von Massentierhaltung nicht bewusst: 99 unfassbare Prozent von all dem Fleisch, das in Amerika auf den Tellern landet, stammt aus Massentierhaltung, und in der EU sieht es nicht viel besser aus. Mein naives Bild im Hinterkopf von den puscheligen Biokühen, die in Ruhe 20 Jahre alt werden, bevor sie ein Biobauer liebevoll und schmerzlos … äh … hm …sie genauso um die Ecke bringt wie der Massen„farmer“, damit ich sie essen kann, ist leider nicht mehr zu halten. Auch der wunderbare Ausdruck „Zuchtfische“ ist ein blöder Euphemismus: Die Tiere sind genauso zusammengepfercht wie ihre Artgenossen mit Federn oder Fell, bekommen ebenso von ihrem ersten Lebenstag bis zum letzten Antibiotika und jede Menge Dreck zu fressen, und leiden vor allem genau wie anscheinend jedes Tier, das der Mensch irgendwann mal essen will. Besser gesagt, lieber heute als morgen, weswegen kein Tier mehr wirklich alt wird.

Ich will jetzt gar nicht auf die unzähligen Details eingehen, die mich, ehrlich gesagt, manchmal um eine ruhige Nacht gebracht haben; schon Calvin wusste, dass ignorance bliss ist. Aber trotz des ekligen Inhalts möchte ich euch das Buch ans Herz legen, denn was mir wirklich gut gefallen hat, war die Art, wie Foer mit dem Fleischverzehr umgeht. Er beginnt mit der sehr persönlichen Auseinandersetzung – wie soll ich meinem Sohn klarmachen, dass wir Kühe töten, aber Hunde nicht? – und kommt so von der kleinen Frage zur riesigen Industrie. Denn nicht anderes sind Nutztiere heute leider: eine Industrie. Genau wie uns die Nahrungsmittelkonzerne Zeug aus 19 Zutaten, davon 7 mit einem E davor, verkaufen und es „Brot“ nennen, sind für die Massentierhalter Tiere eben nur Material, das irgendwie in Steakform zu kriegen sein muss. Foer rechnet aber nicht mit der Industrie ab, sondern bemüht sich um eine ausgewogene Darstellung; er lässt auch die Gegenseite zu Wort kommen, die natürlich das Argument bemüht: Ohne billiges Fleisch würden wir alle verhungern. Was Blödsinn ist, denn um ein Pfund Fleisch zu erzeugen, braucht man bis zu 16 Pfund an Getreide. Wieviele Menschen man von dieser Menge sattkriegen würde, darüber sagen die Massentierhalter nichts.

Ich mochte den Schreibstil von Foer gerne, dem man anmerkt, dass er literarischer Autor ist und kein Sachbuchschreiber: Das Buch hat Spannungsbögen, ohne die Information zu kurz kommen zu lassen, und der persönliche Bezug hat mich als Leserin ständig an die Hand genommen, bevor ich mein Hirn ausmachen konnte, weil ich nicht noch mehr darüber lesen wollte, wie sehr die Tiere ihr Leben lang leiden.

Bisherige Folgen: Ich gucke noch genauer, wann ich Fleisch esse. Beim Selberkochen ist es kaum noch da, und Aufschnitt habe ich gegen Nutella getauscht (eines dieser Lebensmittel mit den 19 Zutaten und dem LECKER). Auf Fisch zu verzichten, wird mir schwerer fallen, weil ich mich an den gerade erst rangegessen habe und ich gerne noch ein paar Varianten kennengelernt hätte. Mal sehen. Ich habe allerdings auch gemerkt: Wenn ich nicht aufpasse, liegt zack! wieder Fleisch auf dem Teller. Ich bin gerade nicht im Heimatstädchen gebucht und wohne im Hotel, d.h. ich kann nicht selber kochen. Und als ich mittags mit einer Kollegin essen war und im Gespräch vertieft bestellt habe, ist mir wirklich erst aufgefallen, was ich da bestellt habe, als ich das Clubsandwich mit Pute und Ei vor mir liegen hatte. Ohne Widerstand in den alten Zustand des Ignorierens zurückgefallen. Schönwettervegetarismus. Meh. Besser als nix.

(Leseprobe bei amazon.com)

David Mack – Kabuki Vol. 1: Circle of Blood

Großartig, genau wie Kabuki 5, das ich lustigerweise vor der ersten Folge gelesen habe. Sieht ganz anders aus, ist viel mehr ein traditioneller Comic mit Panels und einer deutlicher zusammenhängenden Story als Kabuki 5, das mir immer mehr wie eine Meditation auf Papier vorkommt. Die Geschichte von Kabuki entfaltet sich über viele Kapitel, in denen wir ihre Mutter kennenlernen, die während des 2. Weltkriegs entführt wurde und als sogenannte comfort woman dienen musste. Wir lernen den General kennen, der die seiner Truppe zugeteilten Frauen Theaterstücke aufführen lässt – Kabuki eben –, und wir erfahren, wie die Figuren zusammenhängen. Das Ganze in einer sehr reizvollen Optik, die japanische mit eher westlich aussehenden Zeichnungen verbindet, die teilweise sehr filmisch funktionieren und die nebenbei eine äußerst blutige Geschichte erzählen. Der Titel arbeitet auf vielen Ebenen gleichzeitig: Die japanische Fahne könnte als Blutkreis gedeutet werden, die runde Sichel, Kabukis Waffe, die sich mit dem Blut ihrer Feinde färbt, aber auch der Kreislauf des Lebens, der sie mit ihrer Mutter verbindet, ist mit Blut geschrieben. Noch eine Empfehlung.

