Pieces of April

Pieces of April (Ein Tag mit April Burns): Bei den ersten Bildern durch die wackelige Videokamera hatte ich geistig schon fast abgeschenkt. Aber glücklicherweise nur fast. Denn Pieces of April entwickelt sich zu einer sehr schönen, kleinen Charakterstudie.

April Burns ist das schwarze Schaf der Familie, lebt mit ihrem Freund in New York und lädt den Rest der Sippe zu Thanksgiving ein. Nicht, weil sie Lust darauf hat oder gar kochen könnte, sondern weil ihre Mutter in nicht allzu ferner Zeit an Krebs sterben wird und sie noch einmal zusammensein wollen. Die Familie macht sich mit Schwester, Bruder, Mutter, Vater und Oma im Auto auf den Weg, und April versucht derweil, den Truthahn irgendwie fertigzukriegen, denn natürlich streikt ausgerechnet heute ihr Ofen. Sie rennt von Apartment zu Apartment, während ihr Freund in der Stadt “the thing” durchzieht, von dem wir erst sehr spät erfahren, was es denn nun genau ist.

In beiden Handlungssträngen erfahren wir im Gespräch die familiären Hintergründe, das Generve, das Gezicke, die unerfüllten Erwartungen, die sowohl die Eltern an die Kinder als auch umgekehrt der Nachwuchs an die Erzeuger stellen; aber wir erfahren auch die guten Momente, die Talente, die in allen schlummern, ihre Triumphe, ihre Tragödien. Im Laufe des Films entsteht ein sehr schönes, überzeugendes Familienbild, ohne Geigen im Hintergrund und überzogene Dramatik. Ganz im Gegenteil: Der Film nähert sich dem Tabuthema Tod recht respektlos, teilweise sehr, sehr komisch und daher wohltuend ehrlich. Und bis auf wenige Ausnahmen erliegt er nicht der Versuchung, eine heile Welt zu zeigen, wo keine ist.

Was den Film auszeichnet, sind seine vielen kleinen Szenen, die völlig unprätentiös daherkommen und doch noch lange nachhallen. Wenn die Mutter im Fotoalbum ihr liebstes Bild auswählen soll und sie auf das zeigt, auf dem sie keine Brüste mehr hat. Oder wenn April fälschlicherweise glaubt, dass ihre Familie nicht gekommen ist und bitterlich darüber weint, obwohl sie doch morgens gar nicht aufstehen wollte, um sie zu empfangen. Wenn der Vater entsetzt den Wagen anhält, weil er glaubt, seine Frau im Beifahrersitz sei gestorben, obwohl sie nur schläft.

Das Ende versinkt dann leider doch ein wenig im Kitsch und kommt zu hopplahopp daher – ohne Grund, denn der Film ist gerade mal 80 Minuten lang. Da hätte man sich ruhig noch ein wenig Zeit nehmen können. Und ich persönlich wäre auch gerne noch eine Weile bei den Burns’ geblieben. So anstrengend sie auch sein mögen.

Girl with a Pearl Earring

Girl with a Pearl Earring (Das Mädchen mit dem Perlenohrring): bedächtig erzählte Kunstgeschichte. Scarlett Johansson schreitet mit dem gleichen Blick durch den Film, den sie schon in Lost in Translation drauf hatte: mit leicht geöffneten Lippen und großen, blauen Augen bezirzt sie ungewollt den Maler Johannes Vermeer, der sie schließlich malt, ausgestattet mit den Perlenohrringen seiner Frau, die natürlich eifersüchtig ist undsoweiterundsofort.

Das Drehbuch bietet exakt gar keine Überraschung, und sämtliche Charaktere sind eher Scherenschnitte denn vielschichtig. Trotzdem kann man sich den Film anschauen, denn die Set Designer und Kostümbildner haben ganze Arbeit geleistet. Die Ausstattung ist mehr als liebevoll; man fühlt sich die ganze Zeit, als ob man durch ein Museum geht. Aber es sieht nie aus wie ein Kostümfilm, sondern organisch und einfach richtig. Die Gelb- und Brauntöne sind stets warm und erdig, die Blautöne kühl und pudrig. Der Film wirkt von Tempo und Optik behutsam, schwebend, fast träumend; wie eine Reise in ein altes Meisterwerk.

