Diarios de motocicleta

Sehr atmosphärischer Film über eine Reise per Motorrad, per Anhalter und zu Fuß, die Ernesto „Che“ Guevara und sein Freund Alberto Granado Anfang der 50er Jahre unternehmen. Ihr Weg führt sie aus dem heimatlichen Argentinien durch Chile bis nach Venezuela und Peru, wo beide in einer Lepra-Kolonie arbeiten. Auf ihrer Reise treffen die beiden viele verschiedene Menschen, die ihrerseits in vielen verschiedenen Umständen leben. Die Erfahrungen der Reise, so behauptet es jedenfalls der Film, hat aus dem behüteten Mediziner Guevara einen anderen gemacht: einen sozialkritischen Mann, der die Umstände in seinem Land und auf seinem Kontinent verändern will.

Diarios de motocicleta (Die Reise des jungen Che) lässt sich sehr viel Zeit für die einzelnen Episoden und ihre Figuren. Jede Person und ihre Geschichte verändert Ernesto ein wenig. Etwas von seinem „Erwachsenwerden“ bzw. von seiner Berufung wird im Laufe des Film spürbar; er wirkt zum Ende des Films reifer und entschlossener, aber auch realistischer. Seine Welt ist nicht mehr heile, kleine Blase, aus der er zu einem längeren Urlaub aufgebrochen ist. Ihm ist klargeworden, dass die Welt für viele Menschen eine Herausforderung ist, manchmal eine, der man nicht siegreich begegnen kann, weil die äußeren Umstände einen nicht lassen. Ein Dialog zwischen den beiden Freunden und einem Wanderarbeiterpärchen macht die Situation deutlich. Die beiden haben ihr Land verloren und müssen nun durch die Gegend reisen, um jeden Job anzunehmen, der sich ihnen bieten. Auf ihre Frage, warum die beiden Argentinier unterwegs seien, antworten diese fast beschämt: „Wir reisen, um zu reisen.“

Der Film ist mir persönlich ein bisschen zu lang geworden; gerade die sehr ausführlich geschilderte Episode in der Lepra-Kolonie hat mir nicht mehr viel Neues gezeigt. Trotzdem hat mir Diarios de motocicleta gefallen. Einmal – natürlich – wegen Gaél Garcia Bernal als Guevara, dann wegen seiner vorsichtigen Erzählweise und außerdem wegen seiner wunderschönen Bilder aus Südamerika. Allein der Blick über Machu Picchu lohnt den Film. Und ich habe selten ein Road Movie gesehen, das seine Bezeichnung mehr verdient hat.

2 Antworten:

  1. Ich hab den Film vorletztes Wochenende gesehen und hab ihn genau so empfunden, wie Du es hier schreibst, was mich freut, weil ich als ich sah, Du besprichst den Film hier gleich gedacht habe: Jetzt bin ich gespannt, was Anke dazu sagt. :)

  2. Und genau das habe ich auch gedacht: “Was wird wohl hier zu diesem Film stehen…”

    Was mich als Guevara-Fan gefreut hat: Der Film hält sich in großen Teilen an die Riseaufzeichnen von Ernesto. Wenn auch vieles – aus zeitlichen Gründen – in einer Szene zusammengefasst wurde erzählt er doch schön die Reise, wie man sie auch in den Aufzeichnungen lesen kann.
    Vielleicht liegt es auch daran, dass Alberto teilweise bei den Dreharbeiten dabei war…