Auf Leben und Tod

Nach tagelangem, eigentlich jahrelangem Hin und Her hat nun ein US-Bundesgericht festgelegt, dass Terri Schiavo nicht weiter künstlich ernährt werden soll. Sie wird daher in einigen Tagen sterben dürfen.

Ich finde die Diskussion, die sich um den Fall in Amerika entzündet hat, ziemlich geschmacklos. Beziehungsweise finde ich es geschmacklos, dass Präsident Bush sich entblödet, seine eilige, aber im Endeffekt wirkungslose Gesetzesunterzeichnung vom Montag zur Fortsetzung der künstlichen Ernährung ausgerechnet so zu kommentieren: “In cases like this one, where there are serious questions and substantial doubts, our society, our laws, and our courts should have a presumption in favor of life.”

In favor of life? Our laws, our courts? Einen derartigen Satz ausgerechnet aus einem Land zu hören, das jährlich hunderte von Menschen in eine Gaskammer schickt, sie mit einer Giftspritze tötet oder sogar auf dem elektrischen Stuhl hinrichtet, finde ich ziemlich scheinheilig. In favor of life ist die amerikanische Gesetzgebung gerne dann, wenn es um publikumswirksames Leben geht, wie zum Beispiel das vieler Ungeborener, die dringend vor ihren abtreibungswilligen Müttern geschützt werden müssen. Und nun eben das Leben von Terri Schiavo, die seit 15 Jahren in einem vegetativen Koma vor sich hinwartet. Auf den Tod, nehme ich an, der ihr gnädigerweise schon vor 15 Jahren hätte geschenkt werden sollen. Wieso ist ihr Leben auf einmal so viel wert? Und wieso ist es vor allem mehr wert als das derjenigen, die in irgendwelchen Zellen auf ihre Hinrichtung warten?

Natürlich kann man erstens argumentieren, dass es immer wieder Fälle gab, in denen Menschen auch nach jahrelangem Koma wieder erwacht sind. Meines Wissens waren das aber Komapatienten, deren Hirnfunktionen noch messbar waren, im Gegensatz zu Terri Schiavo, deren Großhirn abgestorben ist. Und zweitens ist Terris Leben nach alttestamentarischen „Auge um Auge“-Kriterien vielleicht mehr wert, weil sie sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Sie ist keine Mörderin, die auf ihre Hinrichtung wartet, die eventuell gnädigerweise in letzter Sekunde abgeblasen werden könnte. Sie ist nur eine Komapatientin, die Eltern hat, die sie nicht gehen lassen möchten. Verständlicherweise, aber ob ihr Handeln im Sinne ihrer Tochter ist, wage ich zu bezweifeln.

In den amerikanischen Medien und Weblogs wird gerne die Gottesfürchtigkeit Bushs zitiert, wenn es darum geht, seine Entscheidung und die des Kongresses zu rechtfertigen, Schiavo weiterhin künstlich zu ernähren: Gott gibt uns das Leben, und er nimmt es wieder. Es sei nicht unsere Aufgabe, darüber zu entscheiden, wer lebt und wer stirbt. Aber auch hier beißt sich die Argumentation wieder, denn in jedem Gerichtsverfahren, in dem jemand zum Tode verurteilt wird, maßen sich Menschen das Recht an, Leben zu nehmen. Terri Schiavo ist, soweit ich weiß, zu spät ärztlich betreut worden, um ihr bisheriges, bewusstes Leben zu retten, aber schnell genug, um noch einige Körperfunktionen aufrecht zu erhalten, die allerdings nun seit Jahren komplettiert werden müssen, z.B. durch die künstliche Ernährung. Hätte Terri vor 15 Jahren schon sterben sollen? Haben sich damals nicht schon Menschen durch die Reanimation eingemischt in eine göttliche Entscheidung (wenn wir der Argumentation folgen wollen, dass Gott bestimmt, wer lebt und wer stirbt)? Wäre dann nicht die Einstellung der künstlichen Ernährung nur die letzte und endgültige Erfüllung von Gottes Wille?

