The Guardian

Typischer Werbefilm für amerikanische Institutionen wie Marine oder Heer (jedes Klischee kriegt ein „check!“). Diesmal sind’s die Jungs und Mädels der Küstenwache, die zu Helden gemacht werden. The Guardian (The Guardian – Der alte Mann und das Meer Jede Sekunde zählt) (doofer deutscher Titel – check!) beschreibt die Ausbildung von lauter Jungspunden zu kernigen Rettungsschwimmern und -schwimmerinnen – jedenfalls habe ich zwei Alibimädels (check!) gesehen, von denen eine auch einen Satz sagen darf. Das ganze ist aber kein Baywatch, sondern eher Boot Camp.

Kevin Costner spielt einen altgedienten Rettungsschwimmer, der seinen besten Freund bei einem Einsatz verliert und dessen Frau gerade dabei ist, ihn zu verlassen (psychologischer Ballast – check!). Um wieder zu sich zu kommen (verständnisvoller Vorgesetzter – check!), wird er als Ausbilder an eine Eliteschule geschickt, wo er zusammen mit lauter Brüllchargen (Full-Metal-Jacket-Atmo – check!) die Seepferdchen zu Profis macht. Einer davon ist Ashton Kutcher (Neuling versus alter Hase – check!), der natürlich auch ein bisschen Ballast mit sich rumschleppt (dramatischer Zusammenbruch kurz vor Schluss – check!) und der im Laufe des Films beweisen muss, dass hinter seiner großen Klappe auch ein großes Talent steckt (vorhersehbare Story – check!). Das ganze dauert über zwei Stunden, und neben den ganzen Wasserspielen gibt’s auch eine Liebesgeschichte (check!), damit die Mädels im Kino nicht einschlafen, während die Kerle sich an den ganzen Machosprüchen aufgeilen dürfen: “There’s death – and there’s death!” (Platitüden, kernig rausgerotzt – check!) Natürlich gibt’s auch ein hochdramatisches Ende (check!), das viel zu spät kommt (check!) und den Film auch nicht mehr rettet (check!). Einmal gucken reicht völlig, wenn überhaupt – check!

Running with Scissors

Noch dämlicher als das Buch. Glaube ich, denn ich bin nach 30 Minuten eingeschlafen. Die literarische Vorlage für Running with Scissors (Krass) ist eine Autobiografie – wobei sich einige Kritiker nicht ganz sicher sind, wieviel von dem kruden Quatsch, den Autor Augusten Burroughs aufgeschrieben hat, wirklich passiert ist. Es geht um ihn, den kleinen unschuldigen Augusten, der damals noch keinen albernen Künstlernamen hatte und der mit einer egozentrischen Mama aufwächst, die ihn schließlich in der Obhut ihres Psychiaters lässt. Der lebt in einer vermüllten Villa mit seiner Frau und seinen Kindern, von denen einige gern mal auf den Teppich kacken und andere sehr spezielle legale Vormünder haben, zum Beispiel einen Pädophilen, der sich auch an Augusten ranwirft. Sowohl das Buch als auch der Film versuchen, die vielen Absurditäten mit Humor einzufangen, aber alles, was bei mir davon übriggeblieben ist, ist ein ganz widerlicher Geschmack im Mund und der Verdacht, dass das alles zu bescheuert ist, um wahr zu sein. Oder gar unterhaltsam.

For Your Consideration

Wenig überraschender Film über die Filmindustrie, Hollywood, Oscarbuzz, Entertainment-Magazine und Schönheitswahn in Los Angeles. For Your Consideration will sich über die gängigen Hollywoodklischees lustig machen, wird aber leider selbst zu einem.

Es geht um die Macher des Films Home for Purim: Schauspieler, die sich frühzeitig über angebliche Oscarnominierungen freuen, Produzenten, die die üblichen Anzugdeppen sind, die den Titel des Films ändern wollen, weil er zu jüdisch ist, die ganze Entourage aus PR-Fredels, die keinen einzigen verständlichen Satz rausbringen und TV-Moderatoren, die sich am liebsten selber zuhören. Die Dialoge sind teilweise von wunderbarer Absurdität, teilweise leider banal. Wie der Film ausgeht, ahnt man nach wenigen Minuten, und nur den vielen guten Darstellern (u.a. Catherine O’Hara, Parkey Posey, Harry Shearer, Jennifer Coolidge und Ricky Gervais) ist es zu verdanken, dass For Your Consideration immerhin halbwegs unterhaltsam geworden ist. Wenn ich auch irgendwann nur noch wissen wollte, wie Home for Purim nach der Umbenennung heißt.

Oscar-Nachlese

Batzman von den Fünf Filmfreunden zieht ein passendes Resumee der Oscar-Nacht.

Den schönsten Werbespot gibt’s bei den Mac Essentials.

Im Tippspiel von Dramaking habe ich mit drei wackeren Mitstreitern den zweiten Platz gemacht. Kann man nicht meckern. (Kann man wohl, aber ich verkneif’s mir. Ich schmeiße ja auch keine Spielbretter mehr um. Meistens.)

Und die schönste Zusammenfassung der Nacht kommt von den Mädels von Go Fug Yourself (bitte mal eben kurz das „Kleid“ von Faye Dunaway angucken), die fremdgebloggt haben:

„9:25 p.m. Ellen takes to the audience and chats up a very cheery Martin Scorsese, handing him a script to review. AND THEN THEY RUIN THE MOMENT WITH MORE INTERPRETIVE DANCE. Did we learn NOTHING from that time Rob Lowe danced with Snow White? Don’t dance! We know we’re supposed to be amazed when the dance troupe turns their bodies into little penguins, but it kind of freaks us out. Make the dancing stop.

9:30 p.m. Two notes into James Taylor’s song and we already want to bash our heads against the wall. Well, some of us do; a friend of ours is busy reminiscing about a synchronized swimming routine she once performed to “Whenever I See Your Smiling Face.” It’s like we don’t even know her.

9:31 p.m. Is anyone still awake? Aside from James Taylor? Even Randy Newman on the piano seems to be nodding off a tad.

