Bücher 2010 – April

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Martina Meuth/Bernd Neuner-Duttenhofer – Wo die glücklichen Hühner wohnen

Die beiden Verfassenden kochen seit gefühlten Jahrzehnten in den öffentlich-rechtlichen Programmen rum; ich persönlich habe ihnen des Öfteren in diversen Servicezeiten zugeguckt und mich immer sehr puschelig-aufgehoben bei ihnen gefühlt. Auch wenn sie mir manchmal zu viel darauf rumreiten, dass, ein erdachtes Beispiel, der Speck eines bestimmten Schweins von der Schwäbischen Alb der einzig wahre ist und alle anderen total doofe Loser sind, kommt bei ihnen doch immer der Wunsch nach wirklich gutem Essen rüber. Sei es ein schlichter Salat als Vorspeise oder der extrem aufwendige Braten, der 24 Stunden im Rohr vor sich hinschmurgelt. Das Buch liest sich dann auch genauso: Die beiden erzählen sehr persönlich von gutem Essen, respektvollem Zubereiten, guten Zutaten, woran man sie erkennt und warum das so wichtig ist, und sie bieten netterweise gleich dutzende von Webadressen an, bei denen man sich auch als Städter eindecken kann. Manchmal klingt zwar auch hier das arg Missionarische durch, aber ich habe das Buch wirklich sehr gerne gelesen und fühle mich ganz schlicht in meinem Vorhaben bestätigt, weiterhin auf gute Qualität zu achten. Zum Beispiel nicht nur möglichst oft, sondern möglichst immer Biofleisch zu essen, am besten vom Metzer um die Ecke und nur in Notfällen aus dem Supermarkt. Oder eben gar nicht.

Rachel Polonsky – Molotov’s Magic Lantern: A Journey in Russian History

Ich habe das Buch nach ungefähr 250 Seiten etwas zwiegespalten weggelegt. Die Grundidee finde ich sehr clever und charmant: Polonsky darf sich nach dem Tod von Wjatscheslaw Molotow durch seine Bibliothek wühlen und verknüpft die Bücher, die sie findet, mit Geschichten über die russische Geschichte und Kultur. Hört sich toll an, hat mich aber andauernd beim Lesen einschlafen lassen. Ich kann nicht mal genau sagen, was ich an ihrem Stil jetzt so unfassbar schnarchig fand, aber ich habe mich wirklich bei fast jedem Absatz dabei erwischt, irgendwann nicht mehr mitzulesen, sondern nur noch mit den Augen den Buchstaben zu folgen, während mein Kopf ganz woanders war. Vielleicht weiß ich einfach viel zu wenig über Russland bzw. die untergegangene Sowjetunion, um die vielen, vielen Geschichten, Geschichtchen und Anekdoten zu würdigen; vielleicht haben mich die ganzen Namen schwindelig gemacht, keine Ahnung. Ich würde euch das Buch sehr gerne empfehlen, weil ich es sehr schlau fand und sehr durchdacht, aber wie gesagt: Ich habe es einfach nicht über mich gebracht, es wirklich gerne zu lesen.

Anne Enright – The Gathering

Enright beschreibt aus der Perspektive einer Tochter eine gesamte dysfunktionale Familie, die nach dem Selbstmord eines Sohns zur Beerdigung zusammenkommt. Dabei verschwimmen Gegenwart und Vergangenheit, Wahrheit und Fiktion. Die Tochter ersinnt parallele Biografien, überlegt, wie ihre Großeltern sich kennengelernt haben mögen und was ihr Bruder im Moment seines Selbstmords gedacht haben könnte. Ich habe fast jeden Satz des Buchs als sehr sezierend empfunden; nicht nur als beschreibend, sondern als tiefergehend, wühlend, nie mit dem Oberflächlichen zufrieden seiend. Das macht The Gathering nicht unbedingt zu einem Gute-Laune-Buch, aber zu einem, das einen sehr unmittelbar an vielen Emotionen und Beobachtungen teilhaben lässt und danach fies an einem kleben bleibt.