Ich finde es ziemlich anstrengend, dem amerikanischen Zickzackkurs zu folgen: Mal ist Leben etwas Heiliges, dann etwas, das man durch Menschenhand vernichten darf. Ich frage mich auch gerade, wie man z.B. den Irak-Krieg religiös rechtfertigen kann – schließlich beginnt man einen Krieg nicht in der Absicht, niemanden umzubringen. Im Fall von Saddam Hussein ist, glaube ich, eher vom Gegenteil auszugehen.

Dieses Herumgeeiere und die Tatsache, dass Religion bzw. in vielen amerikanischen Fällen der christliche Glaube gerne für persönliche Zwecke instrumentalisiert wird, macht es mir persönlich sehr schwer, meinen eigenen Glauben zu verteidigen. Es ist ziemlich nervig, allein durch das kleine silberne Kreuz, das ich trage, von vornherein in einen Topf geworfen zu werden mit einer Gruppe von Hinterwäldlern, die die Bibel wörtlich nehmen wollen und ihren Kindern beibringen, dass Darwin keine Ahnung hatte und Homosexuelle in der Hölle landen. Es ist nervig mitanzusehen, dass die Bibel gerne so ausgelegt wird, als wäre es noch 500 v. Chr, als die ersten Bücher Mose entstanden sind, anstatt dieses Buch als eine Art Guideline zu sehen mit Werten und Ideen, die zeitgemäß interpretiert werden können, in meinen Augen sogar müssen. Es ist nervig mitanzusehen, dass ein meiner Meinung nach fortschrittliches, pluralistisches, faszinierendes Land wie Amerika immer mehr zu einem Hort von religiösen Eiferern und politischen Rednecks wird, die völlig ignorieren, dass eine Zivilisation wächst und sich entwickelt und sich damit auch ihre Werte ändern und man dementsprechend den Moralkodex anpassen muss.

Ich würde mir generell mehr Respekt vor dem individuellen menschlichen Leben wünschen. Respekt für persönliche Entscheidungen, wie z.B. die eines Ehemannes, der seine vor 15 Jahren faktisch gestorbene Frau endlich gehen lassen möchte. Respekt für Menschen, die einen Fehler gemacht haben, auch einen so schwerwiegenden und unwiderruflichen Fehler wie den, jemanden zu töten. Respekt für Menschen, die an etwas glauben, Respekt aber auch für Menschen, die genau das Gegenteil glauben. Mehr Respekt für den einzelnen Menschen an sich, anstatt sich auf alte Bücher zu berufen, anstatt seine persönlichen Moralvorstellungen auf ein ganzes Land auszudehnen und anstatt den Staat entscheiden zu lassen, wie ein Einzelner zu leben – und zu sterben – hat.

35 Antworten:

  1. Hallo Anke !

    vielen Dank für diesen Beitrag, dem ich nur voll zustimmen kann !

  2. Vielen, vielen Dank – ich schließe mich den Wünschen nach mehr Respekt und der Kritik an dem medien- und machtwirksamen Christentum an.

    Es ist einfach fürchterlich zu beobachten wie diese Frau, die selber keine Entscheidungen mehr fällen kann, zum Spielball des Kampfes um eine ethische Grauzone wird.
    Ich kann mir nicht anmaßen zu wissen, was für diese Frau die “richtige” Entscheidung ist, aber es schockiert mich, wie an ihr gerissen und gezerrt, wie mit ihr Politik/Meinungsmache betrieben und ihre Würde vollkommen durch den Dreck gezogen wird. Hier mal ein paar Tage ohne Nahrung, dann wieder an die Magensonde, dann wieder sterben lassen, wieder retten…
    Mit dem Argument, der Wille Gottes solle über Leben und Tod entscheiden, belügen sich die Befürworter der künstlichen Ernährung dieser Frau selber: ohne Magensonde – also ohne den Willen des Menschen – wäre Terri schon längst gestorben.

    Ich hoffe, dass sie diesmal wirklich sterben darf. Und das, Präsident Bush, in favor of dignity.