9:33 p.m. Melissa Etheridge hears our call, apparently. Her song from An Inconvenient Truth is called “I Need to Wake Up.” We miss “It’s Hard Out There for a Pimp,” though; that’s a message that will never stop being important. Everyone in the audience puts on their Serious, Concerned About the Environment faces.“

Oscar 2007

0.44 Uhr. Ein Nachteil des Umzugs: kein Kabel Digital mehr. Also auch kein E!, das ich nie geguckt habe außer zur award season, weil die Labernasen auch nur auf Kleidergucken aus sind und nicht auf hintergründige Fragen auf dem roten Teppich. Diesmal muss ich also leider, leider ProSieben gucken und mir nach den wortfetzigen „Interviews“ auch noch dreimal so lange „Übersetzungen“ anhören. Außerdem ist das die erste Verleihung, die ich auf dem MacBook tippe, dessen Tastatur noch etwas gewöhnungsbedürftig ist. Was garantiert längere Korrekturzeiten nach sich zieht. Thank God for not live-blogging.

1.15. ProSieben fängt die Übertragung mit der üblichen Vorstellung der Kandidaten an. Ich köpfe lieber meinen Sekt und zappe noch ein bisschen durch die Blogs. Popkulturjunkie und dlisted, zum Beispiel. Der letzte postet brav Fotos, die ich arme E!-Lose schon mal angucken darf. Cameron Diaz muss dringend zum Friseur, und kann ihr bitte mal irgendjemand (ANYONE, PEOPLE!) ein Kleid schenken, das passt? Wer jetzt noch keine Gegenargumente für Scientology gefunden hat, braucht sich übrigens nur Kelly Prestons Leopardenkleid anzugucken. Und jetzt sehe ich das Foto von Jennifer Hudson, bei der man eigentlich zu 99 Prozent sicher sein darf, dass sie einen Oscar mit nach Hause nehmen wird. Das weiß sie sicher auch – und entscheidet sich trotzdem dafür, ihr wunderschönes, schokobraunes Kleid mit einem silbernen Lackbolero zu verschandeln. Ich geh nochmal aufs Klo und hoffe, dass CNN um 1.30 einsteigt.

1.23. CNN schaltet kurz zum roten Teppich. Cate Blanchett glitzert in silber. Hm. Kettenhemd für Mädchen, aber irgendwie schick.

1.29. Ich kann ProSieben nur mit ausgeschaltetem Ton ertragen. Fresse halten, Kleider zeigen. Ihr habt noch die ganze Nacht Zeit für eure albernen Einspieler.

1.35. Ah, der Teppich. Endlich! Die Crew von Das Leben der Anderen ist bei Stiewen. Keine Frau Gedeck? Herr Henkel von Donnersmarck ist verdammt groß. Und Ulrich Mühe sieht aus wie Bert Brecht.

1.44. Helen Mirren glitzert auch, ich glaube, in weiß. Die Kamera bleibt beharrlich auf Steven. Ah, jetzt kommt Frau Mirren. Eher gold aus weiß, schick, nicht aufgedotzt. Like it.

1.47. Adriana Barraza in schwarz mit rotgoldenen Trägern, Celine Dion in schlicht grün. Kennt man ja gar nicht von Celine, stilvolle Klamotten. Super, Ryan Gosling ist bei E. Und nicht bei ProSieben. Wollt ihr mich verarschen? Wenn schon kein Promi mit Steven reden will, dann schwenkt wenigstens mit der Kamera mal den Teppich rauf und runter.

1.52. Celine ist sogar ganz nett. Peter O’Toole wankt im Hintergrund vorbei. Einspieler von Jennifer Lopez, die erzählt, wie schön es auf der Berlinale war. Wenn ich mich an die Gossipblogs erinnere, wurde ihr Film ziemlich ausgebuht. Jennifers Kleid: grau, fließend, viel zu viele Perlencolliers, die Träger sein sollen. Meryl Streep in irgendeinem schwarzen Sack und den üblichen Ethnoketten. Ups, Meryl sagt gerade, dass ihr Sack von Prada ist. Steven nölt, dass sie wenig Platz haben. Immerhin zeigt er ins Gewimmele und erzählt uns, wer da rumläuft. Nix auf CNN.

1.56. Queen Latifah in schlichtschwarz sagt „Guten Tag“ auf deutsch. Auf dlisted taucht gerade ein Bild von Gwyneth Paltrows Kleid aus, das noch schlimmer ist als ihr pinkfarbener Alptraum, mit dem sie aussah wie die Tochter eines Autohausbesitzers. Oh, Scorsese ist nebenan. Forest Whitaker fand die Berlinale auch toll. Bisher bei den Kerlen noch keine Patzer. Alles Smoking. Schnarch. Wo ist Johnny Depp, wenn man ihn braucht?

2.00. God loves me. ProSieben übernimmt die Pre-Show von ABC. Chris Connelly sagt hallo und hat Leonardo am Mikro.

2.03. Nicole Kidman in knallrot und fieser Schleife als Kragen und Naomi Watts in hellgelb mit Schleife über dem Allerwertesten. Beide nett und beide langweilig.

2.05. Ich komme nicht über den Glitzerbolero weg.

2.07. Uh, Anne Hathaway auch mit Schleife, schwarz auf weißem Kleid. No-go. Emily Blunt in glitzerblau. No-go, weil fiese 80er Jahre. Beyoncé streckt mal wieder den Hintern raus (weiß und hochgeschlitzt, what else is new), und Jodie Foster ist wie immer schickes Understatement, diesmal in graublau.

2.12. Die kleine Miss Abigail Sunshine trägt rosa. Gleich adoptieren. Penelope Cruz mit sexy Akzent trägt Versace, was ja immer wie eine Verkleidung aussieht. Sind das Federn, aus denen ihr Rock besteht? Jada Pinkett-Smith schon wieder in gelbgold. Und Will hat verdammt wenig Haare. Oder sind sie grau? Jetzt darf Cameron Diaz auch reden. Will ich gar nicht hören. Ihr komisches weißes Irgendwas ist angeblich Valentino. Vintage 1983, I’d say.

2.15. Eddie Murphy mit trophy girlfriend. Wonder if Mel B is watching.

2.17. Cate Blanchett trägt Armani Privé. In case you cared. Der Server von dlisted hat gerade seinen Geist aufgegeben. Keine Bilder mehr für Anke.

2.22. Haha, Mark Wahlberg tut so, als wäre er ein Schauspieler. Dünn ist er geworden. Speaking of which: Zeit für das nächste Glas Sekt.