The Mother

The Mother (Die Mutter): schwermütiger Film über eine Frau, die gerade ihren Mann verloren hat und eine Affäre mit dem Freund ihrer Tochter anfängt. Und als ob das noch nicht reicht, hat die Tochter generell Probleme, ihr Leben in den Griff zu bekommen, der Sohn und seine zickige Ehefrau haben finanzielle Schwierigkeiten, und alle Enkelkinder sind widerliche Wichte. Fast jeder der Charaktere hat ein paar gute Seiten, die ihn zunächst sympathisch machen, aber zum Schluss ging mir die ganze Truppe einfach nur noch auf die Nerven mit ihrer Egozentrik, ihrer Naivität, ihrer Rücksichtslosigkeit. Ich hätte mir etwas mehr Freude als die paar kleinen Glücksmomente der Mutter gewünscht und das leicht hoffnungsvolle Ende. So bleibt es ein deprimierender Exkurs in eine Familie, deren Bande eher Vorwürfe sind als Liebe.

Matchstick Men

Matchstick Men (Tricks): entspanntes Filmchen, das sich nicht recht entscheiden kann. Es fängt an wie eine kleine Gaunerkomödie (“You have won an incredible prize”), wird dann zum Familienfilm (“I’m not good at being your dad”), wird dann wieder zum Gaunerfilm, aber diesmal mit Blut, und das Schlussbild beinhaltet eine Großaufnahme eines schwangeren Bauchs. Hm.

Nicholas Cage kann endlich mal aus gutem Grund sein overacting einsetzen, weil er jemanden mit einer Menge Tics spielt, und Sam Rockwell gibt lässig seinen Gegenpart. Ich hab mich ganz gut unterhalten, aber immer, wenn die Rührseligkeit einsetzte, habe ich mir den Gaunerfilm zurückgewünscht. Reicht für einen netten Samstagnachmittag.

Ash Wednesday

Ash Wednesday: schon nach zehn Minuten keine Lust mehr auf sepia-getöntes Hell’s Kitchen gehabt. Edward Burns geht mir nur noch auf den Keks, und Elijah Wood sieht mit Knarre in der Hand einfach albern aus.

Dogville

Dogville: Ich wollte diesen Film nicht mögen, weil ich Nicole Kidman nicht abkann und Lars von Trier mir oft zu zeigefingerig daherkommt. Frau Kidman muss ich hier Abbitte leisten; in dem engen Korsett, das ihr Charakter ihr lässt, macht sie ihre Sache hervorragend, genau wie der Rest der Besetzung, der aus vielen, großen amerikanischen Namen besteht. Den Zeigefinger hat der Film aber trotzdem, und man ahnt schon nach einer halben Stunde, wie er ausgeht. Umso nerviger, dass man noch weitere zweieinhalb braucht, um sich bestätigt zu sehen. Trotzdem fand ich ihn als Experiment sehr sehenswert, wenn auch viele von von Triers guten Absichten nicht funktionieren; dafür wird die Geschichte der Frau, die in einer fremden Stadt um Hilfe bittet und dafür übelst bezahlen muss, zum Schluss zu plakativ und schlicht. Dass alles in Gewalt endet, ist meiner Meinung nach ein „richtiges“ Ende. Aber trotzdem fühlt es sich an wie eine naive Kapitalismus-Kritik, wo der Kleine dann doch den Großen eins auswischt.

Der fast Brecht’sche Aufbau der Bühne hat mich sehr fasziniert, auch wenn es sich selten wie ein abgefilmtes Theaterstück anfühlte, sondern mehr wie ein Guckloch, durch das man in eine Welt bzw. in eine Stadt hineinschaut. Von den Dialogen und der parabelähnlichen Handlung erinnerte mich Dogville ein wenig an Frischs Andorra. Allerdings zieht sich Andorra nicht so fürchterlich lang hin und ist vor allem nicht ganz so moralinsauer wie Dogville.