  3. “Einer Umfrage des Senders ABC zufolge lehnt eine Mehrheit der US-Bürger das Einschreiten der Politik in dem Fall ab. Zwei Drittel der Befragten sagten, die Abgeordneten befassten sich nur aus politischen Gründen mit dem Schicksal Schiavos.” Süddeutsche Zeitung vom 23.3.2005, Titelseite.
    Sieh an, die lassen sich nicht für dumm verkaufen.

  4. “Hätte Terri vor 15 Jahren schon sterben sollen? Haben sich damals nicht schon Menschen durch die Reanimation eingemischt in eine göttliche Entscheidung (wenn wir der Argumentation folgen wollen, dass Gott bestimmt, wer lebt und wer stirbt)? Wäre dann nicht die Einstellung der künstlichen Ernährung nur die letzte und endgültige Erfüllung von Gottes Wille?”

    Ich nehme an, das G.W. Bush und seine Glaubensbrueder nicht davon ausgehen, durch ihr Handeln den Willen Gottes aufhalten oder veraendern zu koennen.

  5. Danke Anke!

  6. right wing bigotry galore. wäre glaube ich meine überschrift gewesen.

  7. “[…] anstatt dieses Buch als eine Art Guideline zu sehen mit Werten und Ideen, die zeitgemäß interpretiert werden können, in meinen Augen sogar müssen.”

    Was die Verteidigung des Glaubens schwieriger macht.
    Man darf sich dann vorwerfen lassen sich s_einen_ Glauben zurechtzubasteln. Je nach Ausprägung der Interpretation durchaus berechtigt. Man kann natürlich “unangenehme” Teile wegdiskutieren, streichen oder mit “galt damals, weil …” hinwegfegen. Das ist eine Sache die man mit sich selbst ausmachen muß, denn man muß ja auch selbst dafür geradestehen.

    Ich finde desweiteren, um wieder auf das eigentliche Thema des Eintrags zu kommen, das in einen Topf werfen von Todesstrafe, Abtreibung und der Erlösung eines dahinsiechenden Menschen vollkommen deplaziert. Es gibt gute Gründe dafür und gute Gründe dagegen, man muß _abwägen_ und nicht dogmatisch entscheiden.
    (Ich sehe bei der Todesstrafe und dem christlichen Glauben, im Gegensatz zu Dir, keinen Widerspruch. Der Crux an Gesetzen ist ja immer, das man sich auch selbst dran halten muß. Dagegen zu verstoßen und dann das gleiche Gesetz für sich zu reklamieren, ist paradox.)

    (Was Abtreibungen angeht: wenn ich da lese, wieviele Kinder in Deutschland abgetrieben werden, da wird mir jedes Mal schlecht.)

  8. Ich sehe im christlichen Glauben bzw. der Bibel und der Todesstrafe einen ziemlichen Widerspruch. Da gibt es so ein Gebot, das „Du sollst nicht töten“ heißt. Das beziehe ich als zivilisierter Mensch auf alle. Auch auf z.B. Ehebrecherinnen oder Menschen, die den Sabbat nicht heiligen, die laut Altem Testament gesteinigt werden dürfen.

    Die Bibel selbst ist voller Widersprüche, daher denke ich, man muss sie, wie ich bereits im Eintrag sagte, zeitgemäß interpretieren. Die Dinge beherzigen, die wir im Laufe von 5000 Jahren Zivilisationsgeschichte (nagelt mich nicht auf die Jahreszahl fest) gelernt haben, und die Dinge vernachlässigen, die sich als barbarisch oder überholt herausgestellt haben.

  9. wäre ich du, thoralf, würde ich mich „bender“ nennen. du hast nämlich erstaunliche fähigkeiten beim weltbild nach gutdünken, bzw. gutglauben zurechtbiegen. mir wird schlecht dabei wenn ich so hingebogenes zeug lese.

    was mich wundert ist dass du anke vorwirfst alles in einen topf zu werfen und dogmatismus ins spiel bringst nachdem sie genau das gemacht hat was du forderst: nachdenken und abwägen.

