Cars (USA 2006, 116 Minuten)

Originalstimmen: Owen Wilson, Paul Newman, Bonnie Hunt, Cheech Marin, Tony Shalhoub, Michael Keaton, Richard Petty, Katherine Helmond, Jeremy Piven
Musik: Randy Newman
Drehbuch: Dan Fogelman, John Lasseter, Joe Ranft, Kiel Murray, Phil Lorin, Jorgen Klubien
Regie: John Lasseter

Offizielle Seite

Trailer

Cars erzählt eine sehr altmodische Geschichte: Ein hochnäsiger Großkotz wird aus seiner üblichen Umgebung gerissen, muss sich an einem ihm fremden und unangenehmen Ort zurechtfinden, entdeckt, dass er selber ein Blödmann ist und der unbekannte Ort gar nicht so schlecht, kehrt in seine Welt zurück, wird jemand anderes, besseres, alles wird gut, der Zuschauer hat ein wohlig-warmes Bäuchlein beim Abspann, und Anke wischt sich mal wieder ein gerührtes Tränchen von der Backe. Pixar eben. Cars hat mich in keiner Sekunde überrascht, als es um das Grundgerüst der Story ging. Aber als es um die kleinen, liebevollen Details ging, die eine unterschwellige, andere Story erzählen, hat Cars mich in jeder Sekunde im Griff gehabt.

Dieser Jemand, der aus seiner Umgebung gerissen wird, ist in Cars ein – na? Auto. Ein Rennwagen, um genau zu sein. Owen Wilson spricht den schnöselig-arroganten Lightning McQueen, der als erster Rookie den Piston Cup gewinnen will. Außerdem will er einen neuen Sponsor, noch mehr Groupies und am besten alles sofort. Natürlich kommt es anders: Auf dem Weg nach Kalifornien strandet Lightning in Radiator Springs, einem halb verlassenen Kaff an der Route 66.

Die ersten zehn Minuten des Films sind wahnwitzig rasant – man sieht das Autorennen, das nicht ganz nach Lightnings Geschmack endet, weswegen ein neues Rennen in Kalifornien anberaumt wird. Aber trotz der Geschwindigkeit und des lauten Soundtracks musste ich mich erstmal an den Gedanken gewöhnen, Autos zuzugucken, die Augen haben, deren Stoßstangen Münder formen – und die ein Rennen austragen, das von anderen Autos als Zuschauer betrachtet wird. Ich hab’s mir logisch so zurechtgelegt, dass es quasi ein Lauf ist, der da stattfindet, denn die Autos können ja keine Autos fahren. Es hat ein bisschen genervt, dass man überhaupt über sowas nachdenken musste, obwohl ich in anderen Trickfilmen anstandslos hingenommen habe, dass Insekten, Meeresbewohner oder Spielzeuge ein Eigenleben führen und sprechen können. Trotzdem war es ungewohnt, Autos zu sehen, die sich aufführen wie Menschen, inklusive Rennreporter, Fans und Mechaniker. Autos, die Autos reparieren. (Ich fang schon wieder an, darüber nachzudenken.)

Wenn man den Kopf also ignoriert und sich daran gewöhnt hat, Autos zuzusehen, kann man endlich anfangen, den Film zu genießen. Eigentlich beginnt er erst, sobald Lightning in Radiator Springs ankommt. Dann nämlich entfaltet Cars seinen eigenen Charme, dem ich völlig erlegen war, der aber Leuten, die Amerika und alles, was dafür steht, doof finden, wahrscheinlich richtig auf den Zeiger geht.

Cars ist ein Roadmovie im besten Sinne. Denn es geht nicht nur um Autos, sondern: um eine Straße. Lightning reißt aus Versehen die Main Street des kleinen Örtchens auf und wird von Doc (Paul Newman, ja, der Paul Newman) dazu verdonnert, sie wieder instand zu setzen. Im Laufe der Reparaturarbeiten lernt er die restlichen Bewohner des Dorfes kennen: den Hillbilly-Lastwagen Mater, der nur noch von Rost zusammengehalten wird und eine Seele von Mensch, nein, Blech ist; die beiden amerikanischen Straßenkreuzer Flo und Ramone, die die Tankstelle (übersetzt: die Bar) betreiben; die beiden italienischen Kleinwagen Luigi und Guido, die Reifen verkaufen und davon träumen, einmal einen Ferrari als Kunden zu haben (den bekommen sie später, und gesprochen wird er von keinem geringeren als einem gewissen siebenfachen Formel-1-Weltmeister); den blitzblanken Porsche Sally, der aus L.A. ins heartland geflüchtet ist – und eben Doc, einen brummigen, beeindruckenden Schlitten aus den 50er Jahren, hinter dessen Stoßstange ein Geheimnis schlummert, das Lightning verändern wird.