(Leseprobe bei amazon.de)

Püree aus dicken Bohnen

Die Wikipedia sagt mir, dass man dicke Bohnen auch Ackerbohnen nennen kann. Oder: Favabohnen. Mit 20 Jahren Verspätung weiß ich endlich, was Hannibal Lecter so gerne zu Leber aß.

Das Rezept stammt aus einem meiner liebsten Kochbücher: River Cottage Everyday von Hugh Fearnley-Whittingstall. Für eine ordentliche Portion für zwei Personen braucht man

200 g dicke Bohnen, für circa 15 Minuten gekocht und aus den Häutchen gepult. Die Bohnen zerdrücken oder im Mörser oder Mixer vermischen mit
1/2 Knoblauchzehe, fein gewürfelt,
1 dicken Spritzer Zitronensaft,
Meersalz und
frisch gemahlenem schwarzen Pfeffer. Dazu
Rapsöl oder anderes Pflanzenöl geben, bis eine geschmeidige Paste entsteht.

Wir haben dazu Naanbrot gegessen (die Hälfte von dem Rezept, das sich unter dem Link versteckt). Ich mochte die Bohnen sehr, sehr gerne und war ziemlich sparsam mit Knoblauch, Zitrone und Öl, weswegen ich fast den puren Bohnengeschmack genießen konnte. Zusammen mit dem warmen, knusprigen Brot und einem Rosé war das ein perfektes Essen. Einfach, frisch, toll. (Ich schwelge neuerdings sehr oft, ich weiß. Ich koch mal was richtig Ekliges, um dieser Euphorie etwas entgegenzusetzen.)

Trüffeltorte

Ein Rezept von Schnuppensuppe, um das ich ewig herumgeeiert bin, weil es ungefähr acht Millionen Kalorien pro Stück zu haben scheint. Aber irgendwann waren dann irgendwie rein zufällig genug Kuvertüre und Sahne im Haus – und da konnte ich dann nicht mehr anders.

Zuerst mal den Biskuitboden backen, der mir bei leider sehr hart geworden ist. Ich werde nochmal mein „normales“ Biskuitrezept ausprobieren, aber hier erstmal das von Schnuppensuppe. Vielleicht habe ich den Boden einfach zu lange im Ofen gelassen.

3 Eiweiß mit
2 EL kaltem Wasser zu Eischnee schlagen und
1 Prise Salz und
125 g Rohrzucker einrieseln lassen.

In einer zweiten Schüssel
1 TL Vanillezucker,
75 g Mehl,
60 g Stärke,
15 g ungesüßtes Kakaopulver,
1 gestr. TL Backpulver und
3 Eigelb vermischen und den Eischnee unterheben. In einer gefetteten 26er Springform für circa 30 Minuten im auf 190° vorgeheizten Backofen backen. Den Boden abkühlen lassen und ihn danach mit einer Mischung aus

4 EL kaltem Espresso und
3 EL Weinbrand, Cognac oder Rum beträufeln. (Ich habe den Alkohol weggelassen und dafür mehr Espresso genommen. Könnte ruhig noch etwas kaffee-iger werden.)

Für die Trüffelcreme
525 g Bitterschokolade oder zartbittere Kuvertüre im Wasserbad schmelzen und soweit abkühlen lassen, dass sie gerade noch flüssig ist (ungefähr handwarm).
750 ml Schlagsahne fast steif schlagen und vorsichtig mit der Schokolade vermischen. Wer mag, mischt noch
100 g Puderzucker darunter. Ich habe ihn weggelassen, weil ich es nicht zu süß haben wollte.

Die Creme auf dem Boden in der Form verteilen und alles für mindestens vier Stunden kaltstellen.

Zum Dekorieren kann man die Torte mit Puderzucker oder noch einer Runde ungesüßtem Kakao bestäuben, aber der Puderzucker bleibt leider nicht lange weiß und flauschig, sondern wird nach wenigen Stunden – auch im Kühlschrank – ein bisschen plockig. Schmeckt aber weiterhin.

Ich fand die Torte nicht zu süß, schön herb und fest, aber wie gesagt, den Boden habe ich irgendwie versaut. Und wie auch Schnuppensuppe vorschlägt: Beim nächsten Mal würde ich eine dünne Schicht Kirschmarmelade oder Preiselbeeren zwischen Creme und Boden hauen, um noch eine zweite Geschmacksnote dazuzubekommen. Not that there’s anything wrong with chocolate, aber die Torte ist wirklich richtig fies nach einem halben Stück.