Den Vorwurf des Anti-Amerikanismus kann ich nicht nachvollziehen. Für mich könnte Dogville auch überall sonst auf der Welt spielen, in der eine Mehrheit die Macht über einen Einzelnen bekommt und sie missbraucht. Dass von Trier hier eine amerikanische Stadt genommen hat – nun gut. Es macht den Film nicht besser und nicht schlechter.

Behind the Red Door

Behind the Red Door: mal wieder ein Kiefer-Filmchen, bei dem ich schon vorher wusste, dass er fürchterlich werden würde. Aber immerhin darf Kiefer die ganze Zeit aussehen wie ein wandelnder Armani-Katalog. Ansonsten geht es um Brüderlein und Schwesterlein (Kyra Sedgewick, alt ist sie geworden), die sich seit zehn Jahren nicht mehr gesehen haben, und jetzt, wo Brüderlein, der schwule Modemagazin-Herausgeber an Aids stirbt, treffen sie sich wieder, sie pflegt ihn, obwohl er ein Arschloch ist, sie versöhnen sich, und nebenbei arbeitet sie auch noch ein traumatisches Ereignis aus ihrer Kindheit auf, das in wackeligen Schwarzweiß-Bildern erzählt wird.

Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass die Drehbuchautoren eine Strichliste neben sich liegen hatten, auf der alle blöden Kitschfilm-Klischees draufstehen. Diese Liste haben sie einfach abgearbeitet, inklusive Sonnenuntergang und tränenreichem “I love you dearly”. Aber dieses Badezimmer mit Blick auf den Ozean hätte ich auch gerne.

Eternal Sunshine of the Spotless Mind

Eternal Sunshine of the Spotless Mind
(Vergiss mein nicht; USA 2004)

Darsteller: Jim Carrey, Kate Winslet, Kirsten Dunst, Elijah Wood, Mark Ruffalo, Tom Wilkinson
Musik: Jon Brion
Kamera: Ellen Kuras
Drehbuch: Charlie Kaufman
Regie: Michel Gondry

Ein Mann trifft eine Frau. Die beiden verstehen sich auf Anhieb, kommen sich sehr schnell sehr nah und haben beide das Gefühl, sich zu kennen. Wir erleben die beiden für kurze Zeit in ihrer kleinen, gemeinsamen Welt, bis plötzlich eine dritte Person hinzukommt. Und auf einmal wird dem Zuschauer klar, dass diese Geschichte, die wir gerade erleben, nicht der Beginn einer Story ist, sondern schon das Ende.

Eternal Sunshine of the Spotless Mind erzählt die Geschichte von Joel und Clementine (Jim Carrey und Kate Winslet). Sie waren mal ein Paar, haben sich dann getrennt und hatten beide mit der Trennung zu kämpfen. Die impulsive Clementine tut das ihrer Meinung nach einzig Richtige, um mit dem Schmerz fertigzuwerden: Sie lässt die Erinnerungen an Joel und ihre gemeinsame Zeit löschen. Joel kommt dahinter und beschließt, es ihr gleichzutun. Doch mitten im Löschungsprozess kommen ihm Zweifel. Und nicht nur ihm, sondern auch der Zuschauer ist sich plötzlich nicht mehr sicher, ob das eine gute Idee ist.

Das Schöne an Eternal Sunshine ist, dass die futuristische Möglichkeit, Erinnerungen partiell zu löschen, sich völlig selbstverständlich in die Geschichte einfügt. Natürlich ist sie der Aufhänger des ganzen Films, aber man hat nie das Gefühl, dass sich die Story um dieses Gimmick dreht. Ganz im Gegenteil: Man akzeptiert diese Möglichkeit einfach, hakt sie ab und konzentriert sich wieder auf die Charaktere und was ihnen widerfährt.

Regisseur Michel Gondry schafft es, die Zuschauer immer wieder in neue Richtungen zu schicken. Eine Beziehung geht in die Brüche? Weg mit der Erinnerung. Was soll der Ballast. Aber dann fangen wir an zu überlegen: Besteht eine Beziehung, selbst wenn sie zuende ist, nicht auch aus guten Tagen? Aus perfekten Momenten? Und werden diese nicht um so kostbarer, je alltäglicher die Zeit zu zweit wird? Muss man nicht auch die schlechten Tage behalten, um die guten noch mehr würdigen zu können? Und vor allem: Lernt man nicht aus ihnen? Hat man nicht nur mit demütigenden, schmerzhaften, bösen Erinnerungen die Chance, es das nächste Mal besser zu machen, einfacher, würdevoller? Richtiger?