2.24. Hach, Kate Winslet in lindgrün, nur Ohrringe, keine Kette, Dutt in den blonden Haaren. Wie immer wunderschön. Die wievielte Nominierung ist das für sie? Die achte? Gebt ihr endlich den verdammten Preis. (Nicht dieses Jahr, da hab ich auf Mirren getippt.)

2.30. So, los geht’s. Schöner Einspieler, in denen die Nominierten vor einer weißen Wand stehen und ein bisschen reden. Clint erzählt, wofür er nominiert ist: “Best picture … director … that kind of thing.” Melissa Etheridge: “I was able to rhyme ‘inconvenient truth’. To ‘youth’.” Wow, und jetzt stehen alle im Publikum. Nice. (Ich will trotzdem ein Billy-Crystal-Medley hören.)

2.36. Ellen DeGeneres, logisch im Anzug, wird freudlich begrüßt. Jack Nicholson hat eine Glatze. Ellen: “This is the most international Oscars ever. I think I see a few Americans here, too. Of course I’m talking about the seat fillers. – Keep your speeches short. It’s not that we don’t have time for long speeches, but we have no time for boring speeches. So if you don’t have anything interesting to say, make something up. Say you’re from the Bronx or that you grew up in a car, people love that. – Peter O’Toole’s 8th nomination tonight. You know what they say, third time’s the charm. – Jennifer Hudson lost on American Idol but is here with an Oscar nomination. And Al Gore – America voted for him and he is also here. – So many different people are here tonight. I want to put this out there – without Jews, Blacks and Gays there would be no Oscars. Or no-one named Oscar.” Hm. Ziemlich lahme Rede. Jetzt rennt ein Gospelchor durchs Publikum.

2.44. Nicole Kidman und YAY Daniel Craig (ah, the hotness) präsentieren Best art direction. Was hab ich noch gleich getippt? Pan. And the Oscar goes to … Pan’s Labyrinth. Geht ja gut los. Uh-oh, der freundliche Spanier hat einen Zettel in der Hand, seine Kollegin darf gar nichts mehr sagen.

2.48. Maggie Gyllenhaal in einem arg einschnürenden blauschwarzen Ensemble erzählt was über die technical awards.

2.49. Oh Gott, Tänzer im Gegenlicht, die eine Oscarstatue bilden. Und Schnitt in die Werbung. Da bin ich ja fast dankbar.

2.52. Will Ferrell singt über Komiker, die nie Oscars kriegen. Jack Black kommt dazu und will alle Nominierten verprügeln. “Hey, Peter O’Toole, I’m gonna beat you with my Nickelodeon Award.” John C. Reilly kommt aus dem Publikum auf die Bühne und singt auch mit. Sinnlos, aber nett. Komplett mit Jazz Hands. Jetzt verleihen sie den Oscar für Make-up und zwar an: Pan’s Labyrinth. Zweimal richtig, Frau Gröner. Keep it coming.

2.59. Abigail Breslin und der Sohn von Will Smith verleihen Best animated short an … nein, zuerst will Sohnemann schon die nächste Kategorie ankündigen. Abigail rettet aber noch und verkündet: The Danish Poet. Daneben. Jetzt dürfen sie weitermachen: Best live action short film geht an West Bank Story. Richtig.

3.05. Statt der üblichen Einspieler dürfen anscheinend die Regisseure was zu ihren Filmen sagen. Clint redet jedenfalls gerade über Letters from Iwo Jima.

3.11. Ellen winkt kurz ins Orchester und kündigt den Sound Effects Choir an. Ne Menge Menschen, die nur mit Mund und Händen Sounds zu den Filmausschnitten hinter ihnen erzeugen. Hm. Irgendwie hat die diesjährige Verleihung was von Offenem Kanal.

3.13. Steve Carell und Greg Kinnear reden über Sound editing, das angeblich wie Sex sei: “It’s usually done alone, late at night and surrounded by technical equipment.” Und der Oscar geht an Letters from Iwo Jima. Während die Preisträger aus dem Publikum auf die Bühne kommen, gibt es aus dem Off ein bisschen was Wissenswertes über die Leute. Mal sehen, ob das bei den Kategorien wie Schauspieler oder Regie auch so bleibt.

3.17. Jessica Biel und irgendwer, der arg Schottisch klingt, verleihen Sound mixing an Dreamgirls. Jessica trägt übrigens was Schlichtes in Fuchsia und hat überhaupt keine Modulation in der Stimme.

3.20. Rachel Weisz, die ich wegen Make-up und Frisur kurz mit Dita von Teese verwechselt habe, redet über die best supporting actors. Jetzt kommen die Einspieler. Und der Oscar geht an … Alan Arkin für Little Miss Sunshine. Ich hab zwar auf Eddie getippt, aber Arkin ist schon so lange dabei, der darf ihn ruhig mitnehmen. Er stellt das Goldmännchen erstmal ab, zückt den Zettel und redet ziemlich unbeeindruckt über team experience und so weiter und so fort. Jetzt hätte ich doch lieber eine Rede von Murphy gehabt.

3.24. Ellen rennt mit Mikro im Publikum rum, das immer noch ziemlich ruhig ist. Kein Wunder bei der schnarchigen Show. Jetzt versucht Ellen, Scorsese ihr Script aufzuschwatzen, das angeblich eine Kreuzung zwischen Good Fellas und Big Momma’s House ist. Und schon sind wieder irgendwelche Tänzer auf der Bühne. Ich dachte, diese affigen Tanzeinlagen hätten wir schon 1995 beerdigt.

3.29. Clip aus The Departed.

3.30. Randy Newman und irgendjemand mit Gitarre spielen Our Town aus Cars, den ersten der fünf nominierten Songs. Ich schlaf gleich ein. Hätten sie nicht mit Patience oder einem etwas knackigeren Song anfangen können?

3.33. Ja, genau sowas. Jetzt kommt Melissa Etheridge und singt We need to wake up.

3.35. Al Gore und Leonardo DiCaprio kommen auf die Bühne. Leo: “We have a big crowd – is there anything you want to announce?” Angeblich ist der Oscar dieses Jahr officially green. Was auch immer das heißt. Leo will nochmal was aus Gore rauskitzeln, der auch brav mitspielt: “I want to use this opportunity to officially announce my intention of …” und natürlich geigt ihn das Orchester von der Bühne. Haha. Allmählich werde ich etwas cranky. Laientheater, doo. Gebt mir Glamour!