Die Tortenplatte ist übrigens von meiner Mama aus den 70er Jahren, richtig schönes schweres Glas. Sie wackelt allerdings, weswegen meine Mutter sie wegschmeißen wollte. Das geht natürlich gar nicht. Dann backt man eben nur Torten, die durch Wackeln nicht zusammenbrechen. Also nix Dreistöckiges. (Und man denkt vielleicht mal vor dem Fotografieren dran, den Boden der Springform zu entfernen. Hmpf.)

Pastinakenrisotto mit Thymianpesto

Das erste Rezept aus einem neuen Kochbuch: Die neue vegetarische Küche von Maria Elia. Ganz kurz: sehr, sehr lecker. Leider weniger kurz: die Abwaschdauer. Ich glaube, ich habe die Hälfte unseres Küchenschrankinhalts zu irgendeiner Zeit auf dem Herd, neben dem Herd oder in der Spüle gehabt. Egal: sehr, sehr lecker.

Das Pastinakenrisotto besteht aus vier Komponenten: einer Pastinakenbrühe, einem Pastinakenpüree, angebratenen Pastinakenstückchen und eben den üblichen Risottozutaten wie Reis und Parmesan. Und noch mehr Zeug. Erstmal die Brühe machen.

Für vier Personen.

5 mittel- bis große Pastinaken schälen, vierteln und vom holzigen Inneren befreien. Beiseite legen.

1 Zwiebel, in feine Ringe geschnitten, in
1 EL Olivenöl anbraten. Dazu
die Schale und das Innere der Pastinaken geben, kurz anbraten und mit
2 l Wasser auffüllen. Die Brühe aufkochen und danach 30 Minuten bei geschlossenem Deckel köcheln lassen. Durch ein Sieb seihen, die Gemüsereste entsorgen, die Brühe warmhalten.

2 der vorhin geschälten Pastinaken in kleine Stücke schneiden. In
50 g Butter anbraten und
1 Knoblauchzehe, in feine Scheiben geschnitten, bei mittlerer Hitze mitbraten lassen. Mit
300 ml Milch auffüllen und mit
Meersalz und
schwarzem Pfeffer würzen. Alles 12 Minuten köcheln lassen. Dann durch ein Sieb geben, den Milchsud dabei auffangen und die Pastinaken- und Knoblauchstücke pürieren. Notfalls etwas Milchsud dazugeben, um ein cremiges Püree herzustellen. (Mein Zauberstab hat vor der winzigen Menge Püree kapituliert, da ich das Rezept nur für zwei Personen zubereitet habe. Ich habe die Stückchen per Kartoffelstampfer zu Püree verarbeitet.)

Die restlichen 3 Pastinaken in kleine Stücke schneiden und in
25 g Butter bei mittlerer Hitze bräunen und mit Meersalz und Pfeffer würzen. Vom Herd nehmen.

Jetzt endlich zum Risotto:

4 Schalotten, fein gewürfelt, in
2 EL Olivenöl anbraten.
350 g Risottoreis kurz mitbraten, dann nach und nach mit der Pastinakenbrühe auffüllen. Ihr kennt ja den Risottospaß: eine Kelle Brühe, bis die Flüssigkeit vom Reis aufgesorgen wurde, dann die nächste Kelle usw. Das ganze dauert ungefähr 15 bis 20 Minuten. Zum Risotto

den Saft einer Zitrone und
4 EL Mascarpone (bei mir war’s saure Sahne)

geben, den Topf vom Herd ziehen und zusätzlich
50 g frisch geriebenen Parmesan einrühren. Dazu das Pastinakenpüree und die angebratenen Pastinakenstücke. Theoretisch fertig – aber das beste kommt noch: das Thymianpesto, das man prima zubereiten kann, während Brühe und Püree vor sich hinköcheln.

1 kleines Bund Thymian, abgezupft,
1/2 kleines Bund Basilikum,
50 g frisch geriebenen Parmesan,
50 g angeröstete Pinienkerne,
2 Knoblauchzehen, fein gehackt,
1 TL Meersalz und
den Saft von 1/2 Zitrone

in einem Mixer mischen. Nach und nach
75 ml Olivenöl dazugeben, bis eine geschmeidige Paste entsteht.

Das Risotto alleine schmeckt sehr fein, milchig und buttrig, und bekommt durch die angebratenen Stücke einen schönen Biss. Aber das Pesto verleiht dem Gericht einen kleinen Extrakick: die nussigen Pinienkerne, das frische Basilikum mit der Zitrone und natürlich über allem der Hauch von Parmesan – großartig. Wenn das Zeug nicht so viele Arbeitsschritte hätte, würde ich das dauernd kochen wollen. So eher am Wochenende, wenn ich danach noch Zeit habe, die Küche wieder aufzuräumen.

Gebackene Paprika mit Cocktailtomaten

Nach der Mälzerphase kommt jetzt die Oliverphase. Das Rezept stammt aus dem Buch Genial kochen mit Jamie Oliver und war so ziemlich das erste, das ich mir nach dem Foodcoaching gekauft habe. Deswegen gehören die Ofenpaprika auch schon etwas länger zum Repertoire. Besonders wenn folgender Klageruf aus der Speisekammer ertönt: „Die Paprika müssten jetzt aber WIRKLICH langsam weg“.