Der Film erzählt von diesen verschiedenen Momenten der Beziehung zwischen Joel und Clementine. Das Ganze passiert nicht linear oder mit simplen Rückblenden, sondern als eine Art Wanderung durch Joels Erinnerungen, die sich überschneiden mit der Realität. Wir schauen von außen und von innen auf die Geschichte der beiden und erleben sie so ständig aus einer neuen Perspektive. Viele kleine, überraschende visuelle Ideen machen das ganze noch surrealer, aber nie verwirrend. Man hat nie das Gefühl, dass ein Bild komponiert wurde, um einen schönen, aber sinnlosen Effekt zu nutzen. Jedes Bild ist eine Aussage. Und jede Aussage schiebt uns wieder in eine neue Richtung.

Ich war mir zuerst sicher, dass die Botschaft des Film ist: Wahre Liebe erkennt sich immer wieder. Dann hatte ich plötzlich das Gefühl, es ginge darum, loslassen zu können und zu müssen. Dann dachte ich, vielleicht geht es auch darum, Chancen zu erkennen, Dinge anders machen zu können, sich entscheiden zu können. Und zum Schluss schien ich wieder da zu sein, wo ich angefangen hatte, obwohl die Geschichte zuende war.

Die Hauptdarsteller Jim Carrey und Kate Winslet haben es geschafft, sie mich immer wieder neu entdecken zu lassen. Beide agieren angenehm zurückhaltend und haben doch so viel zu erzählen. Der Zuschauer erfährt sehr wenig Hintergrund über die beiden, und so müssen wir uns mit dem zufrieden geben, was wir in den zwei Stunden, die der Film dauert, erfahren können. Und das ist, wenn es um die Liebe und das Zusammensein zweier Menschen geht, so unglaublich viel.

Eternal Sunshine erzählt von den Möglichkeiten, die die Liebe bietet; er erzählt von den vielen Facetten. Er bietet keine Lösung für die perfekte Beziehung, das perfekte Zusammensein und vielleicht den perfekten Abschied, sondern nur viele Ansätze. Vielleicht ist das der Punkt, um den es geht: Was immer passiert, nimm es hin, genieß es, lerne daraus, halte es fest. Es ist nur ein Moment, ein Augenblick, eine Erinnerung. Aber vielleicht wirst du sie einmal brauchen können.

Am besten fassen es Joel und Clementine selbst zusammen. Sie als Teil seiner Erinnerung fragt ihn: “It’s all going to be gone soon. What do we do?” worauf er nur antwortet: “Enjoy it.”

Wer liebt, macht Fehler. Aber wer liebt, macht gleichzeitig alles richtig. Daran will ich mich erinnern.

Der Wixxer

Der Wixxer (D, 2004)

Darsteller: Oliver Kalkofe, Bastian Pastewka, Olli Dittrich, Anke Engelke, Thomas Fritsch, Wolfgang Völz, Christoph Maria Herbst, Tanja Wenzel, Thomas Heinze
Musik: Andreas Grimm
Kamera: Gerhard Schirlo
Drehbuch: Oliver Kalkofe, Bastian Pastewka, Oliver Welke
Regie: Tobi Baumann

Der Frosch mit der Maske, der Mönch mit der Peitsche, der Mann mit dem Glasauge und natürlich der Hexer – sie alle haben einen würdigen Nachfolger gefunden: den Wixxer. Ein Fiesling, wie er im Buche steht: eine furchteinflößende Gummimaske, eine unheilvolle Stimme, eben der klassische Schrecken der Londoner Unterwelt. Aber er hat einen ebenbürtigen Gegner, einen Inspektor von Scotland Yard, ein Mann, der seinem Namen jede Ehre macht: Chief Inspector Even Longer. Der Wixxer hat keine Chance, Baby.