Natürlich sind die Charaktere wie aus dem Baukasten für Drehbuchschreiber: Wünsche, Konflikte, Erwartungen, alles da, und alles wird genauso eingelöst wie geplant. Macht aber nichts, denn was mir persönlich an Cars so gut gefallen hat, war der hemmungslose, naive Glaube an Amerika und an seine ganz traditionellen Werte; daran, dass in Kleinstädten alle zusammenhalten und alles irgendwie gut wird (anstatt dass sie eine Brutstätte für Rednecks sind); daran, dass jeder seinen Traum erfüllen kann, und daran, dass dieses Land – oder ein winziges Stück davon – allen Bewohnern so wichtig ist, dass sie daran festhalten anstatt es aufzugeben, um irgendwo anders nochmal von vorn anzufangen.

Cars erzählt von den Bewohnern einer Stadt, die sich dagegen wehren, dass der Fortschritt ihre Stadt sterben lässt. Und Cars bebildet diese Geschichte mit purer Tourismuswerbung – natürlich auf Pixar-Art. Die Landschaft ist angelehnt an Arizona, New Mexico, Texas und dem Grand Canyon, aber eine Hügelkette am Horizont sieht verdächtig nach der Cadillac Ranch aus und die Berge erinnern an Kühlerhauben und Vergaser. Lightning und Sally cruisen durch wogende Wälder, aufregende Serpentinen und beenden die Fahrt schließlich an einem riesigen Wasserfall. Natürlich ist das alles Pixelkram, aber allein die Erwähnung der Route 66 und der bewusst ausgewählte Soundtrack („Life is a highway“) verführen dazu, sich zu wünschen, man könne genau da einmal langfahren.

Cars macht ganz unverhohlen Werbung für Amerika, denn selbst wenn die Route 66 nicht erwähnt worden wäre – dieser Film kann nirgens anders spielen. Der Fetisch Auto hat hier eine ganz besondere Bedeutung, die endlosen Highways, die Drive-in-Restaurants, Drive-in-Banks und Drive-in-Churches sind eine amerikanische Erfindung, und auch wenn die Deutschen ihre Karren über alles lieben, sind diese doch nicht so lebenswichtig wie in den USA. Cars schafft es aber trotzdem, kein pures patriotisches Spektakel zu sein. Denn natürlich retten die vielen, vielen, vielen Gags den Film davor, ganz fürchterlich platt zu werden. Es gibt mal wieder Unmengen von kleinen und großen Einfällen – angefangen bei Käfern, die umhersummen, die natürlich auch Autos sind: beetles (oder bugs) eben. Ein Wecker ist eine kleine Garage, aus der ein hupendes Auto fährt (haben wollen! MERCHANDISE!). Ein Hummer (das Auto, nicht das Krustentier) spricht mit eindeutig österreichischem Akzent, und die Trucks haben selbstverständlich trucker caps auf. Das Schönste waren aber die Referenzen an Pixar und die bisherigen Werke (vielleicht ein kleiner Hinweis an die neue Mutterfirma Disney, dass der Laden ganz genau weiß, was er schon geleistet hat): Auf einem Telefondraht rauschen blitzschnell die birds an uns vorbei, die Reifenfirma beim Rennen heißt nicht Goodyear, sondern Lightyear, und im Abspann (unbedingt angucken) laufen im Autokino (wo sonst) Toy Car Story, Monster Trucks, Inc und natürlich A Bug’s Life – mit Spielzeugautos, Monsterautos und Insektenautos.

Cars ist sicherlich nicht so „erwachsen“ wie The Incredibles und nicht ganz so kindlich-wundervoll wie Finding Nemo. Er ist von der Animation nicht so atemberaubend, auch wenn ich beim Anblick einer nächtlichen Spazierfahrt, auf der sich das Neonlicht in den langen Linien eines Autos gespiegelt hat, Gänsehaut gekriegt habe. Er ist schon fast mehr Disney als Pixar, weil er sich nicht ganz so schräg anfühlt, und ich ahne, dass er nur in Amerika richtig gut laufen wird. Aber er lohnt sich trotzdem. Allein für das Gefühl, aus dem Kino zu kommen und an einer Ampel einen Smart neben einem alten Benz stehen zu sehen und sich zu überlegen, was die beiden sich wohl gerade erzählen. Und wie knuffig sie sich zuzwinkern.