3.42. Ellen: “Because we are so green tonight I want to recycle some of my old jokes.” Cameron Diaz wackelt auf die Bühne, kann auch bei ihrer Anmoderation nicht stillstehen und verleiht Animated feature an Happy Feet. Schon wieder daneben. Ich brauch mehr Sekt.

3.45. Ben Affleck (jedes Jahr weniger Charisma) moderiert einen Clip über Autoren an. Ich mag Clips. Ed Wood, Barton Fink, The Shining, Shakespeare in Love, The Hours, Adaptation, Sunset Boulevard, Something’s Gotta Give, As Good as it gets undundund.

3.49. Helen Mirren und Tom Hanks (seltsames Paar) lesen Ausschnitte aus den Best adapted screenplays vor. Dann kommt der Clip. Und der Oscar geht an The Departed. Der erste Satz des Preisträgers: “Valium does work.”

3.59. Ellen hat sich umgezogen und trägt jetzt den Oscar wie ein Baby vor sich her (Oscar Björn). Dann kommen Emily Blunt und Anne Hathaway auf die Bühne und spielen nochmal ihre Rollen aus The Devil Wears Prada. “Meryl, we love you.” “Didn’t you get her a cappuccino?” “I thought you did.” “Look how she’s smiling as if she doesn’t care. – She’s such a good actress.” Schnitt auf Meryl Streep, die extrem unamüsiert aussieht – wie im Film. Die Anmoderation lasse ich mir gefallen. Und der Oscar geht an … Marie Antoinette. Sehr nervöse Preisträgerin. Die Kostüme aus allen nominierten Filme stehen übrigens im Hintergrund rum. Nett.

4.05. Bei den Klängen von Mission Impossible kann man ja schon ahnen, wer jetzt kommt. Tom Cruise verleiht den Jean Hersholt Humanitarian Award an Produzentin Sherry Lansing. Standing Ovation und ein schickes Kleid, das oben schwarz ist und unten rot wird. Aber mit so mageren Ärmchen wären lange Ärmel vielleicht besser gewesen. (Seit wann halten die Humanitarian-Award-Preisträger eine Rede? Oder hab ich die alle sofort verdrängt?)

4.10. Ellen ist wieder im Publikum. Clint beschwert sich bei Ellen, dass er nicht auch ein Script von ihr kriegt. Steven Spielberg macht von Clint und Ellen ein Foto. Dann moderiert sie den nächsten presenter an: “I have a lot in common with our next presenter. She’s married to Chris Martin – I have all his albums. Her first child is called Apple – I love them. She has won an Academy Award – and I saw her get it. Please welcome Gwyneth Paltrow.”

4.11. Gwynnie, deren Haare irgendwie festgeföhnt sind (Respekt), verleiht Best Cinematography an Pan’s Labyrinth. Ich bin raus. Zum ersten Mal mehr falsche als richtige Tipps. (Mehr Sekt zum Sofa, bitte. SERVICE! IST NOCH SCHOKOLADE DA?)

4.15. Die Tänzer tanzen Little Miss Sunshine, bis das Radeberger-Logo dieses lauschige Vergnügen böse stört. (Vielleicht Bier statt Sekt? Näh, jetzt ist die Flasche offen.)

4.19. Naomi Watts und Robert Downey Jr. (wuschelig) reden über Visual effects und verleihen den Oscar an Pirates of the Caribbean: Dead Man’s Chest. Sechs zu sechs. Alcohol does work, too.

4.23. Oh, großes Kino. Catherine Deneuve und … äh … Ken Watanabe (glaube ich) moderieren einen Clip mit fremdsprachigen Filmen an. Haha, da werden die Titel eingeblendet, aber bei jeder anderen montage gehen die Macher davon aus, dass man den Kram kennt. Im Publikum rührt sich keine Hand.

4.29. Cate Blanchett und Schnuffi Clive Owen (schwarzes Hemd zu schwarzem Smoking?) verleihen Best foreign language picture … immer noch kein Applaus bei den Clips … an: yes! Das Leben der Anderen! Das hätte ich nicht gedacht. Großartig! Mir hat der Film eindeutig besser gefallen als Pan. Glückwunsch an den sichtlich aufgeregten Herrn Donnersmarck.

4.33. George Clooney, der Gary Grant immer ähnlicher sieht, verleiht Best supporting actress an Jennifer Hudson, die sogar noch überrascht tut. Aber ich glaube ihr das Geheule sogar. “Look what God can do.” Ich stelle mir gerade vor, wie die Verlierer aus Deutschland sucht den Superstar den Deutschen Filmpreis kriegen. Jetzt rennt sie von der Bühne und beachtet Herrn Clooney gar nicht. Hello? Wake up, girl? Den Mann siehst du wahrscheinlich nie wieder.

4.41. Gael García Bernal und Eva Green (baby, kaum hast du keinen dialect coach mehr, ist dein Englisch noch ekliger als sonst) verleihen Best documentary short subject an The Blood of Yingzhou District.

4.44. Jerry Seinfeld? Was machst du bei den Oscars? Aber immerhin wacht das Publikum auf. Ah, er war vor einigen Jahren das Objekt einer Dokumentation (Comedian). Daher verleiht er auch Best documentary feature an An Inconvenient Truth. Haha, standing ovations, ihr Clowns. Und nach der Verleihung steigt ihr in eure Hummer. Nee, isklar. Aber Al Gore sagt dann doch noch ein paar Worte zum Klimaschutz. Und netterweise wird er nicht von der Bühne gespielt.

4.49. Das Motiv von The Good, the Bad and the Ugly begleitet Clint Eastwood auf die Bühne, der den Ehrenoscar für Ennio Morricone anmoderiert. Clips natürlich. Oh, jetzt fängt Frau Dion an zu singen. Und umgezogen hat sie sich. Mir egal. Die Ehrenoscars sind immer die Zeit für den Toilettengang oder Korrekturlesen. Natürlich standing ovation. Das Publikum klatscht sich selbst wach. Ennio bedankt sich gnadenlos auf Italienisch, Clint übersetzt.