Mit den heute arg antiquiert wirkenden Edgar-Wallace-Schinken aus den 60ern hat Der Wixxer glücklicherweise kaum etwas gemein. Er hat zwar auch eine Menge blöder Namen (mein Hassfavorit war Mrs. Drycunt), ist aber ansonsten eher lustig als spannend. Auch wenn Eddi Arendt damals wohl auch lustig sein sollte.

Oliver Kalkofe und Bastian Pastewka, die zusammen mit Oliver Welke das Drehbuch geschrieben haben, kalauern sich durch muntere 85 Minuten Film, in denen Thomas Fritsch als Earl of Cockwood auf einem Schloss lebt, in dem alles schwarzweiß ist und der einen Butler mit Hitlerbärtchen hat, der gerne zu David Hasselhoff sein Workout macht. Außerdem begegnen wir Anke Engelke, die für eine Girlband zwangsgecastet werden soll, Olli Dittrich als Dieter Dubinsky aus Bitterfeld und Wolfgang Völz als Chef von Scotland Yard, der im – wörtlich zu nehmen – Handumdrehen aus einem Ton-Penis Big Ben machen kann. Tolle Sache, das.

Man merkt der gesamten Truppe an, wieviel Spaß sie beim Dreh hatten, so launig und unverkrampft kommen die meisten Gags daher. Natürlich dürfen die Witze für die Zwölfjährigen im Publikum nicht fehlen. Wie praktisch, dass der Earl eine Mopszucht hat und eine blonde Angestellte, die wegen der – genau – Möpse eingestellt wurde. Diese Gags aus der Mottenkiste bleiben aber netterweise die Ausnahme. Ansonsten folgt ein skurriler Einfall auf den nächsten, und so nimmt man es Oliver Kalkofe auch nicht weiter übel, dass er überhaupt nicht schauspielern kann. Er ist am besten, wenn er einfach nur versoffen oder verknallt oder grübelnd durch die Gegend guckt, während Pastewka mit seinem Jojo spielt oder dem Earl die Kekse wegfrisst.

Überhaupt sind sämtliche Charaktere so dermaßen überdreht, dass sie sich wirklich jeden Blödsinn erlauben dürfen. Jeder Anflug von Tiefe wird sofort weggescherzt, und jeder Ansatz einer sinnvollen Handlung dadurch zunichte gemacht, dass die Akteure mit dem Medium spielen, in dem sie sich bewegen. Wenn der Soundtrack zum Beispiel unheilvoll anschwillt, nölt Kalkofes Even Longer in die Kamera, dass er so einfach nicht arbeiten könne – worauf die Blaskapelle im Hintergrund ins Bild kommt und ihre drohende Melodie sofort einstellt. Schöne Cameos von Größen und Kleinen der deutschen Showbranche runden das muntere Treiben ab. Hier passt der altmodische Ausdruck meiner Meinung nach wirklich, denn aus der Hommage an die alten Filmchen ist ein sehr unterhaltsames Werk geworden, das liebevoll mit seiner Vorlage spielt und sie gleichzeitig respektlos auseinandernimmt.

Wer genau der Wixxer denn nun ist, interessiert zum Schluss nicht wirklich, auch wenn es ein sehr schöner Gag ist, jedenfalls für die Leute, die ab und zu Kalkofes Mattscheibe gucken. Eigentlich wollte ich persönlich nur wissen, ob bei der wilden Verfolgungsjagd die obligatorische E.T.-Anspielung kommt (sie kam) und ob Inspektor Even Longer seine Angebete, Miss Pennymarket, zum Schluss in die Arme schließen darf (sag ich nicht). Und wenn Pastewka nicht ständig den indischen Rosen-Verkäufer machen würde, hätte ich noch lauter über seine schräge Bestellung „Ich nehme ein stilles Wasser und den Eisbecher Pinocchio“ gelacht.

Spun

Spun: abgefilmter Drogen- und Sextrip von Videoregisseur Jonas Akerlund. Die banale Story wird aufgepeppt durch allerlei optische Gimmicks, die man a) in Requiem for a Dream auch schon gesehen hat und die b) nach drei Malen einfach keinen Spaß mehr machen. Außerdem gibt’s total crazy Szenen wie Mena Suvari beim Kacken, John Leguizamo beim Telefonsex mit einem Strumpf über dem Dödel und Eric Roberts als Siegfried oder Roy-Imitation mit blonder Perücke. Alles in allem unausgegoren und pseudo-schockierend. Aber als Mickey „Was sah der Mann mal gut aus“ Rourke vor einem Sternenbanner zugekokst “Don’t ask what the pussy can do for you – ask what you can do for the pussy” von sich gibt, da habe ich schon ein bisschen wehmütig-gerührt gelächelt.