Cars startet am 7. September in Deutschland.

„Stil essen Thema auf“

Andrea Diener kommentiert sehr schön und sehr ausführlich den diesjährigen Bachmannpreis (via Litkara). Hier steht der Siegertext von Kathrin Passig, die, wie die meisten ja wohl schon mitgekriegt haben, unter anderem für die Riesenmaschine schreibt.

Read me (NOT!)

Bei der Buchhändlerin gefunden: Welche zehn seltsamen Bücher hast du im Schrank? Schau’n mer mal:

1. Die Frau aus der DDR-Reihe Kleine Enzyklopädie von 1968. Hat mir mein bester Freund aus irgendeinen Antiquariat mitgebracht. Handelt von – na? der Frau, und zwar wie sie so aussieht, wie sich im Sozialismus zu fühlen hat, was es zu essen geben könnte und wie man aus alten Vorhängen Kleider näht. Ach nee, das war ja Vom Winde verweht.

2. Dianetik von L. Ron Hubbard. Ein Geschenk (logisch). Ich hab’s brav angefangen zu lesen, fand’s auch nicht dumm und hab irgendwann die ganzen schönen Scientology-Schlagworte im Mund (und im Kopf) gehabt. Dann hat mir mein damaliger Freund das Buch weggenommen und mir verboten, es weiterzulesen. Guter Junge.

3. Schülerentschuldigungen von Jochen Sperber. Ehemaliger Lehrer an unserer Schule, der aus Spaß mal die gesammelten Werke seiner Zöglinge, die keine Lust auf die ersten zwei Unterrichtsstunden hatten, als Buch zusammengetragen hat. Klingt lustiger als es ist.

4. Executive Style – Looking it, living it. Ebenfalls von meinem besten Freund, diesmal ein „Wollen-wir-nicht-mehr“-Exemplar der Uni Leipzig, so weit ich mich erinnere. Das Buch ist von 1983 und wollte Frauen beibringen, sich so zu kleiden, wie man sich 1983 als Portfolio-Managerin eben zu kleiden hatte. Ist heute ziemlich gut als Faschingsvorlage. Aber die Frisuren kommen alle wieder.

5. Zehn Bücher, deren Titel und Verfasser mir ü-ber-haupt nichts sagen, weswegen ich auch nicht weiß, wo sie in meinem penibel alphabetisch geordneten Regal stehen. Die Werke waren Teil eines dieser legendären 2001-Buchpakete: Zehn Bücher für wahnwitzig wenig Geld, aber dafür wusste man auch nie, was man kriegte (glaube ich mich zu erinnern). Einmal bestellt, zwei von den Dingern gelesen, den Rest einsortiert und vergessen.

6. Perestroika von Michael Gorbatschow. Musste man ja haben. Nie reingeguckt.

7. The Satanic Verses von Salman Rushdie. Musste man ja haben. Nie reingeguckt.

8. Nichts als die Wahrheit von Dieter Bohlen. Musste man ja haben. Ich hab’s in anderthalb Tagen durchgelesen und mich ziemlich gut unterhalten.

9. Das große Bonsai-Handbuch. Ich wollte immer Bonsais haben. Dann hab ich zwei Seiten in dem Buch gelesen, gemerkt, wie viel Arbeit das macht und bin lieber ins Kino gegangen.

10. Das Kapital von Karl Marx, alle drei Bände, in blaues Leder gebunden. Bücher waren halt so schön billig im Osten. („Hier, neh’m Se noch fünf Lenins mit, wenn Sie ihre Schangelmünzen vor dem Grenzübertritt wieder loswerden wollen.“)

Warum Kiefer Sutherland schuld daran ist, dass ich beim Kaffeetrinken immer rauchen will

Filme beeinflussen uns. Nicht nur, dass wir uns wünschen, unser Partner würde ein bisschen mehr wie George Clooney oder Cameron Diaz aussehen, nicht nur, dass wir gerne die ganzen traumhaften Appartements bewohnen wollen würden, die wir in Filmen sehen und die stets freien Blick auf den Eiffelturm oder wahlweise andere Sehenswürdigkeiten haben, nein: Filme beeinflussen uns in Kleinigkeiten. Manchmal ziemlich blöden Kleinigkeiten.