(Leser_innen mit einem zu guten Gedächtnis wissen, dass ich dieses Bild vor ungefähr einem Jahr schon mal getwitpict habe. Aber das Foto, das ich gestern im gelblich-kuscheligen Küchenlicht gemacht habe, sah dann auch so aus: gelblich. Und doof.)

Für zwei hungrige Menschen

2–3 Paprikaschoten halbieren und vorsichtig von Kernen und sonstigem Innenleben befreien. Mit
Meersalz und
frisch gemahlenem schwarzen Pfeffer würzen.

Zwei Händevoll

Cocktailtomaten mit kochendem Wasser überbrühen und ihnen die Haut abziehen. Die Tomaten in den Paprika verteilen, dazu

Knoblauch, in dünne Scheibchen geschnitten,
Basilikum und
Majoran, in Streifen geschnitten.

Alles mit ein paar Spritzern

Olivenöl beträufeln und im auf 200° vorgeheizten Ofen für 45 Minuten backen, davon die ersten 15 mit einer Haube aus locker drübergelegter Alufolie, den Rest der Backzeit ohne Häubchen.

Wer mag, legt noch ein paar Sardellenfilets drauf; ich persönlich mag ein paar Spritzer Kräuteressig. Bei uns gab’s gestern Rösti dazu, die logischerweise nicht auf dem Bild zu sehen sind. Waren aber genauso lecker wie die Paprika.

Das Rezept hört sich ziemlich unspektakulär an, aber ich mag es sehr gerne, vielleicht gerade weil es nicht mit Bombastaromen um sich wirft, sondern eben nur frisches Gemüse mit einer warmen Knoblauchnote und Gewürzen verbindet. Reicht ja auch.

Comiczeichnen lernen

Wer in Jena oder Umgebung wohnt, kann bei der örtlichen VHS einen zehnwöchigen Comiczeichenkurs bei dem geschätzten Beetlebum buchen.

Laugenbrezeln

Meine Brotbackkünste wurden bis jetzt immer so halbherzig belohnt: Das Ergebnis war irgendwie essbar, aber umgehauen hat’s mich nie. Bis jetzt. Denn dieses Laugenzeug schmeckt wie gekauft. (Ja, in my book ist das ein Kompliment.)

Das Rezept habe ich beim Chefkoch gefunden. Es wird mit Milch zubereitet, was mich etwas gewundert hat, denn die meisten amerikanischen Rezepte, die ich für das Laugenzeug entdeckt habe, arbeiten nur mit Wasser. Und mit pfundsweise Natron. Ich werde das Rezept nochmal mit Wasser antesten, aber Milch schmeckt prima. Und anscheinend braucht man auch keine 2/3 cup baking soda für ein paar kleine, unschuldige Brezn.

Für vier Laugenbrezeln. Aus

250 g Mehl, Type 405,
1/2 Tüte Fertighefe,
125 ml warmer Milch,
25 g weicher Butter und
einer guten Prise Meersalz

einen Teig zubereiten. An einem warmen Ort eine knappe Stunde gehen lassen. Dann aus dem Teig vier Brezeln formen und diese nochmals abgedeckt 15 bis 20 Minuten gehen lassen.

500 ml Wasser zum Kochen bringen,
1,5 EL Natron einrühren und nochmals gut aufkochen.

Die Brezeln mit einer Schaumkelle für jeweils 30 Sekunden ins Wasser legen. Alle Brezeln mit

grobem Meersalz (ich habe Fleur de Sel benutzt)

bestreuen und im auf 180° vorgeheizten Backofen für 20 bis 25 Minuten backen. Gar nicht groß abkühlen lassen, eiskalte Butter und Salz drauf und schmackofatz. Neue Lieblingsbeschäftigung: ordentliche Brezeln formen.

Love from Tom Wilson

Seit Jens mich auf den wunderbaren Questions-Song von Tom „Biff aus Back to the Future“ Wilson hingewiesen hat, schaue ich dem Mann gerne bei der Arbeit zu. In seinem YouTube-Channel lässt er sich freiwillig über die Schulter gucken, und so gut wie jeder Film ist so lustig wie das Fragenlied. Heute ist ein neuer Film online gegangen: Diesmal spricht er „Mean Fish Three“ für Nickelodeon.

Zweierlei Möhren auf Chili-Quinoa

Ich habe eine winzigkleine Kastenform aus der Puppenküche zweckentfremdet. Immer alles mit dem Servierring anzurichten, wird ja langweilig. Trotzdem muss ich das Türmchenbauen noch üben. Sieht aus wie in Babel unterm Sofa.

Das Quinoa habe ich mit Gemüsebrühe gekocht und mit einem halben Teelöffel Chiliflocken verfeinert. Feddich. Die beiden Möhrenrezepte habe ich ausgewählt, weil sie sehr ähnlich klangen, was im Nachhinein eine doofe Idee war; schlauer wäre es wohl, zwei Rezepte auszuwählen, bei denen eine gewisse Bandbreite an Geschmäckern zum gleichen Gemüse aufgezeigt wird. Learning by eating.