S.W.A.T.

S.W.A.T. (S.W.A.T. – Die Spezialeinheit): Man weiß gleich, in welcher Art Film man sich befindet, wenn der schwarze LKW der LAPD in Zeitlupe und zu knirschenden Gitarren ins Bild gerollt kommt. So geht der Streifen dann auch weiter: knackige Kerle, ein Quotenweibchen, viele Böse, noch mehr Gute, Knarren ohne Ende … aber leider ein ziemlich mieses Timing.

Die Story zerfällt in viele kleine Storys: Erst wird Colin Farrell aus dem Team rausgeschmissen, dann dient er sich wieder rein, dann wird ein neues Team trainiert, besteht eine Prüfung, und dann fängt der Film eigentlich erst an. Ein Böser bietet 100 Millionen Dollar, um aus dem Gefängnis befreit zu werden. Das lässt sich die Unterwelt nicht zweimal sagen und startet sofort mit blindem Aktionismus. Das S.W.A.T.-Team hat alle Hände voll zu tun, aber seltsamerweise wird es nie wirklich spannend, weil die Handlung trotz ständig treibendem Soundtrack, den üblichen Verfolgungsjagden und überlangen Schießereien nie aus den Puschen kommt. S.C.H.N.A.R.C.H.

Real American Targets

Schon komisch, wie schnell man von Hamburg nach Indiana kommt. Jedenfalls per Geruch, Geräusch oder Gefühl.

Manchmal reicht der Geruch von Chlor, und ich muss an Karls Küche denken und daran, dass ich mich immer vor einer Gasexplosion gefürchtet habe, sobald er den Herd angemacht hat. Das Geräusch von Pokerchips lässt mich an die fiesen Abende denken, die wir mit seinem Freund Tom und seinem Bruder und viel zu viel Budweiser verbracht haben und an denen ich wirrste Varianten von stud poker gelernt und bis heute behalten habe. Und bei jedem Becher eiskaltem Ben & Jerry’s in meiner Hand denke ich an meinen ersten Besuch in einem amerikanischen Supermarkt, bei dem ich fast in die Kühlschränke gekrochen bin, so sehr hat mich die Größe der Teile beeindruckt.

Und manchmal bekommt man sogar alles auf einmal. Einen Geruch, ein Geräusch, ein Gefühl.

Wir hatten gestern in der Agentur unsere so genannte Unitrunde. Dabei wurde unser Team von den Cheffes an einen uns vorher nicht bekannten Ort geführt, wo wir dann uns vorher nicht bekannte Dinge tun würden. Wir trabten also gespannt durch die Hamburger Innenstadt – Thalia Theater? Müssen wir Text lernen? Kunsthalle? Malen? Oder gucken wir uns bloß die Baustelle der Europa-Passage an? –, bis wir vor einer unscheinbaren Tür stehenblieben, die, glaube ich, niemandem von uns jemals aufgefallen war. Aber die Aufschrift an der Tür war deutlich: Hanseatic Gun Club.

Wir würden in der Gegend rumballern dürfen. Mit echten Knarren und scharfer Munition. Der Alptraum jedes Zivildienstleistenden.

Sobald ich das Türschild gelesen hatte, hatte ich ein Grinsen im Gesicht, das den ganzen Nachmittag nicht wieder wegging. Und als ich die automatische Pistole in der Hand hatte, war alles wieder da: die Erinnerung an die Nachmittage mit Karl und Tom auf einer shooting range, drei Sandbahnen, die wie selbst geschaufelt aussahen und sich malerisch direkt hinter einen Campingplatz mitten in der Pampa schmiegten. Meine anfängliche Angst vor den Knarren, die Tom zu dutzenden aus seinem Waffenkoffer holte (stilecht mit NRA-Aufkleber und “Guns don’t kill people. People kill people”-Glückskeksweisheit). Meinen Respekt, den mir die beiden vermittelten, indem sie mir jeden Hebel an jeder Waffe erklärten, bevor ich sie überhaupt anfassen geschweige denn laden durfte. Und dieses unglaubliche Gefühl, als ich zum ersten Mal eine Waffe abgefeuert habe.