Als Out of Africa (Jenseits von Afrika) ins Kino kam, waren eine Saison später die Laufstege von Paris und Mailand voll mit Klamotten, mit denen man prima auf Fotosafari gehen konnte – oder wenigstens so aussah, als wäre man gestern noch in Kenia gewesen, selbst wenn man Tippse in Bochum war. Als Terminator 2 die Leinwände beglückte, wollten plötzlich alle Frauen auch so kraftvolle, definierte Oberarme wie Linda Hamilton haben, die Blechfresse Robert Patrick vermöbelte und Arnie einschmolz. Und als Clark Gable in It Happened One Night (Es geschah in einer Nacht) als erster Mann auf der Leinwand unter seinem Hemd kein Unterhemd mehr trug, wollte halb Amerika plötzlich auch keins mehr haben. Die L.A.Times schrieb damals: “It almost wrecked an industry.”

Natürlich kann sich jetzt jeder hinstellen und behaupten, dass ihn Filme (oder Bands oder Bücher oder was auch immer) nicht die Bohne beeinflussen. Ich kann das leider nicht. Dafür gucke ich viel zu viele Filme, und dafür liebe ich sie zu sehr. Ich liebe das Gefühl, im Kino zu sitzen und zu vergessen, dass ich im Kino sitze. Wenn mich ein Film richtig erwischt, bin ich bei den Schauspielern auf der Leinwand, und dann möchte ich sie auch nach dem Abspann nicht sofort wieder gehen lassen. Weswegen ich mich nach manchen Filmen ziemlich albern aufführe.

Nach Thelma & Louise habe ich eine ganze Packung Zigaretten lerrgeraucht, weil die beiden Mädels den kompletten Film lang quarzen als gäbe es kein Morgen mehr (die beiden wussten wohl schon früh, wie der Film ausging). Nach Four Weddings and a Funeral (Vier Hochzeiten und ein Todesfall) wollte ich mir die Haare wie Kristin Scott Thomas schneiden lassen. Und nach The Fast and the Furious musste ich mich sehr zusammenreißen, nicht mit 200 km/h durch die Stadt zu rasen. Aber am schlimmsten hat mich Flatliners erwischt, ein Film von 1990, der es eigentlich nicht verdient hat, dass man ihn sich mehr als einmal ansieht. Die Story von fünf eifrigen Medizinstudenten, die sich selbst ins Jenseits defibrillieren, um zu gucken, wie der Tod wohl so ist, ist nicht unbedingt ein Meilenstein der Kinogeschichte, und ich glaube, der Film war nur deshalb ein mäßiger Erfolg, weil Julia Roberts mitgespielt hat (bis heute eine der vielen Filmfrauen, die im BH wiederbelebt wurden). Ich war damals hoffnungslos in Kiefer Sutherland verknallt und gestehe hiermit öffentlich, gnadenlose 30 Mal Eintritt bezahlt zu haben, um den meiner Meinung nach aufregendsten Mann Hollywoods in seinem weißen, gestärkten Hemd zu beobachten. Wie er sich mit seinen sanften Medizinerhänden durch die blonden Haare fuhr. Wie er Kevin Bacon vollnölte. Wie er sich von einem Halbwüchsigen mit einem Eishockeyschläger verprügeln ließ und sich anschließend vor dem Spiegel mit nacktem Oberkörper selbst die Wunde nähte.

Es gibt eine Szene, die Flatliners für mich so besonders macht. In dieser Szene sitzen die Studenten nachts in einem Diner. Dabei hält Herr Sutherland eine Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand, und mit den restlichen Fingern balanciert er in derselben Hand eine Kaffeetasse. Er nimmt einen Schluck Kaffee und hält weiterhin die Zigarette fest, der Rauch kräuselt sich malerisch um ihn herum, und ich war damals der Meinung, diese Art Kaffee zu trinken und zu rauchen, wäre der Ausbund an Coolness. Was dazu führte, dass ich nach jeder Kinovorstellung bei McDonald’s saß, bedeutungsvoll in die Nacht starrte, Kaffee trank, rauchte und dabei peinlich genau darauf achtete, den Plastikbecher und die Zigarette so zu halten wie Kiefermaus.