  10. Was ist daran so schlimm, sich “seinen” Glauben zusammenzubasteln? Schließlich ist Glauben eine derart subjektive Geschichte, daß jeder (egal, ob gläubig oder nicht) sich sein eigenes Universum kreiert aus Werten, Normen, Handlungsrichtlinien. Religionsgemeinschaften bieten eine Orientierung, ebenso die Bibel. Man kann in diesem Buch viel Weisheit entdecken, muß sich aber, wie Anke schon sagte, heutzutage von diversen Ansichten, die dort stehen, distanzieren. Schließlich ist es auch ein von Menschen geschriebenes Buch, die in ihrer Zeit für ihre Zeit geschrieben haben. Wichtig ist (für mich zumindest), daß ich meinem Nächsten, also meinen Mitmenschen, mit Rspekt, Achtung und auch Verständnis entgegentrete (was ja der Grundsatz der meisten Religionen ist).
    Daß immer wieder “für den Glauben” gekämpft, gemordet oder Gesetze verdreht werden, hat meiner Meinung nach mit echter Religiosität nichts zu tun, sondern dient nur politischen oder ökonomischen Zwecken, wobei Politik und Wirtschaft ja fast schon wieder ein und dasselbe sind. Leider.
    Viele sogenannte “Christen” haben über dem ganzen Missionieren und sich über die Welt aufregen das Neue Testament vergessen, in dem Toleranz, Mitgefühl und Liebe gepredigt wird und nicht Ächten, Verurteilen und Richten.

  11. Thanks, Frau Gröner.

  12. »In einem zivilisierten Land mit freiheitlich-demokratischer Rechtsstruktur muss es möglich sein, unabhängig von dogmatischer Bevormundung zu leben und zu sterben.« (Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben)

  13. Senior Daily Show Ethicist Stephen Colbert weighs in with his near-expert opinion:
    “There are principles for every occasion.”

  14. Anke: das Gebot (obacht, eigene Interpretation) ist für mich ein Gebot nicht zu morden. Das schließt für mich alle Lebenwesen ein. Wir können jetzt natürlich darüber philosophieren, in wie weit die staatliche verordnete Tötung eines Menschen Mord ist oder nicht. Wir könnten erörtern ob die *Tötung* von Lebewesen nicht tagtäglich geschieht (Fleischkonsum, …). Allerdings nicht im Blog, das ist für eine Diskussion finde ich etwas unhandlich. Per Mail z.B. gern.

    ix: Natürlich. Kaum hat man eine andere Meinung wird man auf Kleinkindniveau diffamiert. Dabei kennst Du weder mich, noch meinen Glauben. Ich finde genau das hat Anke doch beschrieben. Da hat man ein Kreuz umhängen und schon ist man einer von “denen”.

    Was das “in einen Topf werfen” anbetrifft, wollte ich zum Ausdruck bringen daß ich die Aneinanderreihung/Gegenüberstellung von Todesstrafe und Erlösung so einfach eben nicht ist. Jemanden nach einem Verbrechen zum Tode zu verurteilen ist eben nicht das gleiche wie jemanden nicht sterben zu lassen. Im Zitat hieß es ja “serious questions and substantial doubts”, die man ja bei der Verurteilung zum Tode nicht hat (bzw. nicht haben sollte), denn sonst hätte man das Urteil nicht gefällt.

  15. Bevor jemand das nitpicking anfängt…

    Mit dem folgenden Zitat meinte ich die Nichtvergleichbarkeit von Todesstrafe (“Entscheidung gegen das Leben”) und Nicht-Erlösung (“Entscheidung für das Leben”). Die Perspektiven sich dafür oder dagegen zu entscheiden, sind verschieden:

    “Jemanden nach einem Verbrechen zum Tode zu verurteilen ist eben nicht das gleiche wie jemanden nicht sterben zu lassen.”

    Im übrigen, wenn ich das auch noch hinzufügen darf, bin ich schon der Meinung daß man die arme Frau lieber sterben lassen sollte. Sie hatte den generellen Wunsch (“… in solchen Situationen…”) laut ihrem Mann ja auch in der Vergangenheit geäußert.