5.06. Penelope Cruz und Hugh Jackman (was ist denn das für ne 70er-Jahre-Frisur?) verleihen Best score an Babel. Im Gegensatz zu den englischsprachigen Menschen spricht Preisträger Gustavo Santaolalla Babel nicht Bejbel aus, sondern Babéll. Auch hübsch.

5.09. Syd Ganis, el presidente, spricht im Zeitraffer über die Academy und was sie alles Tolles macht.

5.11. Tobey Maguire und Kirsten Dunst machen’s genau wie Mirren/Hanks: Ausschnitte aus dem Original screenplay vorlesen und dann den Clip zeigen. Der Oscar geht an Little Miss Sunshine.

5.15. Die Tänzer vergreifen sich an The Devil Wears Prada.

5.20. Jennifer Lopez in ihrem römisch angehauchten Kleidchen moderiert die letzten drei noch fehlenden Songs an, allesamt aus Dreamgirls. Jennifer Hudson trägt jetzt Glitzerrot statt Braun, hat aber anscheinend den Push-up-BH nicht gewechselt. Das nenne ich risky cleavage. Sehr schön, jetzt kann man mal die belanglose Beyoncé-Stimme mit dem fantastischen Hudson-Organ vergleichen. Und Herr Murphy mag anscheinend seinen Song nicht live singen. Hm.

5.28. John Travolta (“I love a full-figured woman who can stand in front of a camera and sing her heart out. But enough about me.”) und Queen Latifah vergeben den Oscar für den besten Song an I need to wake up aus An Inconvenient Truth. Melissa Etheridge bedankt sich erstmal bei ihrer Frau. Und dann bei Al Gore, der schon wieder Szenenapplaus bekommt. Vielleicht sollte er doch nochmal für die Präsidentschaft kandidieren.

5.34. Clip Little Miss Sunshine.

5.35. Will Smith redet über Amerika und seine Besonderheiten und lässt dann Filme sprechen, die von Michael Mann ausgesucht wurden. West Side Story. Birth of a Nation. Malcolm X. The Color Purple. Yadayadayada. Wo bleibt eigentlich der Clip mit den Verstorbenen des letzten Jahres?

5.40. Kate Winslet vergibt Best editing an The Departed.

5.44. Ah, da ist der Clip mit den Verstorbenen. Jodie Foster (loveyou) sagt ihn an. Unter anderem Glenn Ford, Bruno Kirby (schon wieder vergessen), Red Buttons, Richard Fleischer, Joe Barbera, Philippe Noiret, James Doohan, Carlo Ponti, Peter Boyle, Sidney Sheldon, Jack Palance, Jack Warden und zum Schluss Robert Altman.

5.51. Philip Seymour Hofmann (und wieder weiß ich nicht, ob ich seinen Namen richtig schreibe) im Golden-Globe-Outfit (hellblaue Krawatte, schwarzer Smoking, one suits fits all) moderiert mit seiner unnachahmlichen Samtstimme die besten Hauptdarstellerinnen an. Der Oscar geht an … ja klar, Helen Mirren. Wer sonst. Belanglose Rede, nur zum Schluss bedankt sie sich bei Queen Elizabeth II, ohne die sie auf keinen Fall hier wäre. “For 50 years, she has maintained her dignity, her (irgendwas) and – her hairstyle.” Dann hält sie den Oscar hoch: “Ladies and gentlemen, I give you – the Queen.”

6.01. Reese Witherspoon in etwas zu düsterem Schwarz für sie und langen Haaren verlieht Best actor an … ich hab auf Forest getippt, aber so ein bisschen hoffe ich noch auf Leo, auch wenn er für den falschen Film nominiert ist … näh, Forest Whitaker für The Last Kind of Scotland. Mal sehen, ob seine Rede ein bisschen mehr Pep hat als bei den Globes. Äh … ich glaube, das ist die gleiche Rede. Wieder der Schnulz vom Kind, das sich nicht hat träumen lassen, mal zu schauspielern … äh …

6.07. Jetzt werden die schweren Geschütze aufgefahren. Steven Spielberg, Francis Ford Coppola und George Lucas kommen auf die Bühne. Lucas beschwert sich, dass er noch nie einen Regie-Oscar gekriegt hat. Steven: “What are you doing here then?” Mal sehen, ob Scorsese jetzt endlich einen kriegt. Und der Oscar geht an … YES! Martin Scorsese. Die standing ovation glaube ich dem Publikum jetzt auch mal. Selbst Clint freut sich. Scorsese: “Could you double-check the envelope?”

6.11. Clip The Queen.

6.13. Jack Nicholson und Diane Keaton erwähnen nochmal die nominierten Filme. Und dann geht’s drum. Der Oscar für den besten Film geht an … The Departed. Richtig so. The Queen hätte ich mir auch noch gefallen lassen, aber das freut mich, dass The Departed gewonnen hat und nicht die Schnarchnummer Babel. Der Produzent quatscht jetzt ein bisschen viel. Wir wollen doch alle nach Hause gehen, gell?

6.16. Und Ellen sagt gute Nacht.

So froh war ich selten, dass die Show vorbei ist. Nicht, weil ich heute arbeiten müsste, nein, der Montag nach der Oscarnacht ist seit Jahren traditionell ein Urlaubstag. Aber diese Show war wirklich die langweiligste, an die ich mich erinnern kann. So gern ich Ellen DeGeneres mag, das war einfach nicht ihre Bühne. Da war ja selbst Letterman lustiger, und der war schon furchtbar. Hatte Jon Stewart dieses Jahr keine Lust? Von mir aus darf auch gerne nochmal Steve Martin ran. Aber ich vermisse Crystal wirklich mehr und mehr. Macht das nächstes Jahr besser, ihr Nasen! Weniger kuscheln, mehr glitzern, bitte.

Ach ja, wenn ich richtig gezählt habe, waren 15 meiner Tipps richtig und neun falsch. Miese Quote.