Und das tue ich komischerweise bis heute. Wann immer ich mit Kollegen oder Freunden zusammensitze, habe ich Zigarette und Tasse in der rechten Hand und trinke, ohne die Zigarette abzulegen. Dann erinnere ich mich jedesmal an das irrationale Gefühl, einen Film so sehr zu lieben, dass man ihn sich dutzende Male anguckt, selbst wenn man intellektuell ahnt, dass es Blödsinn ist. Aber dem Herz ist der Kopf meist egal. Mich hat es 30 Mal glücklich gemacht, Kiefer Sutherland beim Rauchen zuzugucken. Und es hat mich danach noch unzählige Male glücklich gemacht, mich daran zu erinnern, dass mich ein Film 30 Mal glücklich gemacht hat.

(Dieser Text stand schon mal im Encore-Magazin, aber ich möchte ihn in mein Archiv retten, daher gibt’s hier heute ein bisschen was Aufgewärmtes. Nehmt euch ruhig nach.)

Gefühlsmäßig wieder da, wo ich schon vor einem dreiviertel Jahr war. Should I stay or should I go? Damals auf die Karte „Ersma guckn“ gesetzt, inzwischen von den Umständen etwas weichgekochter. Menschen, dir mir etwas bedeuten, werden mir weiterhin fehlen, Menschen, die mich fürchterlich nerven, könnte ich entkommen. Mein Bauch nölt nach Veränderung, mein Kopf kann sich noch nicht entscheiden. Aber er neigt sich schon in eine Richtung. Die vom Bauch. Schon wieder ein Abschied. Waren aber auch genug Raten jetzt.

Jetzt muss ich nur noch in mich reinhorchen, wo ich hin will.

Regisseur Eric Steel hat einen Film über Selbstmörder gedreht, die von der Golden Gate Bridge springen: The Bridge. Mehrere Festivals, darunter auch Cannes und Berlin, haben den Film abgelehnt – auf dem Tribeca Film Festival ist er letzte Woche allerdings gelaufen. Steel verteidigt den Film als Dokumentation, einige Angehörige, mit denen er Interviews geführt hat, fühlen sich allerdings nicht ganz so wohl. Get your suicides here, folks:

It’s not hard to kill yourself at the Golden Gate bridge. There is only a 4ft safety rail separating the sidewalk from the void, and 98% of suicide attempts there have succeeded. The predictability of deaths there is such, in fact, that Steel was able to film 23 of the deaths in 2004 at the site. From dawn to dusk every day of the year, he and his small crew worked from two mini-DV cameras on each side of the bridge: south, at San Francisco’s Battery East, and north, on a fishing pier at Fort Baker in Marin County. One was for the wide-angle view, one for close-up telephoto shots. He had uninterrupted access to everything that happened during daylight hours on the east side of the bridge, with its seductive panorama of San Francisco, Angel Island, Alcatraz, and the East Bay. That is the only side that allows pedestrians, and it closes at nightfall.

He had to lie to do it. He needed a permit from the National Park Service, which administers the bridge in tandem with the powerful Golden Gate Bridge Highway and Transportation District, led by a board of political appointees. He wrote in a letter to a bureaucrat at the Golden Gate National Recreation Area in November 2003: “This is meant to capture the powerful, spectacular intersection of monument and nature that takes place every day at the Golden Gate Bridge. It will be the first in a series. Future projects are to focus on the arch in St Louis and the Statue of Liberty in New York City.”

No one twigged. Fourteen months later, in January 2005, after shooting nearly 10,000 hours of footage of the bridge and 100 additional hours of interviews around the country, he emailed Mary Currie, public affairs director of the District, to request access to records and assorted bridge personnel – and confessed. “I believe the film will allow us to see into the most impenetrable corners of the human mind and challenge us to think and talk about suicide in profoundly different ways,” he wrote. Implicit in his message was the need for a preventive measure more reliable than the ineffective foot patrols and cameras currently in place. Currie went right to the local press – and they ate it up. “Film Captures Suicides on Golden Gate Bridge,” ran the headline in the San Francisco Chronicle the following week. “Angry Officials Say Moviemaker Misled Them.”

Don’t go away, Welt zu Gast bei Freunden

Ich war eben einkaufen.

Kurz Klamotten shoppen, dann ab zu Ikea und ins Gartencenter, erst gucken, dann Kleinkram mitnehmen und schließlich auf dem Nachhauseweg noch entspannt im Supermarkt vorbeifahren, um ein, zwei Bierchen für die Fußballspiele mitzunehmen.

Einkaufen. Am Sonntag. In Deutschland.

Ich vermisse die WM schon jetzt.

