2:1

Im Shuttlebus zum Stadion die ersten Fangesänge. Die argentininische Kolonie verliert das Lautstärkeduell gegen die Jungs und Mädels von der Elfenbeinküste. Ein Fan hat einen Stoffelefanten auf dem Kopf.

Vor dem Stadion die wuselige Menschentraube, die sich durch die erste Kontrolle zwängt. Taschen herzeigen, Rucksäcke aufmachen, Inhalt rausnehmen, abtasten. Und da ist das erste Problem: Es gibt anscheinend nicht genug Frauen, die die weiblichen Besucher abtasten. Als ich vorne stehe, wird einem Mädel vor mir von einem männlichen steward bescheinigt, dass er sie nicht abtasten dürfe; sie müsse in die Mädelschlange. Ich schließe mich ihr an. Es gibt geschätzte 20 Jungseingänge und einen für uns. Was aber nirgends ausgeschildert ist. Das kriegt man eben erst mit, wenn man, wie ich, ganz vorne steht und sich dann wieder nach hinten durchkämpfen muss. Ich bin ja kein Stadionexperte, aber bei den wenigen Malen, die ich da war, standen an jedem Eingang ein Mann und eine Frau, die ihre Geschlechtsgenossen und -genossinnen abgetastet haben. Gab’s für die WM nicht genug Freiwillige?

Egal. Ich bin drin. Jetzt auf zur zweiten Hürde: dem Kartenvorzeigen. Das dauert ungefähr dreimal so lange wie das Rucksackaufmachen. Alle haben Reisepässe und Ausweise im Anschlag, neben mir steht jemand aus Schweden, hinter mir höre ich Schweizer. Und eine Traube von Rot-Weiß-Essen-Fans, die anscheinend gut vorgetankt haben und drängeln und rumbrüllen. Meine Sympathie für Fußballfans geht kurzzeitig gegen Null. Dann gucke ich mir den Rest der vielen, vielen bunten, friedlichen, verdammt gut gelaunten Menschen an und bin wieder versöhnt.

Am Eingang muss man keinen Ausweis vorzeigen. Ein Hilfskraft hält das Ticket vor einen Scanner und man flutscht durch ein Drehkreuz. Wie beim HSV. Und dafür der ganze Aufwand mit dem Personalisieren? Pffft.

Ich bin überhaupt nicht vernünftig auf das Spiel vorbereitet, kein hellblaues Trikot, kein orangenes im Schrank. Also noch schnell mit Stöffchen eindecken: Ein offizieller FIFA-Shop hat dutzende von Shirts, Caps und Flaggen im Angebot, darunter auch die offiziellen Trikots für satte 65 Euro. Ich entscheide mich für ein grünes Côte d’Ivoire-Shirt mit den verdammten Deppensmileys auf dem Ärmel für angemessene 15 Euro. Für diese Transaktion brauche ich zehn Minuten, weil die drei Nasen im Shop die … lang … sams … ten … An … ge … stell … ten … sind, denen ich je Geld in die Hand drücken durfte. Aber trotz der Zeitlupe bin ich nicht schlecht gelaunt, denn der Freude und Spannung um mich herum kann ich mich überhaupt nicht entziehen. Fühlt sich wirklich wie das Fußballfest an, das die FIFA immer so gerne heraufbeschwört.

Ich sitze in der letzten Reihe, quasi drei Meter unter der Hallendecke, in der Verlängerung der Eckfahne – und ich habe das Gefühl, einen grandiosen Platz zu haben. Ich sehe alles, die Geräuschkulisse ist überwältigend, und da ich jetzt auch optisch zu einer Mannschaft gehöre, kann’s von mir aus losgehen. Allez!

Maradona ist in der AOL-Arena im FIFA-WM-Stadion Hamburg. Großbildleinwand sei dank.

Die Fans der Elfenbeinküste gewinnen auch im Stadion das Lautstärkeduell gegen die Argentinier. Dafür gewinnen die Argentinier das Spiel. Das Publikum hat sich besonders in den letzten 20 Minuten die Finger wundgeklatscht. Ich auch. Aua. Die Welle läuft mehrmals durch die Arena. Großartiges Gefühl.

Nach dem Abpfiff leert sich der Laden ziemlich schnell. Ich bin in geschätzten fünf Minuten vom Platz unter der Hallendecke am Abfahrtsort der Shuttlebusse. Keine 30 Sekunden später hält einer, lädt die Leute ein, keiner drängelt, keiner pöbelt, der Bus fährt ab und wird von der Polizei bis fast nach Othmarschen durchgewunken. Die Busfahrerin freut sich über die grüne Welle. „So hab ich das gern.“

Toll war’s. Und jetzt guck ich mir das Spiel nochmal im Fernsehen an, ob’s wirklich toll war.