Als der Plan aufkam, mal auf die shooting range zu fahren, um mir das ultimative Touri-Erlebnis zu bescheren, hatte ich mich mit Händen und Füßen gewehrt. Ich war wirklich nicht wild darauf, mit echter Munition in der Gegend rumzuknallen und hatte, ehrlich gesagt, auch ein bisschen Schiss. Die beiden haben locker gesagt, wenn du nicht willst, dann musst du nicht. Guck erstmal zu, und wenn du doch Bock hast, sag Bescheid.

Also habe ich zugeguckt, wie die beiden Toms Arsenal scharf gemacht haben. Als ich fragte, worauf sie denn überhaupt schießen würden, grinste Tom nur, öffnete den Kofferraum seines Autos und zerrte drei Müllsäcke voll leerer Bierdosen heraus: “Real Americans aim at real American targets – Budweiser cans.”

Karl und Tom bestückten die Sanddüne der 25 Yards-Bahn (die 50er und 100er waren zu meinem Blindfisch-Glück besetzt), stellten sich in Positur und begannen, die Dosen abzuschießen. Natürlich dauerte es nur ungefähr 30 Sekunden, bis ich es auch mal versuchen wollte. Und so habe ich meine erste Waffe in die Hand genommen: eine halbautomatische .40er. Sie war schwerer als ich erwartet hatte, obwohl sie noch nicht geladen war. Ich muss gestehen, ich war von der Optik ziemlich beeindruckt. Innerhalb einer Sekunde war das Unbehagen, eine tödliche Waffe in der Hand zu haben, der Faszination gewichen, ein Stück absolut präzise, kühle Mechanik zu erleben.

Ich habe das Magazin mit den Kugeln bestückt, habe mir nochmal das Zielen erklären lassen, das Entsichern, den Abzug, das Schießen. Tom und Karl hatten mir auch erzählt, dass der Rückstoß sehr stark sei und dass ich mich nicht erschrecken solle. Hab ich natürlich trotzdem, denn auf dieses Gefühl, dass mir gleichzeitig beide Hände hochgerissen und die Schultern zurückgedrückt wurden und es auch mit Ohrstöpseln noch höllisch laut knallte, war ich trotz aller Erläuterungen nicht vorbereitet. Aber nach dem ersten Schreck war ich angefixt. Ich habe wie Dirty Harry breitbeinig im Sand gestanden und wie blöde Bierdosen weggeknallt. Und meine Fresse, hat das einen Heidenspaß gemacht.

Im Laufe meines Urlaubs waren wir noch mehrmals auf der range, teils mit noch mehr Bierdosen (selbst geleert, selbst abgeschossen), teils mit Zielscheiben, die wir in einem Anglerladen beim Campingplatz gekauft haben. Ich bin der .40er treu geblieben, habe aber auch noch mit einem .38er Revolver rumgeballert und der Desert Eagle, eine .44er, die so schwer war, dass ich nach jedem Schuss die Arme runternehmen musste. Dieses Erlebnis und das Gefühl, das ich mitgenommen habe, waren einmalig: sehr intensiv, sehr besonders und sehr amerikanisch.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich dieses Gefühl nochmal erleben würde, jetzt, wo Karl nicht mehr mit mir auf Bierdosen schießen kann. Aber komischerweise hat es sich fast so angefühlt, als wäre er gestern dabei gewesen. Ich habe ihn gespürt, als ich zum ersten Mal die Pistole und danach den Revolver in die Hand genommen und erstaunt festgestellt habe, dass sich meine Hände an das Gefühl sofort erinnern, eine Waffe zu halten. Ich hatte keine Angst mehr vor dem Rückstoß und dem Knall, weil ich wusste, was kommt. Und ich habe mich sofort wieder an den seltsamen metallischen Geruch erinnert, der danach an den Händen klebt.