Ulrich Drees – Das Spiel des Asen

Frau Ninifaye legte mir dieses Buch ans Herz bzw. schickte es mir gleich mit der Post. Da kann ich ja nicht nein sagen, obwohl mir Fantasy nicht gaaaanz so gut gefällt. Dementsprechend hat mir Das Spiel des Asen denn auch nicht gaaaanz so gut gefallen. Was genau passiert, setzt sich erst nach ungefähr 100 Buchseiten aus vielen, vielen Bruchstücken und Andeutungen zusammen – und sobald das passiert ist, verliert das Buch leider etwas von seinem Schwung, dem ich zunächst fies erlegen war. Asen liest sich ein bisschen wie Eschbach, der einen ja auch immer von hier nach dort und durch fünf Jahrhunderte gleichzeitig jagt. Die Passagen haben mir auch gut gefallen, und ich mag es, nicht alles auf dem Silbertablett serviert zu bekommen, sondern mir selber einen Kopf darüber machen zu müssen, wer zum Henker die Asen überhaupt sind. Kurz gesagt, geht es in Asen um ein altes Ritual, das ein christlicher Geheimbund durchführt. Ganz kurz gesagt. Dummerweise bevölkern noch viele, viele weitere Charaktere als nur die Mitglieder des Geheimbunds das Buch, und ehrlich gesagt hätte ich auf einige von ihnen gerne verzichtet, weil sie die Story nicht wirklich voranbringen oder nur kurz auftauchen, um sofort auf die eine oder andere blutige Weise wieder zu verschwinden. Auch ein Punkt, mit dem ich gehadert habe: zu viel Blut. Aber das ist persönlicher Geschmack. Mir waren die Figuren meist nicht gut genug ausformuliert, so dass ich mit wenigen wirklich mitfiebern konnte. Selbst die Hauptperson bleibt ziemlich diffus, und bei einem Genre, das logischerweise gerne diffus bleibt (ich erfinde mir mal eben einen Zauberer, der irgendwas Tolles kann), wäre es schön gewesen, wenigstens eine Figur zu haben, bei der ich weiß, woran ich bin. Aber trotz allem Genöle habe ich das Buch in zwei Tagen verschlungen, denn es ist netterweise ziemlich spannend. Und diffus. Aber spannend. (Fantasy, doo. Wir werden keine Freunde mehr.)

Garth Ennis/Darick Robertson – The Boys, Vol. 1: The Name of the Game

Hm. Nun ja. Ich wusste ja, worauf ich mich einlasse, wenn ich mir Bücher von Garth Ennis wünsche, aber irgendwie war seine Preacher-Reihe charmanter als The Boys. Und von den Zeichungen war ich auch nicht so hundertpro angetan, obwohl ich Darick Robertson von Transmetropolitan mag; hier aber sieht alles fies nach Airbrush aus und nicht mehr nach Handwerk. Die Story hat eine hübsche Grundidee: mehrere Banden von Superhelden benehmen sich hinter den Kulissen alles andere als super, weswegen The Boys ihnen ein bisschen auf die Finger hauen wollen. Oder anders: ihnen die Seele aus dem Leib prügeln wollen. Hier hat mich das Blut seltsamerweise nicht ganz so gestört, wahrscheinlich weil es fies überzeichnet war (im wahrsten Sinne des Wortes). Stattdessen habe ich hier wieder an den Frauenfiguren was zu nölen. Erstmal gibt’s (wie immer) viel zu wenige von ihnen, zweitens beschränken sie sich, jedenfalls in Volume 1, noch ziemlich auf Sexgespielin oder stumme Mörderin. Gerade die zweite Dame hat nicht mal einen Namen, sondern ist nur The Female. Soll vielleicht toll sein, finde ich aber ziemlich beknackt. Und mitreden kann sie auch nicht, weil sie, wie gesagt, nicht redet. Hm. Mich interessiert zwar, wie die Geschichte weitergeht, aber ehrlich gesagt reicht es mir, wenn ich’s in der Wikipedia nachlese.