Oscar-Tipps 2007

Nachdem ich gestern endlich Dreamgirls geguckt habe, kann ich auch die Tipps für das Spiel vom Dramaking abgeben. Live gebloggt wird hier wie immer nicht, sondern alles steht brav morgen früh im Blog. Unsereins liest schließlich gerne Korrektur. Alle Nominierten auf einen Blick gibt’s auf der offiziellen Seite, und meine Tipps kommen jetzt:

Bester Hauptdarsteller: Forest Whitaker, The Last King of Scotland

Bester Nebendarsteller: Eddie Murphy, Dreamgirls

Beste Hauptdarstellerin: Helen Mirren, The Queen

Beste Nebendarstellerin: Jennifer Hudson, Dreamgirls

Bestes Originaldrehbuch: Little Miss Sunshine

Bestes adaptiertes Drehbuch: The Departed

Beste Regie: Martin Scorsese, The Departed

Bester Film: The Departed

So, und jetzt der ganze Rest:

Animated Feature Film: Cars

Art Direction: Eugenio Caballero und Pilar Revuelta, Pan’s Labyrinth

Cinematography: Emmanuel Lubezki, Childen of Men

Costume Design: Sharen Davis, Dreamgirls

Documentary Feature: An Inconvenient Truth

Documentary Short: Two Hands

Editing: Stephen Mirrione und Douglas Crise, Babel

Foreign Language Film: Pan’s Labyrinth (obwohl ich immer noch auf Das Leben der Anderen hoffe)

Make-up: David Martí und Montse Ribé, Pan’s Labyrinth

Original Score: Gustavo Santaolalla, Babel

Original Song: I need to wake up aus An Inconvenient Truth

Animated Short: The Little Matchgirl

Live-action Short: West Bank Story

Sound Editing: Christopher Boyes und George Watters II, Pirates of the Caribbean: Dead Man’s Chest

Sound Mixing: Michael Minkler, Bob Beemer und Willie Burton, Dreamgirls

Visual Effects: John Knoll, Hal Hickel, Charles Gibson und Allen Hall, Pirates of the Caribbean: Dead Man’s Chest

Dreamgirls

Dreamgirls war mal ein Broadwaymusical – und das merkt man dem Film leider zu sehr an. Die Geschichte ist vorhersehbar, ab und zu brechen die Akteure in Gesang aus, wo man auch ruhig einen Dialog aus dem Libretto hätte machen können, und weil man zwar drei Stunden im Theater zubringen will, aber nicht im Kino, ist das ganze auch noch verdammt zeitraffermäßig runtergekürzt – aber mit 131 Minuten komischerweise irgendwie zu lang. Ich bin ja die erste, die sich von sinnlosen Geschichten und Ohrwürmern einlullen lässt, aber Dreamgirls war mir doch eine Ecke zu weichgespült, zu platt und zu ratzfatzwegdamitabspann und schnell dazwischen noch 20 Songs runtergedudelt.

Die Story ist eigentlich ganz nett: Drei Mädels aus Detroit (Jennifer Hudson, Beyoncé Knowles und Anika Noni Rose) vergeuden ihr Gesangstalent bei Wettbewerben, bis ein Agent (Jamie Foxx) auf sie aufmerksam wird und ihnen einen Job als Backgroundsängerinnen beim derzeitigen Star der schwarzen Musikszene (Eddie Murphy) verschafft. Die Band, The Dreamettes, wird irgendwann besser als der Hauptakt, und schließlich singen sie alleine – allerdings mit einer Änderung, die Foxx vornimmt: Statt der stimmgewaltigen und etwas fülligen Hudson singt nun die schlanke Beyoncé die Lead-Stimme. Das gibt natürlich Ärger, Hudson will nicht mitspielen, Manager wechseln, der Komponist der Band, der Bruder von Hudson, weiß auch nicht mehr genau, was richtig ist, Foxx wechselt seine Bettgenossin und so weiter und so fort. Auf einer Musicalbühne hätte ich mir das alles gefallen lassen, denn bei einigen Songs ging mir schon das Mainstreamherz auf, während andere mich völlig kaltgelassen haben. Ich kam aber kaum dazu, mich in irgendwas reinzuhören, denn manche Lieder werden nur angerissen, andere ewig ausgewalzt. Und da man im Kino leider ins Leere applaudiert, fehlte mir auch dieser Theatereffekt, dieses wilde Klatschen, wenn eine Gesangsleistung mich bewegt hat, oder auch nur das Lachen, Schneuzen, Mitklatschen im Publikum.

Dreamgirls ist allerdings ein Fest für jeden Kostümdesigner, denn es gibt wahnwitzige Bühnenkreationen, die die Mode der 60er und 70er Jahre widerspiegeln. Die Perücken konnte ich irgendwann nicht mehr zählen, genau wie die Lidschattenfarben und Schuhe. Was mir aber aufgefallen ist: Am Anfang, als alle Mädels so um die 20 sein sollen, tragen sie nur sehr dezentes Make-up und kurze Haare. Und auf einmal sah Beyoncé, von der ich kein Video ertragen kann, weil sie in jedem fast so billig aussieht wie Mariah Carey, wunderschön aus, ganz zart und jung. Im Laufe des Films wird die Schminke allerdings wieder dicker und ich von ihr wieder gelangweilt. Aber Jennifer Hudson – meine Güte, die Dame kann singen! Der einzige Song, bei dem ich kurz davor war zu heulen, kam von ihr, als sie dem Rest der Welt ein trotziges „You’re gonna love me“ ihr Penner, entgegenschmettert. Davon hätte ich gerne mehr gehabt, ein bisschen mehr Aufregung, Drama, Herzblut. Und kein 08/15-runtergefilmtes Musiktheater.

Ein paar Oscar-Spoilers vor der großen Nacht.

„David Safier, 40, ist Drehbuchautor (Berlin, Berlin). In seinem Roman Mieses Karma (Kindler) wird eine Fernsehmoderatorin von einer herabstürzenden Raumstation erschlagen und als Ameise wiedergeboren. Safier lebt in Berlin.“

(Autorenvorstellung in der SZ unter diesem Artikel)

Eine standesgemäße Stabübergabe: Mamma Mia! mit den Songs von Abba verlässt Hamburg. Stattdessen gibt’s ab Dezember – Ich war noch niemals in New York. Ratet, mit wessen Songs.

(Ja klar geh ich da hin.)

Pans Labyrinth

El Laberinto del Fauno (Pans Labyrinth, MEX/E/USA 2006, 119 Min.)

