Everyone I have ever slept with

(Überschrift natürlich geklaut bei Tracy Emin)

Du warst im Zug in ein anderes Land und ich dachte, ich wäre in einem Zug in ein anderes Leben und für den Weg zwischen Nürnberg und Wien waren wir zusammen und ich weiß nicht mehr, wie du heißt.

Du warst der mit der Freundin und dem geradeschlussgemacht, dem Hotelzimmer, dem Shirt von ihr, das ich jetzt trug, und dann warst du die Freundin mit dem geradeschlussgemacht, die ihr Shirt wiederhaben wollte und dem Abend, an dem wir viel redeten und viel tranken und du hast nach Erdbeersekt geschmeckt und ich habe dir die Haare gehalten und dir das Shirt wiedergegeben.

Du warst eine Feder, du hattest Flügel, ich hatte noch nie so wenig Gewicht auf mir und du hattest zarte, leichte Flügelfinger und einen weichen, geflügelten Rücken und das Licht war zart und leicht und weich und hatte Flügel und ich hatte sie auch.

Du warst derjenige mit der anderen Augenfarbe.

Du warst eine Party, auf die ich nicht wollte, ein Song, den ich nicht mochte, ein Bier, das nicht schmeckte und ein Auto, das nur Blödmänner fahren.

Du warst ein Geheimnis, das keines war, und du hast mir einen Brief geschrieben, von dem ich bis heute bereue, dass ich ihn irgendwann weggeworfen habe.

Du warst der, der plötzlich weg war. Du warst ausgefranst, unscharf. Ich wiederholte ein Best-of unserer Momente in meinem Kopf, aber es hörte immer mittendrin auf. Ich wartete jahrelang auf die Fortsetzung, aber sie kam nicht. Deine Bilder waren wie eine alte Videokassette, die immer schlechter wurde, je öfter man sie abspielte.

Du warst eine Überraschung und du trägst einen Namen, den ich viel zu oft in meinem Leben gehört habe, aber das wusste ich damals noch nicht.

Du warst der, bei dem ich sicher war.

Du warst der, der mir weh tat.

Du warst die Einsamkeit.

Du warst die Neugier.

Du warst ein fremdes Land und eine fremde Sprache und gleichzeitig derjenige, bei dem man beim „Hallo“ wusste, wo die Geschichte enden wird und ich habe „Hallo“ gesagt, weil ich sie genau dort enden lassen wollte.

Du warst der, bei dem jemand anders sagte, du wärst der für mich, und das warst du auch, aber ich war plötzlich nicht mehr ich und deswegen warst du plötzlich nicht mehr du und ich googele immer noch nach dir und gucke bei Maps, wo du wohnst.

Du warst der mit den Händen.