  16. Thoralf, genau WEIL Todesstrafe und Erlösung eigentlich nicht in einen Topf passen, habe ich sie da hineingeworfen (um mal bei deinem Bild zu bleiben :-). Was mich zu meinem Eintrag bewogen hat, war die Ungleichbehandlung verschiedener Formen von Leben. Mal darf jemand nicht sterben, obwohl er oder sie vielleicht möchte, mal werden Menschen hingerichtet, obwohl sie das garantiert nicht möchten, und beide Male möchte der Staat mitreden, der – und das wollte ich eigentlich sagen – in derartig essentiellen Fragen einfach nichts zu sagen haben sollte.

  17. (Äh … ja, da war dein Kommentar jetzt schneller als meine Tippfinger :-)

  18. Du schreibst genau das, was ich mir zu diesem Fall denke. Danke dafür, ich hätte es nicht besser gekonnt.

  19. thoralf, wenn du ernsthaft der meinung bist todesurteile seien jemals frei von „serious questions and substantial doubts“ gehörst du in die kleinkindschublade in die du mich packen willst. wie kannst du etwas so grausames wie die todesstrafe mit deinem glauben in einklang bringen? haben in deinem glauben menschengemachte gesetze den gleichen rang wie gott? gesetze die zudem von einem oft ungerechten, sozial unausgewogenen, maroden rechtssystem umgesetzt werden und sehr, sehr oft fehlurteile sind, aus vielerlei gründen?

    wie gesagt. mir wird bei solchem religiösen rumgebiege schlecht. vielleicht aber auch von der schokolade die ich gerade gegessen habe.

    [im übrigen „diffamiere“ (kritik = diffamierung?) ich nicht dich, dein kreuz oder deinen glauben, sondern das was du hier schreibst.]

  20. Ich schreibe Dir dazu eine Mail.

  21. wenn sie das sehen könnten, würde ich jetzt aufstehen und ihnen applaudieren.

  22. Liebe Anke, das ist einer der besten Blogbeiträge zu diesem Thema, den ich gelesen habe! Sehr treffend hast Du das Thema dargestellt. Danke dafür! Ich kann Dir nur zustimmen!!

    LuckyKvD

  23. Spannend zu lesen, aber was mich auch beeindruckt, das ist die Konsequenz wie das Plädoyer (mehr Respekt vor …) auch im eigenen Beitrag durchgehalten wird. Diese Art von Auseinandersetzung, ihre Geste, ist mir glaubwürdig und sie könnte das Modell sein, mittels dem man die Verständigung über schwierige Themen sucht und findet. Ich denke, es ist völlig ok (egal ob nun über DAF, Bibelglauben oder Blogkommentare) zu polemisieren, zu ironisieren oder zu attackieren, solange man jederzeit dazu in der Lage bleibt, zu dieser Haltung zurückzufinden (und das auch unter Beweis stellt). Bei solchen Themen, die polarisieren, und was könnte das wohl mehr als Fragen die den Grenzbereich von Tod und Leben betreffen, wird das leider stets sehr prekär. Meinen Glauben, meine Werte … die lokalisiere ich jedoch gerade in diesem dauernden Bemühen, mich nicht selbst zum Maß des Anderen, seiner Meinung, seiner Werte, seines Lebens zu machen.

  24. Ich würde mich mit G.W. mal gerne über das Thema unterhalten um ihn da besser zu verstehen. Ich würde ihn gerne folgendes fragen: Wenn man bei einem ungeborenen Kind schon feststellen könnte, daß es mal ein Mörder wird und deshalb hingerichtet werden würde, dürfte man es dann vielleicht schon abtreiben?

    Im übrigen möchte ich hier in aller Form, Öffentlichkeit und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte (so gut es eben geht) folgendes festhalten: Sollte ich jemals in einen vergleichbaren Zustand kommen – was Gott verhüten möge – in dem ich nur noch künstlich am Leben erhalten werde, aber keinerlei Hirnfunktionen mehr habe, dann möchte ich nicht weiter am Leben erhalten werden. Ich bin dann vermutlich ohnehin schon weg und ich hoffe meinem Körper bleibt eine derartig entürdigende Farce erspart.