Darsteller: Ivana Baquero, Sergi López, Ariadna Gil, Maribel Verdú, Doug Jones, Álex Angulo
Musik: Javier Navarrete
Kamera: Guillermo Navarro
Drehbuch: Guillermo Del Toro
Regie: Guillermo Del Toro

Offizielle Seite

Trailer

Es gibt Filme, nach denen ich mit Adjektiven nur so um mich schmeißen will. Pans Labyrinth (auf Deutsch gesehen, daher deutscher Titel) ist so ein Film. Er hat unglaublich satte Farben, die fast fühlbar sind. Er hat wunderschöne und schaurigschöne Fabelwesen, die bis zur letzten Hautfalte perfekt aussehen und sich perfekt bewegen. Er hat einen durchdringenden Klang, der für sich alleine schon Geschichten erzählt: das knarrende Leder der Handschuhe vom Hauptmann, das Knacken einer reifen Weintraube, die gegessen wird, die langen Fingernägel eines Fabelwesens, die bedrohlich auf die hölzernde Tischplatte klackern. Kurzum: Pans Labyrinth ist ein Fest für die Augen und die Ohren. Und trotzdem wurde das ganze von einem Adjektiv überlagert: belanglos.

Regisseur Guillermo Del Toro erzählt sehr gekonnt zwei Geschichten in einer: eine scheint real zu sein, die andere Fantasie. Die reale spielt in Spanien, 1944. Die kleine Ofelia reist mit ihrer schwangeren Mutter zu ihrem neuen Vater, einem Hauptmann, der mit einer Kompanie an blau uniformierten Soldaten in einer düsteren Mühle haust und Rebellen verfolgt, die sich in die Berge um die Mühle herum zurückgezogen haben. Schnell wird deutlich, dass der Hauptmann weder Ofelia noch ihrer Mutter besonders zugetan ist; er will nur seinen Sohn haben, dessen Geburt kurz bevorsteht. Ofelia flüchtet sich in ein steinernes Labyrinth in der Nähe der Mühle, wo sie eines Nachts einen Faun trifft, der ihr erklärt, dass sie eine Prinzessin sei. Sie müsse nur drei Prüfungen bestehen, und dann würde ihr Reich wiederauferstehen und sie Herrscherin sein.

Sie macht sich also daran, die drei Prüfungen zu bestehen. Ihre Ausflüge in die Fantasiewelt, in der es verwunschene Bäume gibt und Kröten, aus denen sie goldene Schlüssel holen muss, und fürchterliche Monstren, die Kinder umbringen, werden unterbrochen von der Realität, in der die Schwangerschaft ihrer Mutter nicht ganz wunschgemäß verläuft und der Hauptmann einen der Rebellen gefangen nimmt. Schon hier könnte man darüber nachdenken, ob diese Fantasiewelt nur im Kopf von Ofelia stattfindet und sie ein ganz simpler Mechanismus ist, um mit ihrer ungeliebten Umwelt klarzukommen. Ich persönlich wollte da nicht drüber nachdenken, sondern weiter dem Farb- und Klangrausch folgen – bis zur nächsten Metzelszene, bei der ich mir zum wiederholten Male die Augen zugehalten habe. Da reichte der Klang völlig. Der Hauptmann hat nämlich durchaus Spaß daran, seiner Umwelt Schmerz zuzufügen, und daran dürfen auch die Zuschauer ab und zu teilhaben. Die Szenen hätte ich mir gerne erspart, und ich bin auch immer noch ein wenig zickig darüber, dass ich sie über mich ergehen lassen musste. Dass der Hauptmann nicht unbedingt ein netter Kerl ist, war mir schon klar. Dafür muss ich nicht noch sehen, wie jemandem das Gesicht mit einer Flasche zertrümmert wird.

Ich habe die Fantasiewelt für bare Münze genommen. Aber selbst dann wollte sich dieses Filmgefühl nicht einstellen, auf das ich die ganze Zeit gewartet hatte: dieses mit offenen Augen im Kino sitzen und nur noch glückselig staunen. Ich habe den Film eher bewundernd denn begeistert mitangesehen, denn die Mühe und Detailverliebtheit, die die Set Designer, Kostüm- und Maskenbildner in Pans Labyrinth gelegt haben, sind wirklich bemerkenswert. Aber trotzdem hat mich das alles nicht mitgerissen. Vielleicht weil ich zu sehr damit beschäftigt war, tiefere Botschaften zu entdecken: Was symbolisiert die Kröte? Was die drei Zauberbernsteine? Wieso hat das kindermordende Monster keine Augen? Oder wenigstens nicht da, wo man sie erwartet? Ist das verbotene Festmahl mal wieder eine dusselige Anspielung auf die Ursünde, und wenn ja, warum? Steht Kreide für etwas? Heimliche Türen? Alraune? Milch mit Honig, verdammt nochmal? Ich hatte oft das Gefühl, dass del Toro viele wunderschöne Bilder und Szenenideen im Kopf hatte, bevor er das Drehbuch geschrieben hat. Und zum Schluss hatte ich das Gefühl, dass er das Buch um diese Szenen herumgeschrieben hat.

Mit dem Ende hat der Film allerdings 100 Sympathiepunkte bei mir gewonnen, denn mit diesem Ausgang hatte ich nicht gerechnet. Und selbst jetzt, nach dem Film, wo ich über alles noch einmal nachdenke und immer noch abwäge – Realitätsflucht? Oder ist sie doch eine Prinzessin? – glaube ich, dass man sich für beide Richtungen entscheiden kann. Noch ein Bewunderungspunkt für den Film: sehr schlau, sehr offen, jeder kann mitnehmen, was er will.

Ich hätte nur gerne ein bisschen mehr mitgenommen als ein „Ja, kann man machen“. Ich hätte mich gerne an den Kinositz geklammert und Ofelia atemlos bei ihren Prüfungen zugesehen. Ich hätte gerne etwas weniger Realität mitgekriegt – oder wenigstens etwas weniger blutige Realität. Ich hätte gerne die Stimmung der ersten zehn Filmminuten mitgenommen, als ein kleines, unschuldiges Mädchen in einem Märchenbuch liest, die Sonne scheint und der Wald grün und freundlich aussieht. Aber das ist eine Lektion, die Ofelia im Film lernt und unsereins jeden Tag: Die Welt ist nicht immer freundlich, und nicht jede Geschichte steht in einem Märchenbuch.

Aber gerade bei einem optisch und akustisch so faszinierenden Film wie Pans Labyrinth hätte ich gerne eine Märchenbuchgeschichte gehabt. Vielleicht ist es das, was mir ganz persönlich den Film verleidet hat: mein Wunsch nach einer heilen Welt, die es selbst in einer Klein-Mädchen-Fantasie nicht mehr gibt. Und wahrscheinlich nie gab.