“I’m too old to cry and it hurts too much to laugh”

Beim Film über die Kennedys auf 3sat dauernd heulen müssen.

Tage? Stars and Stripes in Zeitlupe? John-John, der am Sarg salutiert? Gemeine mädchenhafte Rührung? Egal. Heul doch.

Meine Faszination für das amerikanische Präsidentenamt könnte allerdings auch an meinem derzeitigen Lesestoff liegen: Ich sprinte gerade durch Front Row at the White House von Helen Thomas, der legendären Journalistin, die seit John F. Kennedy jeden Präsidenten als Reporterin im Weißen Haus beobachtet hat. Liest sich zwar etwas unstrukturiert – und natürlich ist die Presse immer nett und alle anderen eben kooperationsunwillig; in der Clinton-Biografie liest sich das genau andersrum, daher wird wohl die Mitte hinkommen –, aber man bekommt einen schönen Einblick in die Arbeit des White House press corps und ein bisschen Geschichtsunterricht im Schnelldurchlauf.

(Das Zitat in der Überschrift stammt aus dem Buch, ist angeblich von Adlai Stevenson und hat mit diesem Eintrag im Prinzip nichts zu tun. Aber es klingt so schön.)

Zeitschriften im Test: Golfpunk

Genau wie Plock! versucht Golfpunk eher die jüngere Klientel anzusprechen. Also Leute, die nicht schon in den 60er Jahren das Golfspiel erlernt haben. Da hören die Gemeinsamkeiten der beiden Magazine aber auch schon auf.

Erstens sind die Artikel in Golfpunk deutlich länger, was mir persönlich gut gefallen hat. Der Stil ist ein bisschen lockerer, was aber auch an der guten Übersetzung liegen kann – denn Golfpunk kommt aus Großbritannien, und ein Großteil der Artikel wird anscheinend übernommen. Die Originalausgabe hat sogar ein Weblog, das ich mir aber noch nicht näher angeschaut habe. Das Layout ist deutlich typolastiger und weniger klar gegliedert als in Plock!. Passt so aber ganz gut zum Inhalt. Meine Lieblingsrubrik, die mich zuerst wegen ihres Titels abgeschreckt hat: Golf Porn. Dahinter verbirgt sich netterweise ein wunderschöner Golfplatz, einsam im Morgenlicht. Neben diesem Porno gibt’s noch mehr auf die Augen, nämlich eine Modestrecke mit Golfklamotten, die man sogar freiwillig anziehen würde. Ich erwähnte ja bereits mein Entsetzen darüber, dass ich mir Poloshirts anschaffen musste, weil einige Clubs es nicht goutieren, wenn man kragenlos spielt. Jetzt hab ich ein paar nette Inspirationen, die über meine üblichen adidas-Shirts hinausgehen.

Leider hat auch Golfpunk ein paar Seiten, die mich nicht die Bohne interessiert haben bzw. sogar etwas verstimmt zurückließen. Die deppige Rubrik „Bunker Babes“ ist genau das, was ihr Titel vermuten lässt: Bikinimiezen, die noch billiger als die FHM-Schnepfen aussehen, räkeln sich sinnbefreit in Sandhindernissen oder um Equipment herum. Und was das halbnackte Model auf dem Titel mit „Punk“ zu tun haben soll, weiß ich auch nicht. Ich nehme an, dass Golfer in der Mehrzahl dem männlichen Geschlecht angehören, und ich ahne auch, dass dieser Sport genauso viele Idioten anzieht wie nette Menschen, aber irgendwie hatte ich in meinem naiven, kleinen Herzen gehofft, dass es noch ein Refugium gäbe, in dem sex nicht unbedingt sellt. (Was sowieso eine Lüge ist, wie wir Werber wissen.) Über den obligatorischen Schlägertest sage ich jetzt mal nix mehr, denn der kommt mir genauso überflüssig vor wie der in Plock! und in jedem anderen Magazin. Finde ich als doofer Anfänger jedenfalls. Aber vielleicht komme ich in ein paar Jahren ja doch noch auf die Idee, mir vorher in Zeitschriften eine Meinung zu Ausrüstung zu bilden, die ich auf jeden Fall im Geschäft antesten möchte. Dann dürft ihr mir diesen Eintrag gerne hämisch unter die Nase halten.

