Mein neues Lieblingsrestaurant …

… ist gar keins, sondern ein Supper Club. Ich muss gestehen, ich hatte von diesem neumodischen Zeug noch nie etwas gehört, bis eine mir bekannte Dame mit ihrem Lebensgefährten einen aufgemacht hat. Vor zwei Wochen war Eröffnung (mit Fleisch), und letzten Samstag hatte ich mir einen Platz am Achtertisch gebucht, denn da gab es kein Fleisch. Mit von der Partie war unter anderem die charmante Frau Kaltmamsell, mit der ich vor dem Großen Fressen schon zwei Stunden im Starbucks verbracht habe, wo wir unsere ortskundige Chauffeurin Frau Franziskript in Begleitung des Popkulturjunkies trafen.

Ich war teilweise gut gelaunt, weil mir zu jedem Halt des Zugs auf dem Weg von Hamburg nach Düsseldorf ein launiger Tweet eingefallen war, andererseits nölig, weil es in Düsseldorf regnete. Die 300 Meter vom Bahnhof zum Hotel haben gereicht, um mein flauschiges Haupthaar in ein nasses Vogelnest zu verwandeln. Aber im Hotel gab es ja einen Fön, und so war alles wieder gut. Bis Franzi und Jens meinten, lass uns zu Starbucks im Hauptbahnhof gehen, weswegen die Haare wieder nass wurden. In den zwei Stunden bei launiger Konversation und Mainstream-Kaffee, den ich so liebe, trocknete das Nest wieder zu Flausch, und so war alles wieder gut. Bis Franzi meinte, mein Auto steht quasi vor deinem Hotel, lass uns da mal langsam hingehen. Also wurden die Haare wieder zu Pampe. Ich glaube, beim vierten Gang von den gefühlt 100, die uns im Supper Club aufgetischt wurden, hatte ich wieder Flausch auf dem Kopf. Aber dafür war ich mit Naseputzen beschäftigt, weil die Gastgeber_innen ein paar Katzen haben, die zwar weggesperrt waren, aber deren Spuren natürlich nie so ganz aus einem Raum zu kriegen sind. Das Asthmaspray durfte aber netterweise in der Handtasche bleiben. Jedenfalls bis kurz nach ein Uhr morgens, dann hatte meine Lunge keine Lust mehr, weswegen wir leider recht überstürzt aufbrechen mussten.

Bei einem Supper Club laden nette Menschen andere nette Menschen ein, die sie meistens vorher nie gesehen haben. Das Ganze findet in den Privaträumen der Gastgeber_innen statt, und man kann sich meist per Internet oder Social Network anmelden. Bezahlt werden muss natürlich nix, wir sind ja nicht in einem Restaurant, aber eine Spende darf’s schon sein. Soll’s auch. Vor allem, wenn es so lecker war wie bei Rebelote.

Neben der Kaltmamsell und Franzi habe ich mich über Hammwanich und Begleitung gefreut, mit denen ich ja bereits im Trific essen durfte. Andrea musste leider kurzfristig arbeiten, aber dafür konnte ich Daniel Hallo sagen, dessen Blog ich seit Jahren kenne (und er meins). Letzter im Bund war ein gewisser Andreas, der keine Internetpräsenz sein eigen nennt und von dem ich leider nicht viel mitbekommen habe. Dafür aber umso mehr vom Rest; wenn wir nicht gerade mit vollem Mund „Ohmeingott, istdaslecker“ murmelten, kreisten die Gespräche unter anderem um Pilgerwege, Regietheater, Werbeagenturen und Quittenmarmelade. Ich glaube, gute Konversation und gutes Essen gehören irgendwie zusammen. (Und wir hatten auch noch guten Wein. Ha!)

Als Aperitif gab’s einen asiatisch angehauchten Mojito, den ich nicht fotografiert habe. Zur Minze gesellte sich ein wenig Zitronenirgendwas Im Glas war Zitronenverbene statt Minze (es gab eine Mail vom Koch, siehe auch die folgenden Edits), mein Gaumen behauptete, Kokos zu schmecken, aber egal, was drin war, es war lecker. Und nicht zu alkohollastig, sondern wirklich erfrischend.

Der Gruß aus der Küche ist auch nicht fotografisch festgehalten worden (ich muss dieses Kochbloggerin-Sein noch üben): Auf ein paar kleinen Feldsalatblättern ruhte ein Wan-Tan, der mit Ziegenkäse gefüllt und einer Apfelschnitte Birnenspalte und Walnusspesto gekrönt war. Zwei Happsen und ein glückseliger Gesichtsausdruck, den ich im Laufe des Abends noch einige Male wiederholt habe.

Der erste Gang hat mich freudig überrascht. Auf der Karte stand was von Fenchel, und ich hab im Kopf abgeschenkt, denn: Ich mag keinen Fenchel. Kein Anis, keinen Pernod, keine Lakritze, alles bäh. Aber den Salat fand ich großartig. Babyspinat, Weißkohl, Orangenfilets (könnte auch Grapefruit gewesen sein) und dazu karamellisierte Fenchelsaat. Spinat schmeckt ja irgendwie nur nach Grün, der Krautsalat knackte schön, dann die süßsauren Zitrusfrüchte und ganz kurz im Mund die dichte Süße des Karamells, das unglaublich gut zu eben dieser Geschmacksrichtung passt, die ich fünf Minuten vorher noch zum Kotzen fand. Toll.