So, jetzt kann man den Herrn Shhhh auch wieder lesen, nachdem da gefühlte drei Monate das Genöle über irgendeine Weinhandlung stand.

Meine Google-Alerts sich auch nicht mehr das, was sie mal waren: Da müssen erst Alexander und Oliver zu mir linken, damit ich über einen Artikel in der Mitteldeutschen Zeitung vom Dezember 2006 stolpere. Darin versammeln sich mal wieder die üblichen Vorurteile über das Bloggen („Einen Internetanschluss, einen Computer, ein passendes Blogging-Programm und ein möglichst ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis bei niedriger Schamgrenze – mehr braucht es nicht zur großen Literatour durch das eigene Leben“), ein paar Blogger werden (ohne Link oder Adresse) genannt und worüber sie schreiben (außer dem Textspeier kannte ich keinen), und dann steht da eben auch was über mich:

„Das machen die Menschen gern – und manchmal machen sie ihren Lieblingsblogger damit sogar ein klein bisschen berühmt. Wie Anke Gröner, die am Anfang nur keine Lust mehr hatte „fünf Leuten nacheinander zu erzählen, wie doof Pearl Harbor war“ und ihre Filmkritiken deshalb einfach auf eine Webseite stellte. Vier Jahre später ist daraus nicht nur ein Archiv so ziemlich aller Filme geworden, die in deutschen Kinos starteten, sondern nebenbei auch ein Landkarte des Lebens der 36-Jährigen, die ihren Freund schnippisch den „Kerl“ nennt und nebenher ein wenig in Kiefer Sutherland und den neuen Bond Daniel Craig verliebt ist.

In der Bloggerszene ist Anke Gröner jedenfalls ein Star, der eine feste Fangemeinde hat wie Oliver Gassner oder Alexander Endl. Gröner ist schon in Büchern besungen worden, Gassner lehrt Neulinge kreatives Schreiben und Endl hält in der wirklichen Welt Vorträge über das Internet und darüber, wie es die gesamte Gesellschaft morgen schon verändert haben wird.“

Ich bin allerdings schon 37, gucke durchaus Filme, die nie in deutschen Kinos waren (straight to video, baby), bin nicht „ein wenig“ in Kiefer verknallt, sondern bis an mein Lebensende, nenne meinen Kerl nicht schnippisch Kerl, sondern voll mädchenhafter Hingabe und wurde meines Wissens auch noch nicht in Büchern besungen. (Meinten Sie vielleicht Blogs!?)

Aber schön, dass wir nicht drüber gesprochen haben. Pffft.

Ich mochte an dem Artikel, dass der Autor anscheinend schon ein bisschen in die Blogs reingelesen hat, die er beschreibt; okay, in meins vielleicht nur fünf Minuten, aber immerhin. Ich mochte an dem Artikel nicht, dass er Weblogs mal wieder auf Tagebuchgekritzel runterdummt. Er lässt die gesamte Bandbreite, die Blogs haben, völlig außer Acht, erwähnt weder Blawgs noch Toonblogs noch themenspezifische Blogs über Werbung, Macs, Spar-Supermärkte, Computerspiele, Stricken, Katzen, Callgirls, Polizeinotrufe oder Fotos von Einrichtungen oder so einzigartige Blogs wie das Bildblog. Man hätte auch die Blogcharts mal verlinken können, wo die Bandbreite ganz gut dargestellt wird.

Aber es ist natürlich wie immer einfacher, das ganze als persönliches Buchstabengemurmel darzustellen. Fünf plus, setzen.

Children of Men

Nach Children of Men habe ich mich ziemlich ausgelaugt gefühlt: so, als ob mir jemand mal wieder die Wahrheit über uns dämliche Menschheit erzählt hätte, der ich sonst großflächig ausweiche. Manchmal schalte ich um, wenn die Tagesschau zu blutig wird, ich überspringe Zeitungsartikel, die mir sagen, dass wir in 50 Jahren keine Luft mehr zum Atmen haben, und ich klicke keine Links an, die irgendwo das Wort „Terror“ im Tag haben. Children of Men beschwört eine dieser Endzeitvisionen, nur noch ein bisschen anstrengender: Er spielt mit der Idee, dass im Jahre 2009 der letzte Mensch dieser Welt geboren wird. Danach erleiden alle Frauen Fehlgeburten bzw. werden überhaupt nicht mehr schwanger.

Die Zeit: 2027. Der Ort: England, optisch nicht viel anders aus heute, nur grauer und lebloser, überflutet von Immigranten, die gnadenlos ausgewiesen werden und sich deshalb viel blutiger als heute zur Wehr setzen. Der Film albert nicht rum mit seltsamen Automodellen oder komischen Kostümen, sondern ahnt wohl, dass wir uns nicht mehr großartig ändern werden. Und deshalb ist seine Geschichte auch so bedrückend. Clive Owen wird von seiner Ex-Frau, die er seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat und die sich inzwischen einer Untergrundbewegung angeschlossen hat, um Papiere angehauen für eine illegale Immigrantin, die unbedingt außer Landes geschafft werden muss, denn: Sie ist schwanger. Nach und nach wird klar, was die Bewegung mit der Schwangeren vor hat, worauf sich eine abenteuerliche Flucht durch ein Endzeitlondon entwickelt. Eine Ruhepunkt zwischen all der Gewalt und Hoffnungslosigkeit sind Michael Caine, der einen langhaarigen Kiffer überzeugend darstellt, und wenige weitere Menschen, die noch an das Gute glauben.

Children of Men funktioniert, weil er eine Prämisse vorgibt, die wir einfach hinnehmen, weil sie sich gar nicht so falsch anfühlt. Er funktioniert durch eine (leider) sehr glaubwürdige Handlung und durch viele gute Darsteller, unter anderem Chiwetel Ejiofor, Julianne Moore und Pam Ferris. Aber er ist verdammt anstrengend. Hoffnungsvoll anstrengend.

The Departed hat auch meinen musikalischen Horizont etwas erweitert: um die Dropkick Murphys und ihren Song I’m Shipping up to Boston. Ich hol jetzt mein Akkordeon aus der Abstellkammer.