Es war schön, mal wieder nach Indiana zu kommen, auch wenn der Kloß im Hals im Laufe des Abends immer dicker wurde.

Hab mir ne gute Agentur ausgesucht.

Touching the Void

Touching the Void (Sturz ins Leere): Dokumentarfilm über eine missglückte Besteigung des Siula Grande in Peru. Die beiden Briten Simon Yates und Joe Simpson wagen sich 1985 an die Erstbesteigung einer Wand des Berges. Beim Abstieg rutscht Joe aus und bricht sich das Bein. Simon versucht ihn abzuseilen; dabei rutscht Joe über einen Vorsprung und hängt nun im Seil, unfähig, sich hochzuziehen. Die beiden hängen 100 Meter auseinander und können nicht miteinander kommunizieren. Simon weiß nicht, was passiert ist und trifft die in seinen Augen einzig mögliche Entscheidung: Er schneidet das Seil durch. Joe stürzt in eine Gletscherspalte. Beide glauben vom anderen, dass dieser tot sei.

Das Unglaubliche: Beide überleben diesen Trip. Der Film mischt Interviews mit den beiden mit einer Art filmischer Nacherzählung. Und obwohl man natürlich weiß, dass beide es geschafft haben, kann man es noch weniger glauben, wenn man die (nachgestellten) Bilder dazu gesehen hat. Atemberaubende Panoramen wechseln sich ab mit klaustrophobischen Geständnissen, vor allem natürlich von Joe, der vier Tage dafür gebraucht hat, zuerst aus der Gletscherspalte herauszukommen, dann für den Abstieg über Eis und Schnee und dann für den letzten, noch quälerenden Weg über Geröll zurück ins Camp, fast wahnsinnig vor Schmerzen und Durst. Seine Erzählung, wie er seinen Verstand behalten hat, wie er sich immer wieder motiviert hat, obwohl er sich sicher war, bald tot zu sein, ist einfach übermenschlich und ging mir persönlich sehr nahe.

Was mich ebenfalls beeindruckt hat: Bis heute verteidigt Joe Simons Entscheidung, das Seil zu kappen. Er hätte es genauso gemacht. Sein Buch über das Erlebnis in Peru hat er Simon Yates gewidmet.

My Life Without Me

My Life Without Me (Mein Leben ohne mich): sehr ruhiger und gefühlvoller Film über eine junge Mutter und Ehefrau, die erfährt, dass sie nur noch wenige Monate zu leben hat und das ihrer Familie verschweigt. Sie erledigt Dinge, die sie schon viel zu lange vor sich hergeschoben hat bzw. versucht Dinge zu erleben, die ihr noch in ihrer Biografie fehlen und hofft, ihren Lieben ein Leben ohne sie zu hinterlassen, das nicht zu viele Schmerzen verursacht.

Ich hatte ein bisschen das Gefühl, dass der Film sich um die Auflösung herumdrückt (gelingt ihr der Plan? Leben danach wirklich alle einfach glücklich weiter?), aber ich mochte die sensible Erzählweise und die unaufgeregten, kleinen Wahrheiten und Denkanstöße, die er mir mitgegeben hat.

Laurel Canyon

Laurel Canyon: Christian Bale als angehender Arzt, Kate Beckinsale als seine Freundin, die an ihrer Dissertation über Fruchtfliegen schreibt (einer Frau eine Brille aufzusetzen, macht sie noch nicht zur glaubwürdigen Intellektuellen, sorry) und vor allem Frances McDormand als Bales rockplattenproduzierende Mama machen den Film wenigstens von den Schauspielern her sehenswert. Die Handlung fühlte sich allerdings so an, als ob eine Amerikanerin mal versucht hat, europäisches Kino zu imitieren. Amoröse Irrungen und Wirrungen, die mich eher genervt denn überzeugt haben, und Charaktere, die so tief sind wie eine Pfütze, machen leider keinen guten Film. Aber die Szene, in der Bale und seine heimliche Angebete Natasha McElhone im Auto darüber reden, wie sie sich vorstellen, miteinander zu schlafen, ist schon heißes Kino. Besser als jede Sexszene. Unglaublich.