Der zweite Gang war mein persönlicher Höhepunkt, ich habe mir davon sofort das Rezept erbeten und auch schon bekommen, und sobald ich eine freie Minute habe, wird es nachgekocht: das Blumenkohl-Panna-Cotta. Ja genau. Zum angedickten Blumenkohlpüree gehören spitz-scharfe rote Zwiebeln, ein säuerliches Dressing, milde, fluffige Bohnen und ein grandioses Olivenkrokant. Es passte wieder alles wunderbar zusammen; so viele Noten, die eigentlich nicht zusammenpassen sollten, aber es war so, so klasse. Ich heirate das Zeug, sobald das legal ist.

Der dritte Gang waren zwei großzügig portionierte Kartoffelravioli mit Parmesan und Pinienkernen drüber. Als Bettchen diente warmer Endiviensalat, wenn ich mir das richtig gemerkt habe. Der Clou: In jeder Ravioli fand sich genau eine Kaper, die dazu führte, dass jede_r Esser_in am Tisch lauthals kundtat, wann er oder sie seine oder ihre Kaper zerbiss. Den Gang fand ich sehr rund, und er sah nach ner Menge Arbeit aus (ich stelle es mir jedenfalls nicht ganz so einfach vor, aus Kartoffelteig Ravioli zu machen), aber die anderen Gänge fand ich besser.

Vor dem vierten Gang hatten Koch und Köchin dann auch mal Zeit für uns. Zwischendurch wurden zwar schon lustig Wein und Bier und Wasser ausgeschenkt und immer aufmerksam geguckt, ob auch alle glücklich sind, aber jetzt konnten wir endlich mal ein bisschen mit den Gastgeber_innen reden. Ich weiß leider nicht mehr worüber, denn nach zwei Sorten Weißwein bin ich auf Rotwein umgestiegen, und der macht immer so Sachen mit mir, die dem Bloggen nicht ganz zuträglich sind. Wir erinnern uns.

Der Tennisball da auf dem Teller wurde uns als „Reisbällchen“ verkauft, was die Untertreibung der Woche ist: roter Reis mit Bergkäse vermischt und durch Ei und Brösel gezogen und dann frittiert. Ist klar. Ein „Bällchen“. Ganz leichte Kost. Selbst das Dressing hatte es in sich: Zu den säuerlichen Apfelstückchen kamen freundlich-fette Kürbiskerne. Im linken Schälchen befand sich Selleriepüree, ganz fein und weich und flaumig im Mund, und darüber gestreut waren schwarze Walnüsse, die überhaupt nicht nach Walnüssen geschmeckt haben. Mir egal, ich war ins Selleriepüree verliebt. Im rechten Schälchen lungerte ein französische Spezialität, Œufs cocotte, hier in der Variante mit Tofu statt Speck. Mein Ei war noch sehr roh, was mir beim Eigelb überhaupt nichts ausmacht (ich mag flüssiges Eigelb), aber beim Eiweiß war ich nicht ganz so glücklich. Der Tofu hat dem Gericht auch nicht viel dazugegeben, aber die Sahne und der Lauch zusammen mit dem Eigelb waren gut gewürzt und haben noch besser geschmeckt. Mein Magen war aber so ganz langsam fertig mit der Welt, und ich wusste, es gibt noch was Süßes hinterher. Daher war das der einzige Gang, den ich nicht aufgegessen habe. Und nebenbei war ich sehr stolz darauf, einfach auf mich zu hören und zu sagen: reicht jetzt. Nicht so wie früher, wo mein bescheuerter Kopf ja immer dachte, es gibt NIE WIEDER WAS ZU ESSEN, DESWEGEN ESS ICH ALLES, WAS IN MEINER NÄHE IST. Jetzt weiß er, wenn er was will, dann kriegt er was, und deswegen ist Essen viel entspannter geworden. Läuft.

Und das war das Süße: Pistazienparfait mit … äh … Obst. Was soll ich dazu noch groß sagen, außer: Ich habe übers Genießen mal wieder das rechtzeitige Fotografieren vergessen, und deswegen sieht der Tellerinhalt auch schon etwas angeknabbert aus. (Frau Kaltmamsell – die mit den schöneren Fotos – meint, das Obst sei Quitte gewesen, ich dachte eher an Birne. Edit: Es war Quitte im Muskatsud. Meine Geschmacksnerven sind anscheinend von Bionade Quitte nicht anständig auf die Welt vorbereitet worden.)

Zum Abschluss gab’s noch Espresso mit einer Praline von Gut & Gerne. Den Namen finde ich übrigens genauso toll wie die Produkte.

Gegen zwei bin ich rundum glücklich und zufrieden und pappsatt (und mal wieder mit nassen Haaren, weil wir im Regen vor der Tür aufs Taxi gewartet haben, damit ich aus der Katzenluft rauskam) ins zu weiche Hotelbett gefallen. Das olle Käsebaguette, das ich am nächsten Morgen als Frühstück im Zug verspeist habe, hat das Ganze noch mehr in die richtige Perspektive gerückt: sehr einfallsreiches Essen, liebevoll serviert, eine schöne Umgebung, und ich glaube, auch wenn ich die beiden nicht gekannt hätte, würde ich sehr gerne wiederkommen. Könnt ihr auch. Macht das mal.