Lady Marmalade

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag schlug um 1.55 Uhr eine eher unfreundlich formulierte Lesermail bei mir auf, die sich klangvoll über meine Kritik zu 300 aufregte und nicht umhin kam, bei all dem Schaumspucken über spartanische Erziehung und Wahrheitsgehalt der Story arg persönlich zu werden. Ich empfinde die Kritik gar nicht als so fiesen Verriss, aber vielleicht hat hansgeorg51 keine Medikamente mehr im Haus oder im normalen Leben genauso viel Schwierigkeiten mit Distanzwahrung wie in Elektropost. Egal. Jedenfalls hat mich sein sicherlich mühevoll komponiertes Oeuvre zu folgendem Tweet hingerissen:

Und genau das mach ich jetzt. Arschloch hansgeorg51, this is for you:

belFruit 75% Frucht

In belFruit 75% Frucht geht es um eine Aprikose. Oder besser gesagt: um viele von ihnen. Wie sie sich zusammenfinden, eine Gemeinschaft bilden und schließlich ihre gewonnene Stärke ausspielen: mehr Frucht als Zucker. Im Gegensatz zu anderen Marmeladen vom gleichen Regisseur liegt hier der Fokus ganz klar auf den Hauptdarstellern, den Aprikosen. Gut, die Nebenfiguren Zucker, Pektin und Citronensäure dürfen auch mitspielen, aber sie halten sich über die gesamten 320 Gramm eher im Hintergrund. Denn wie der Titel schon sagt: 75 Prozent, baby. Endlich mal eine gelungene Charakterdefinition, endlich mal eine Hauptfigur, die hält, was uns das Filmplakat verspricht.

Die Story selbst ist relativ schlicht: pflücken, verarbeiten, abfüllen, gegessen werden. Wobei wir nur den letzten Teil wirklich zu sehen bekommen; der Rest erscheint in gelblichen, teils grobstückigen Bildern nur als Andeutung. Das reicht aber auch völlig, denn sonst wäre die Marmelade viel zu ausufernd geworden. So beschränkt sie sich auf genau die richtige Dauer und zieht einen so über ihre gesamte Länge in ihren Bann.

Ein bisschen was zu nörgeln habe ich allerdings trotzdem. Die Dialoge sind mir zu schlicht gehalten, ja man hört außer dem schluppigen Schlotzgeräusch beim Rauslöffeln nur noch ein zartes Pfllllptt beim Brotaufstrich – ansonsten schweigt belFruit 75% Frucht über die gesamte Filmlänge. Und auch beim Titel möchte ich den Übersetzern wie so oft eine reinhauen, denn zu der Unterzeile „Viel Frucht“ eine weitere Unterzeile namens „Feel good“ hinzuzufügen, ist ein bisschen sehr viel des Guten. Mal abgesehen davon, dass ja schon der Titel aus zwei Teilen besteht, die man vielleicht auch etwas weniger posh hätte formulieren können.

Dafür haben die Setdesigner gute Arbeit geleistet. Das Glas ist feingeschwungen, aber nicht zickig, und das lustige Alumützchen auf dem Schraubverschluss sorgt für die dringend nötige Prise Humor in einem Film, der sonst in Gefahr geraten wäre, zu süßlich daherzukommen. Wer also ein entspanntes Frühstück ohne viel Kopfschmerzen genießen will, dem kann ich belFruit 75% Frucht wirklich ans Herz legen.

PS: Und der Soundtrack ist natürlich auch toll.