Die dünnen Möhrenstreifen sind kalt, die Stifte warm. Erstmal die Streifen: Das Gericht stammt aus Natürlich Jamie – Meine Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterrezepte. Jamie nennt es „Indischen Möhrensalat“ und serviert es auf Lammhack, das mit Garam masala gewürzt wird. Ich wollte den Salat aber lieber ohne Fleisch essen.

1 TL Kreuzkümmelsamen

in einer beschichteten Pfanne bei mittlerer Hitze circa 30 Sekunden anrösten, bis er einen nussigen Duft verbreitet. Im Mörser zermahlen. In der gleichen Pfanne

1 EL Sesam goldgelb rösten. Beiseite stellen.

500 g Möhren und
1 kleine rote Zwiebel oder 3 Schalotten

in feine Streifen hobeln oder schneiden. Für das Dressing

Schale und Saft von 1 Zitrone,
1 gehäufter TL frisch geriebenem Ingwer,
1 Prise Salz,
ca. 5 EL Olivenöl,
1 kleiner Bund Koriandergrün und
1 kleiner Bund Minze, beides gehackt,

mit dem gemahlenen Kreuzkümmel vermischen. Alles mit den Möhren- und Zwiebelstreifen vermischen und mit Sesam bestreuen. Ich habe nie und nimmer ein Bund von Koriander und Minze zersäbelt, weil ich beide Gewürze recht streng finde und noch ein bisschen die Mohrrüben schmecken wollte.

Der Möhrenstiftesalat ist warm und stammt von der wunderbaren Veggie-Seite 101 Cookbooks. Hier nennt er sich Moroccan Baby Carrot Salad, aber er schmeckt auch mit kleingeschnittenen Nicht-Baby-Karotten.

500 g Karotten

in Stifte oder mundgerechte Stücke schneiden. Mit Olivenöl zwei, drei Minuten auf hoher Hitze anbraten, dann noch ein paar Minuten bei mittlerer Hitze weiterbraten, bis sie etwas weich geworden sind. Mit Meersalz würzen.

Ca. 80 g Pinienkerne anrösten und beiseite stellen.
2 TL Kreuzkümmelsamen anrösten, abkühlen lassen und im Mörser zermahlen.

250 ml Orangensaft auf die Hälfte einkochen lassen, bis der Saft etwas sirupartig wird. Die Möhren durch ein Sieb abgießen, um überschüssiges Öl loszuwerden. Mit dem Orangensirup,

1 EL Honig,
dem Saft 1 Zitrone,
ca. 120 g schwarzen Oliven

und dem zerstoßenen Kreuzkümmel vermischen. Kurz vor dem Servieren mit

1 EL Koriandergrün, kleingehackt,
1 EL Minze, kleingehackt, und wer mag,
zerkrümeltem Feta

und den Pinienkernen vermischen. Ich würde beim nächsten Mal die Oliven weglassen, aber dafür die Pinienkerne drüberstreuen, die ich hier beim Fotografieren und, viel schlimmer, nachher beim Essen vergessen habe.

„Ganz ruhig, Mama.“

Malte Welding erinnert sich an den Tod seiner Mutter und eine Therapeutensitzung mit alten Familienfotos. Aus der Berliner Zeitung.

„Mein Therapeut packte die Fotoalben auf den Tisch. “Wollen wir dann?”, fragte er und ich konnte mich nicht zu einem Nicken aufraffen. Seit Wochen hatte ich Albträume, jede Nacht musste ich meiner Mutter sagen, dass sie tot ist und sie antwortete mir, dass ich nicht so einen Unsinn reden solle. Ich glaubte nicht an Psychotherapie, das hatte ich von meiner Mutter geerbt, aber ich hätte mir auch von einem Schamanen die Geister austreiben oder von einem Druiden einen Zaubertrank bereiten lassen, wenn das die Krankenkasse bezahlt hätte, ich musste nur endlich wieder einmal durchschlafen.

Neun Monate zuvor hatte meine Mutter ein paar Münzen Trinkgeld auf das zu kleine Tischchen in dem italienischen Eiscafé gelegt und müde ausgesehen. In der Onkologischen Praxis über dem Eiscafé hatte sie gerade ihren Kampf gegen den Brustkrebs für beendet erklärt.“

Fußballstatistikgefrickel, how I love thee neuerdings

Ich erwähnte ja bereits, dass ich seit Kurzem Fußball etwas anders schaue als früher. Da kommt mir der wunderbare Dienst der Deutschen Fußball-Liga sehr recht. Wenn Sie im Flashfeuerwerk der Webseite unter „Bundesliga“ auf „Spieltag & Spielplan“ klicken – da kann ich sogar noch hinlinken – und dann bei den einzelnen Begegnungen auf „Analyse“ gehen, gibt es schön was zu gucken. Mein liebstes Feature findet sich unter „Aufstellungen“: Da kann man „Heim“ oder „Gast“ anklicken und dann „Taktische Aufstellung“ versus „Tatsächliche Aufstellung“. Und schon sieht man auf einen Blick, ob die Taktik hingehauen hat oder nicht. Und ob die Jungs wirklich in dem System gespielt haben, das vorgegeben war, oder nicht. Und ob das Ergebnis dem System gerecht wird.