Weil Golfpunk keinen tollen Bildschirmhintergrund hat (eher das Gegenteil – wobei: der ist schon ziemlich lustig), gibt’s auch keinen Sympathiepunkt. Ich denke nicht, dass ich Stammleser von einem der Magazine werde – vielleicht aber stattdessen von beiden, um die jeweils guten Artikel oder Kommentare zu lesen und den Rest nölig zu überblättern. Ich werde mir auf jeden Fall von beiden noch mindestens eine Ausgabe gönnen. Ist vielleicht wie mit fiesem Käse oder herbem Wein. Muss man sich auch erst rankosten.

(Nächste Erscheinungstermine: Golfpunk 14. Juli, Plock! 28. Juni)

Ich bin mal mindestens haltbar.

Zeitschriften im Test: Plock!

(Rubrik natürlich von Franziskript geklaut)

Plock! hat einen schönen Titel, festes Papier, ist gut lesbar und nicht zu dick. Leider ist es auch ziemlich brav, was mich überrascht hat ob des wie gesagt schönen Titels, hinter dem ich etwas mehr Unkonventionalität vermutet hätte.

Wer es noch nicht geahnt hat: In Plock! geht es natürlich um Golf. Es gibt diverse Porträts, mal etwas ausführlicher, meist relativ knapp gehalten, über z.B. Henrik Stenson oder Ian Woosnam. Im Klartext: Namen, die keiner kennt, der sich nicht ein bisschen ausführlicher mit diesem Sport beschäftigt. Randgruppen-Entertainment at its best. Dazu kommen Reportagen, ähnlich in der Länge, über Burner wie eine dänische Fabrik, die Golfschuhe produziert, oder das Deutsche Golf Archiv, das sich keinen Bindestrich leisten kann.

Wie in jedem Golfmagazin, das ich am Kiosk durchgeblättert habe, muss auch hier ein Schlägertest sein. In diesem Fall ging es um die nicht uninteressante Frage, ob man bei Komplettsätzen beschissen wird oder sie eine Alternative zu einem persönlichen fitting sind. Überraschung: Das Zeug ist okay, kann man machen, muss man aber nicht. Danke für diese fünf Seiten.

Optisch macht Plock! auch nicht viel her. Alles schön aufgeräumt, bleierne Zweispaltigkeit und biedere Farben (schwarz, rot, ab und zu türkis – wenn das mal nicht zu gewagt ist). Es ist zwar eine nette Abwechslung zu Feierblättchen wie dem Golf Journal (das sich auch keinen Bindestrich leisten kann), das sich liest wie die Men’s Health für Leute, die keinen Sex mehr haben, aber es ist trotzdem kein ganz großer Wurf.

Ich möchte das Magazin nicht komplett verreißen. Für mich als Neuling ist es ganz interessant, ein paar Bröckchen über den Sport, seine Protagonisten und seine Peripherie mitzukriegen. Aber mir fehlt ein bisschen der Spaß. Plock! tut so, als wäre es was wahnwitzig Neues, kommt aber so banal daher wie das Lufthansa-Bordmagazin. Und das gibt’s umsonst. Dann doch lieber das Golf Journal, das nettere Kolumnen hat und auf den Seiten verstreut ein paar Golfer-Sprüche, die ich sofort in meinen Smalltalk-Zitatschatz aufgenommen habe, wie z.B. den wunderbaren Satz von John Daly, übergewichtig, Kettenraucher und Klassegolfer: „Wer braucht Fitness, wenn es gutes Equipment gibt?“

(Aber für den Bildschirmhintergrund gibt’s nen Sympathiepunkt.)

Hehe.

„Bis Samstag hatten wir es mit recht “normalen” Ergebnissen zu tun. Allenfalls die Höhe war manchmal sensationell. Aber seit Samstag sind alle Hemmungen in Sachen Favoritenstürze gefallen. Das ist das Terrain wo die Sekretärinnen in Bürotippgemeinschaften den Boden auf die Experten wieder gut machen, wo plötzlich Tipps der Güteklasse “dem deren Stürmer hat so niedliche Sommersprossen” mehr Wahrheitswert haben, als das gegenseitige Aufrechnen von Systemen oder Stürmerqualitäten. Das sind die Phasen einer WM, wo all das angesammelte Wissen aus 192 Qualifikationsspielen und dem Afrika-Cup einfach vom Umstand geschlagen wird, dass die Trikots von Ghana sehr schick sind.“

allesaussersport, Pflichtlektüre zur WM. Und sonst auch.

