The Wire

The Wire ist eine TV-Serie in fünf Staffeln. Die letzte Folge lief vor kurzem in den USA, und ich fange gerade mit der dritten Staffel an.

Ich muss gestehen, dass es bei mir etwas gedauert hat, bis mich das angebliche Meisterwerk erwischt hat. Seit Jahren schleiche ich um die DVDs in meiner Lieblingsvideothek herum, aber irgendwie hatte ich nie Lust drauf. Seit sich in den Zeitungen oder im Netz die Kritiker überschlagen, konnte ich dann doch nicht mehr widerstehen und hab mir die erste Staffel gekauft. Und wollte sie nach fünf Folgen gleich wieder verkaufen.

The Wire findet in Baltimore statt, genauer gesagt, in den projects, in den verfallenden Sozialbauten, in denen es eigentlich nur um Drogen geht, wer sie hat, wer sie nicht hat und wie man an sie rankommt. Die Polizei steht den Dealern und ihrem verzweigten Netz an Zulieferern, Hintermännern und minderjährigen Verkäufern ziemlich machtlos gegenüber – und so fühlt sich The Wire auch zunächst an: ermüdend. Als ob man dauernd gegen Wände rennt. Und die Polizisten müssen sich nicht nur mit den Kriminellen rumschlagen, nein, sie sehen sich auch mit einer Menge Papierkram konfrontiert, mit veralteten Geräten, langsam arbeitenden Kollegen und vielen, vielen Menschen, denen eine Karriere in der Stadtverwaltung wichtiger ist als eine gut gehende Ermittlung.

Interessanterweise sind nicht nur die Polizisten die Hauptpersonen. Wir erfahren über ihre Gegenspieler genauso viel, und es wird nie unterschieden, ob jemand nun auf der richtigen Seite des Gesetzes steht oder nicht. Jede Figur bekommt ihre Zeit, ihren Entwicklungsspielraum, ihren Hintergrund. Genau so viel wie nötig, um sie ins Herz zu schließen oder sich mit ihr anzufreunden – und zu hoffen, dass sie das Staffelende erlebt.

Die Serie legt eine wahnwitzig langsame Geschwindigkeit vor, an die ich mich als „Komm, zack, mehr als 45 Minuten Aufmerksamkeit hab ich nicht“-Gucker erst übellaunig gewöhnen musste. Ich habe keine Ahnung, ob The Wire im Fernsehen wirklich funktioniert hat. Vielleicht war eben das Tempo der Grund, warum die Zuschauerzahlen nie so richtig begeisternd groß waren. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, Minimum eine Woche Zeit zwischen den Folgen zu lassen. Dafür passiert in den einzelnen Folgen viel zu wenig. Das große – und dann sehr beeindruckende, weil hochkomplexe – Bild ergibt sich eben erst nach mehreren Sendungen. Mich hat, wie gesagt, erst die sechste Folge erwischt, weil sich da allmählich eine Story abzeichnete, wo ich vorher nur viele, viele Puzzleteile, Menschen, Schauplätze, Biografien gesehen habe. Aber ab der sechsten Folge war ich süchtig. Nach eben diesen Menschen und Schauplätzen, die sich endlich zu einer Geschichte zusammengefügt haben, die mir in epischer Breite erzählt wird.

Nebenbei: Ich gucke The Wire im Original, aber ich muss zugeben, dass ich selten so sehr wie hier für englische Untertitel dankbar war. Gerade das grammatikalisch sehr rudimentäre Gequatsche der Dealer ist kaum zu verstehen. Und auch bei den „Guten“ (kann man bei in diesem Fall nur in Anführungszeichen setzen) herrschen manchmal recht seltsame Gesprächsthemen vor. Ich habe mich jedenfalls schon gefragt, ob die Männerwelt wirklich so oft über ihr angeblich bestes Stück redet und wenn ja, warum. Scheint aber Spaß zu machen, seine Kollegen über die eigenen Masturbationsgewohnheiten in Kenntnis zu setzen.