Ich fand es zum Beispiel bei Bayern vs. Wolfsburg sehr schön zu sehen, dass der FCB wirklich so aggressiv gespielt hat wie es mein Eindruck war: Die Verteidiger sind fast bis zur Mittellinie aufgerückt, während die Wölfe kaum darüber hinweg gekommen sind. Oder beim Spiel des HSV, wo ich die ganze Zeit dachte, Herr Petric, Sie rücken dem Herrn van Nistelrooy aber ganz schön auf die Pelle. Guckst du: Ja, stimmt, die 10 ist nicht mehr so ganz im Mittelfeld, wo sie sein sollte, sondern größtenteils sogar noch vor der 22. Toll.

Ein Dankeschön an …

… Sybille, die mich gleich mit zwei Büchern erfreut hat: Den Tagen mehr Leben geben, das ich mir nach der Buchbesprechung von Stevan auf den Wunschzettel gepackt hatte, und Natürlich Jamie – Meine Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterrezepte, das ich haben wollte, seit Florian und ich im Kochkontor den Caesar Salad aus eben diesem Buch gegessen haben. Vielen herzlichen Dank, ich habe mich sehr über das dicke Paket gefreut. Und gleich den Salat nachgekocht. War genauso lecker wie ich ihn in Erinnerung hatte.

Caesar Salad à la Jamie Oliver

Ich weiß, ich weiß, das Foto ist mies, aber die Tage werden kürzer und damit das Licht auf der Küchenfensterbank immer weniger. Deswegen fotografiere ich jetzt im Esszimmer unter der 240-Watt-Birne aus Zettel’z und nicht mehr mit natürlichem Licht. Was doof ist. Vielleicht lerne ich jetzt endlich mal die lustigen Farbregler im Photoshop kennen. Aber noch nicht heute.

Für vier bis sechs Personen.

4 Bio-Hähnchenkeulen mit Haut und
1 in mundgerechte Stücke zerrupftes Ciabatta
in einen Bräter legen und mit
3 abgezogenen Zweigen Rosmarin,
ordentlich Olivenöl,
Meersalz und
frisch gemahlenem schwarzen Pfeffer

würzen. Alles mit den Händen vermischen, bis alle Zutaten was von Öl und Gewürzen abbekommen haben, dann die Hähnchenkeulen auf das Brot legen und alles in den auf 200° vorgeheizten Ofen schieben. Nach 45 Minuten den Bräter herausholen und Fleisch und Brot mit

12 dünnen Scheiben Pancetta oder Frühstücksbacon

belegen. Für weitere 15 bis 20 Minuten in den Ofen schieben; das Fleisch ist fertig, wenn es sich mit einer Gabel mühelos vom Knochen lösen lässt. Den Bräter etwas auskühlen lassen.

Währenddessen den Rest des Salats zubereiten. Dazu

4 Sardellenfilets, in Öl, abgetropft, mit
1 Knoblauchzehe

im Mörser oder Mixer zu einer Paste verarbeiten. In eine Schüssel geben und mit

75 g frisch geriebenem Parmesan,
1 gehäuften EL Crème fraîche,
dem Saft einer Zitrone und
der dreifachen Menge Olivenöl

vermischen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

2–3 kleine Romanasalatköpfe waschen und trockenschleudern. Das Fleisch und den Speck zerrupfen und mit den Croutons darübergeben. Alles mit dem Dressing vermischen und noch eine Runde Parmesan frisch darüberhobeln.

Ich fand die Croutons eher nicht so toll; das könnte aber am bröseligen Öko-Ciabatta gelegen haben, das wir hatten. Nächtes Mal nehme ich herrlich weißes, total ungesundes Baguette. Mit dem habe ich auch die Knoblauchcroutons à la ad hoc gemacht, mit denen wir einen Tag später die Reste verzehrt haben. Die waren eindeutig besser. Den Rest des Salats fand ich allerdings ganz, ganz großartig. Beim nächsten Mal lasse ich das Fleisch und den Speck weg, denn das Dressing hat mit dem Salat alleine auch schon gut genug geschmeckt. Und den Croutons natürlich, von denen ich irgendwann mal ne Badewanne vollmachen werde.

Fußball gucken

Der Kerl und ich sind seit über sechs Jahren zusammen. In dieser Zeit haben wir so manche Stunde gemeinsam vor dem Fernseher verbracht: vor VH-1, um über alte Videos zu lästern und uns gegenseitig zu erzählen, wo wir sie zum ersten Mal gesehen haben und wie jung und unschuldig wir damals waren. Vor Premiere, um Filme zu gucken, bei denen ich keine Lust hatte, die DVD auszuleihen. Und vor gefühlt dutzenden von Sendern, auf denen Fußball läuft, American Football, Baseball, Leichtathletik, Wintersport (alles außer Eiskunstlaufen), Rugby, Eishockey und was es sonst noch so alles gibt, bei dem man sich die Lunge aus dem Leib rennen kann. Aber eben hauptsächlich Fußball.