Aus dem SZ-Magazin vom letzten Freitag. Seit drei Wochen gibt es die neue Rubrik „Sagen Sie jetzt nichts“. Boris Becker war ganz nett, Waldemar Hartmann ging gar nicht, aber Ulrich Wickert ist ganz große Kunst. Mein Liebling ist das letzte Bild. Und auf gar keinen Fall das dritte.

lorem ipsum

(Ich muss hier einen Eintrag hinschreiben, sonst suppt der Wickert- so in den Emilia-Eintrag rein, der ja auch mit einem Foto anfängt, und das mag ich aus optischen Gründen nicht, daher seiere ich jetzt hier ein paar Zeilen hin … hm … über was könnte ich wohl schreiben? Ah, klar, über Golf, das kommt ja immer gut an. Gestern war ich – natürlich – mal wieder auf dem Platz und habe zum ersten Mal alleine neun Löcher gespielt. Ebenfalls eine Premiere: Ich bin vom Flight vor mir durchgewunken worden, weil ich schneller war. Ha! Die drei waren aber auch mehr damit beschäftigt, Bälle zu suchen als sie zu schlagen, daher haben sie mir signalisiert, jo, mach, schlag zwei-, dreimal, und dann ordnen wir uns hinter dir ein. Ich hab bloß gedacht: Versau’s nicht, während sie zugucken, versau’s nicht, während sie zugucken, aber ich hab’s nicht versaut, ganz im Gegenteil, sechs Schläge auf der 1 (Par 4), sechs Schläge auf der 2 (Par 4, das Loch, an dem ich sie überholt habe), fünf Schläge auf der 3 (Par 3, verdammt, wieder vier Putts gebraucht), und so ging’s weiter, nicht überragend, aber doch schön solide, kein einziges Mal neben das Fairway gehauen – also so weit daneben, dass man suchen musste oder das Rough seinen Namen wirklich verdient hätte; ich hatte eine schöne Länge und war halbwegs in der Richtung, in die ich wollte – bis zum Loch 6, the evil hole, das einzige Par 5 in Moorfleet und laut der Scorekarte auch das schwierigste: Abschlag bis zum ersten Biotop, dann da drüber, aber nicht zu lang, denn da wartet entweder das Aus oder schon das nächste Biotop, und zwar nicht einfach so geradeaus, sondern im Knick nach rechts, und dann kommt ein gebogenes Fairway, das schmaler kaum geht und ein paar Bäume und irgendwo dahinten das kleine winzige Fähnchen auf dem kleinen winzigen Grün … um’s kurz zu machen: Es hat mich drei Bälle gekostet, die ich alle mit sicherer Hand in die Biotope gehauen habe.

Innere Stimme (großkotzig): „Komm, die Länge hast du drin, gestern auf der Range bist du mit dem Siebener immer an die 100 Meter weit gekommen, da kommst du doch locker über dieses kleine Bächlein weg.“

Hände, Hüfte, Arme, Füßchen (bibbernd): „Jetzt ganz vorsichtig.“

Ball: platsch!

Anke (ergeben): „Aaaaaand – welcome to the game, ball number 2! Oh, 3 already? 4? My goodness.“

Dafür hab ich den 8-Meter-Putt auf dem Grün von Loch 6 nur knappe fünf Zentimeter neben das Loch gespielt, aber das hat’s dann auch nicht mehr rausgerissen. Das Komische: Ich hab mich nicht mal drüber geärgert, wenn ein Putt oder ein Schlag nicht geklappt haben (nur ein bisschen, nur einen Moment und alles, ohne an Kraftausdrücke zu denken). Dafür hat es viel zu viel Spaß gemacht, einfach so über den Platz zu schlendern, keinen mehr hinter mir zu haben, die Ruhe zu genießen und zu merken, dass die Übungen, die ich in der Woche auf der Range oder auf dem Übungsgrün mache, sich gaaaanz laaaangsam auszahlen. Mein neuer bester Freund ist übrigens das Pitching Wedge, mit dem ich vorgestern 50 Bälle aufs Grün geschlagen habe, um dann geschätzte zwei gleich beim ersten Mal einzulochen. Grmpf.

Das müsste jetzt an Blindtext reichen. Übrigens vielen Dank für eure ganzen Mails, in denen mir diverse Leute schreiben, dass sie allmählich Lust bekommen, selbst mal einen Schläger in die Hand zu nehmen. Vielleicht schenkt mir der DGV ja einen Tankgutschein. Oder lädt mich in seine WG ein.)