  25. Mit das Treffendste was ich zumindest in Blogs, vielleicht sogar jemals zu dem Thema gelesen habe. Leider scheint es so zu sein, dass fester Glauben gleichzeitig Ignoranz und (gefährlicher) Arroganz bewirkt. Leider geht es hierbei nicht nur um das Ausrasten einiger religiöser Eiferer, sondern darum, dass ein eigentlich fortschrittliches Land in weiten Teilen immer noch in den Moralvorstellungen des 16. Jahrhunderts stecken geblieben ist und zudem aus seiner Geschichte wenig bis gar nichts gelernt hat. Dass einer dieser Leute nun im Weißen Haus Weltpolitik machen darf, ist hoffentlich nur ein Treppenwitz der Geschichte. Dass er mit medienwirksamen Aktionen wie dieser natürlich auch seine Sympathisanten bei der Stange halten will, ist eigentlich unterhalb jeglicher moralischen Kategorie.

  26. Danke, Anke! Das war einer der besten ernstzunehmenden Einträge zu dem Thema. Den besten polemischen gibt es hier.

  27. Das letzte Testlauf für den hier geforderten angepassten Moralkodex, der Euthanasie und den -ja, Darwin hatte ja so Recht- Sieg des Starken über das Schwache beinhaltete, wurde vor fast genau 60 Jahren u.a. von den den bösen Amerikaner gewaltsam (meine Güte, wie haben die diesen Krieg bloss christlicht rechtfertigen können) vorzeitig beendet.

  28. Wow. DEN Inhalt in diesen Beitrag reinzudeuten — Respekt.

  29. Es gibt eine Grenze, hinter der nur noch der einzelne Mensch nach seinem Gewissen entscheiden kann. Es funktioniert nicht, in diesem Moment die Verantwortung irgendwelchen Richtern aufzubürden. Ein Rechtssystem kann und muss diese Grenze hoch hängen, um sicherzustellen, dass die Entscheidung nicht willkürlich oder z. B. nach finanziellen Gesichtspunkten geschieht. Aber dahinter ist Schluss, es gibt keine eindeutige Regel, Lebensrecht und Barmherzigkeit abzuwägen. Und die Argumentation, nach der nur Gott das Leben nehmen könne – sie hinkt sowieso. Schließlich waren es ebenso menschliche Errungenschaften und Entscheidungen, die das Ãœberleben im Koma überhaupt erst ermöglicht haben. Was umgekehrt nicht das Töten von Straftätern rechtfertigt.

    Erst vor wenigen Tagen lief im Radio ein Bericht über Fruchtwasseruntersuchungen. Es wurde auch eine Mutter interviewt, die bereits zwei behinderte Kinder hat. Sie liebt ihre Kinder, das wurde deutlich. Und das Lebensrecht behinderter Menschen steht prinzipiell außer Frage. Kann man ihr vorschreiben, das nächste Kind abzutreiben, wenn es ebenfalls behindert sein sollte? Kann man ihr vorschreiben, es auszutragen?

    “Respekt für persönliche Entscheidungen” (und mehr Demut, was die Ãœbertragbarkeit eigener Ãœberzeugungen angeht), das ist der Punkt. Und es widerspricht nicht dem Glauben an Gott, wenn ein Mensch die Verantwortung für eine solche Entscheidung übernimmt – im Gegenteil. Ich bin gespannt darauf, wie sich bei uns die Debatte über die Patientenverfügung entwickelt.

    [Vielen Dank für Ihren klugen Text. Und dass ich hier meine Gedanken dazu ordnen darf.]

  30. Den Beitrag finde ich auch sehr wichtig und interessant. Was mir zu schaffen macht, ist allerdings die Formulierung ‘sterben dürfen’. Was ja geschehen wird, ist kein friedliches Einschlafen, sondern ein Verhungern und Verdursten. Ich habe mal in einem anderen Zusammenhang von einem Mediziner die genauen Vorgänge beim Verdursten geschildert bekommen und kann nur sagen, es muss grauenhaft sein. Ich wünschte, man könnte Terry Schiavos Ende auf eine menschlichere Art beenden, z.B. kommt mir der Tod durch Giftspritze wie bei manchen amerikanischen Hinrichtungen da weitaus humaner vor. Wenn ich mir vorstelle, ich wüsste, dass meine Tochter in wenigen Tagen qualvoll zugrunde gehen wird, ich würde auch durchdrehen. Wie können wir sicher sein, dass da nichts mehr ist, das den Prozess fühlt und irgendwie wahrnimmt?
    Ich bin NICHT der Meinung, sie müsse mit allen Mitteln am Leben gehalten werden, aber diese Art, jemanden krepierenzu lassen, erscheint mir auch als moralisch sehr feige.