Unser erstes Date fand im Kino statt, unser zweites war dann schon Footballgucken beim Kerl auf dem Sofa. Ich kannte sein Blog, in dem recht häufig über Sport geschrieben wurde und wusste daher, auf was ich mich einließ. Dachte ich. Football hatte ich vor der Beziehung auch schon gesehen, allerdings nicht viel mehr als den Super Bowl, aber als Amerika-Fan kannte ich mich trotzdem so ein ganz winziges bisschen mit dem Sport aus und hatte ein Brett-Favre-Trikot im Schrank. (Okay, ich hab’s mir für das Date gekauft, schon gut. Aber geistig hatte ich das schon vorher im Schrank. Inzwischen trage ich Peyton Manning in blau.) Auch Fußball war nichts Neues für mich: Papa erzählt heute noch gerne die Geschichte, dass der erste Fernseher im Hause Gröner pünktlich für die WM 1974 angeschafft wurde, der erste in Farbe dann für die WM 78, und mein erstes Spiel im Stadion war mit Papa die Begegnung Irland-Sowjetunion bei der EM 88 in Hannover. Die Spiele der Nationalmannschaft wurden bei uns immer angeschaut, und ich kenne bis heute mehr Namen der Mannschaft der WM 1982 in Spanien (Naranjitoooo!) als die der WM-Mannschaft des Sommermärchens 2006.

Aber Fußballgucken mit dem Kerl war anders. Als Sesselathlet hatte er natürlich das Premiereabo mit allen Sportkanälen, und daher war Samstag heilige Bundesligazeit. Andere Pärchen sehen sich unter der Woche nicht so häufig, aber dafür am Wochenende – wir haben uns von Anfang an so gut wie jeden Abend unter der Woche gesehen, aber dafür war am Wochenende getrennt sein angesagt: Kerl guckte Fussi, ich Filme. Jeder in seiner Wohnung, und jeder war glücklich damit.

Bis wir zusammengezogen sind und ich auf einmal die Gelegenheit hatte, mich auch mal um 15.30 Uhr vor die sagenumwobene Konferenz zu setzen und den deutschen Vereinen bei der Arbeit zuzugucken. Anfangs bin ich regelmäßig dabei eingeschlafen – Fußball hat so eine angenehm-eintönige Geräuschkulisse, außer in Südafrika –, aber irgendwann bin ich wachgeblieben und durfte feststellen, dass Vereinsfußball eine ganz andere Kiste ist als Nationalmannschaftsfußball.

Bisher war ich naiv davon ausgegangen: In der Nationalmannschaft spielen die besten Kerle, also muss auch der Fußball der beste sein. Was natürlich Blödsinn ist, weil Vereinsfußballer den lieben langen Tag miteinander trainieren können, während die Nationalmannschaft sich weitaus seltener sieht, um Spielzüge einzustudieren. Und so habe ich gemerkt, wie spannend Vereinsfußball sein kann und um wieviel attraktiver er anzuschauen ist. Nach und nach bin ich dann auch bei den Europapokal- und Champions-League-Spielen hängengeblieben, auch wenn ich dort eher auf Schnuckel geachtet habe als auf gute Spiele. Aber seit der letzten Bundesligasaison hat sich auch das geändert. Denn da habe ich blöderweise gemerkt, dass ich ausgerechnet Bayern München sehr gerne zuschaue.

Mein lokalpatriotisches Herz schlägt natürlich für Hannover 96, aber ich habe kaum ein Spiel von ihnen gesehen – außer wenn sie gegen den HSV spielen, dem der Rest meines Herzens gehört. Der Kerl sieht sich grundsätzlich alle Pauli-Spiele an, dann alle HSV-Spiele und dann alles andere. Daher kenne ich die HSV-Mannschaft einfach am besten, habe mir allmählich die Spielernamen merken können und gucke ein bisschen aufmerksamer zu. Und: Inzwischen achte ich nicht nur auf den Ball, sondern auch auf die Jungs, die den Ball gerade nicht haben. Ich erkenne so laaangsam die Spielsysteme, nach denen gebolzt wird, und ich erkenne ebenso langsam die Unterschiede zwischen den einzelnen Mannschaften. Ich mag inzwischen ein 0:0 lieber, wenn das Spiel taktisch faszinierend ist, als eine 8:0-Hinrichtung, bei der nur noch eine Mannschaft was vom Spiel hat. Und das ist, wie gesagt, die Schuld von Bayern München. Seit der Herr van Gaal die Jungs trainiert, gucke ich ihnen unglaublich gerne bei der Arbeit zu, weil so gut wie jedes Spiel einfach schön zum Zugucken ist: flüssig, taktisch klug, kein blödes Nachvornewerfen und Hail-Mary-Gekicke (der Kaiser nennt es Kick-and-Rush), sondern gezielte Aufbauarbeit im Mittelfeld und teilweise unfassbare Abschlüsse (Robben und Olic, I’m looking at you).

Die lustige Wortkombination „Aufbauarbeit im Mittelfeld“ kommt mir inzwischen ziemlich flüssig über die Lippen, denn mich hat es immer genervt, dass der Kerl so launig von „Rauten“ fabulierte, von der „Doppelsechs“ oder der „flachen Vier“, dass ich angefangen habe, mich auch theoretisch mit Fußball zu beschäftigen. Seit der WM ist Zonal Marking meine zweite Heimat, auch wenn ich mich sehr konzentrieren muss, um einen Eintrag zuende zu lesen; es fühlt sich fast an wie früher an der Uni Fachliteratur zu studieren, das kann man nicht mal eben so überfliegen. Und vor wenigen Tagen habe ich mein neues Lieblingsbuch beendet: Inverting the Pyramid vom Sportjournalisten Jonathan Wilson. Es beschreibt die Veränderung von Fußballtaktiken seit Beginn des Spiels bis heute. Der Titel kommt vom ersten System, das jemals gespielt wurde, einem 2-3-5, also zwei Verteidiger, drei Mittelfeldspieler und fünf Stürmer. Heute ist die Gewichtung genau umgekehrt; es stehen grundsätzlich mehr Verteidiger als Stürmer auf dem Platz, und die deutsche Mannschaft hat während der WM meist in der Formation 4-2-3-1 gespielt.

Seitdem ich mich mit Spielsystemen beschäftige, gucke ich Fußballspiele ganz anders. Auf einmal ist es gar nicht mehr so wichtig, ob ein Tor fällt oder nicht, es ist viel spannender, dem Fluss des Balls zuzuschauen, den Bewegungen der Spieler bzw. einer Linie – der Verteidigungslinie, wie sie die Abseitsfalle vorbereitet oder dem offensiven Mittelfeld, wie es sich gemeinsam nach vorne schiebt und die Stürmer füttert –, wie gut das Zusammenspiel funktioniert (Hallo, FCB) oder eben nicht (Hallo, HSV). Es ist auf einmal ästhetischer, Fußball zu gucken, wenn man weiß, warum die Jungs auf dem Feld so und nicht anders rumwuseln. Und als der Kerl und ich vor kurzem Liverpool gegen Arsenal geguckt haben und ICH DIE SYSTEME RICHTIG ERKANNT HABE UND DER KERL NICHT, war das wie Weihnachten. (Ich bin sehr einfach glücklich zu machen.)

Mit diesem theoretischen Rüstzeug bin ich sehr gespannt auf die neue Bundesligasaison, die heute startet, weil ich zum ersten Mal von Anfang an ganz anders dabei sein werde. Ich werde immer noch 96 die Daumen drücken, egal wie scheiße sie spielen, ich werde bei HSV gegen Pauli dem HSV alles Gute wünschen, während der Kerl für Pauli sein wird, und ich freue mich auf dutzende von europäischen Begegnungen, weil das wieder ein ganz anderer Schnack ist. Das einzige, was mich ein bisschen wehmütig macht: Ich gucke Spiele der Nationalmannschaft nicht mehr ganz so gerne, weil ich inzwischen weiß, wie großartig Vereinsfußball sein kann. Aber immerhin kann man bei denen Fahnen schwenken und hupend durch die Gegend fahren. Ist ja auch was.

Zitronenmuffins

Angeblich für zwölf Stück. Wie ich nach dem Backen – und dem Überquellen der Racker – feststellen durfte, reicht der Teig aber eher für 16 bis 18 als für 12 Muffins. Hier ist das Originalrezept für ungefähr 30 Stück (eine Kommentatorin meinte, sie habe 50 rausgekriegt).

80 g weiche Butter mit
180 g Zucker

schaumig schlagen. Das Originalrezept will deutlich mehr Zucker, aber ich will säuerliche Muffins. Zu der Butter-Zucker-Mischung nach und nach

1 TL Vanillesirup,
1 Ei,
140 g Jogurt (im Original Sour Cream) und
2 TL abgeriebene Zitronenschale

geben. Dazu die trockenen Zutaten:

240 g Mehl, Type 405,
1 TL Backpulver,
1 TL Natron und
1 Prise Salz.

Ich hab noch zwei Teelöffel Zitronensaft dazugegeben und würde beim nächsten Mal den kompletten Abrieb einer Zitrone in den Teig hauen, denn der kann ruhig noch zitroniger werden. Im auf 175° vorgeheizten Backofen 18–20 Minuten backen. Wenn die Muffins abgekühlt sind, noch nen Schlag Frosting obendrauf. Dafür

1 gehäuften TL weiche Butter mit
80 g Puderzucker vermixen. Nach und nach
2 EL Zitronensaft und, wer’s mag, noch
1 TL Vanillesirup dazugeben.

Wenn die Glasur zu wenig aussieht (sieht sie natürlich immer), noch ne Runde Puderzucker und bei Bedarf ein bis zwei Teelöffel Milch unterrühren, bis die Masse streichfähig wird.

Die Muffins sind die pure Fluffigkeit – so sehr, dass man sie kaum unfallfrei aus ihren Mützchen kriegt. Aber dafür schmecken sie sehr leicht und frisch.