    Noch kurz zu Thoralfs Anmerkung zur Todesstrafe: (Zitat)
    ‘Ich sehe bei der Todesstrafe und dem christlichen Glauben, im Gegensatz zu Dir, keinen Widerspruch. Der Crux an Gesetzen ist ja immer, das man sich auch selbst dran halten muß. Dagegen zu verstoßen und dann das gleiche Gesetz für sich zu reklamieren, ist paradox.’

    Das würde ja bedeuten, dass jedes Gesetz seine Gültigkeit verliert, wenn es jemand bricht. Also, ‘Du sollst nicht töten’ verliert seine Gültigkeit für Menschen, die selber getötet haben. Die dürfen dann getötet werden. Wenn man das so fortsetzt, dass Gesetze (sogar Gebote!!!!) nicht mehr für Menschen gelten, die sie gebrochen haben, kann man Gesetze auch gleich weglassen. Jedes Gesetz, jedes Gebot wird sicher irgendwann und zum Teil oft gebrochen – gilt es deshalb nicht?

  31. Was ich, nach dem letzten Stand der Meldungen, als absolut heuchlerisch empfinde, ist, dass man ihr jetzt Morphium verabreicht, damit sie keine Schmerzen mehr hat – empfindet sie nun doch noch was oder wie soll ich das alles verstehen? Schmerzen kann ich doch nur über das Bewusstsein realisieren, oder? Und für ein Bewusstsein brauche ich ein funktionierendes Gehirn, oder? Ich bin medizinischer Laie, ich weiss wirklich nicht, was ich von dem allem halten soll.

  32. Ich finde Deine Meinung völlig in Ordnung – und teile sie voll und ganz. Es ist eben AMERIKA – dort ist jedes Mittel recht , um Aufmerksamkeit zu erhaschen! Selbst eine Menschenleben, was schon vor 15 Jahren aufgehört hat eines zu sein. Jeder hat ein Recht auf den Tot !

  33. ANKE; (Original-Anke, Frau Gröner. Ich heiße aber wirklich auch so mit Vornamen, und, hihi, schon ca 10 Jahre länger…), und Anne, Eure Beiträge kann ich größtenteils unterstreichen. Das “Ami-tum”, das jämmerlich verrecken (sorry) lassen, der ganze Pressewirbel… Auf Themen wie WW II oder Abortion wäre ich jetzt in dem Zusammenhang garnicht zwingend gekommen. Die Theorie vom im Mutterleib erkannten Massenmörder, und was man dann mit dem Balg tun sollte, fand ich übrigens superklasse und vielleicht ausbaufähig.

    Ãœbrigens auch gerade dieser Tage das Theater um PolenPaule und MonacoFranze, äh, -Rainier. Sind die denn alle wirklich soviel wichtiger, wertvoller oder interessanter als die neuesten wahrscheinlich deutlich mehr als tauusend Seebebenopfer? Ist da jetzt schon gähn, langweil, hatten wir doch gerade schon gespendet, hab keinen Bock mehr? Die – zugegebenermassen vielleicht nicht ganz unschuldigen- Opfer des “Car-Freitags”?

    Ich wünsche der Terry einen friedlichen, schmerzlosen (!?)Heimgang, dem Pope und dem Rainier auch ( wobei bei den zweien, wie man hier sagt, nicht mehr die Hebamme dran schuld ist). Kann sich jetzt wer aufregen, wie er will, die Diskussion / Kommentare zu dem Thema waren ja schon “Welt”.

    Grüßle an die Anke-Gröner-Fan-Gemeinde

  34. erstmal finde ich nicht,das diese seite so lang sein dürtfe.zweitens finde ich nicht,das was ich suche….

  35. … und drittens dürfen die Leute, die mit Google hier reinmarschieren und nicht wissen, worum’s geht, auch mal die Fresse halten.