Send your name to Mars. Via Nerdcore.

We Choose the Moon

We Choose the Moon. Eine schicke Flash-Site, die die Apollo-11-Mission zum Mond nachstellt. In „Echtzeit“. Das heißt, in drei Stunden und circa 40 Minuten wird auf der Seite eine Rakete starten. Bitte einsteigen und mitfliegen.

(via Caros Gezwitscher)

Zur Einstimmung ein paar Bilder von wie immer großartigen Big Picture.

Und: SpOn entkräftet die schönsten Verschwörungstheorien.

Saturday Night Nervscheiß

Seit letztem Montag beherrscht mich mein Magen-Darm-Trakt. Ich erspare euch die Details, möchte aber sagen, dass ich fast immer und bei fast allen Gebrechen meines Körpers nach 40 Lebensjahren inzwischen der Meinung bin: Das regelt sich von alleine. Ausnahme sind Zahnschmerzen, da bin ich innerhalb von fünf Minuten beim Arzt. Alles andere geht auch so wieder weg. Notfalls helfe ich mit Pfefferminztee, Zwieback, Schlafen und Rumnölen nach. So habe ich auch die letzte Woche verbracht, bis sich Samstag nachmittag mein Bauch zu den Blödmännern Magen und Darm gesellte und plötzlich fies geschmerzt hat. Und da half dann irgendwie gar nichts mehr, weder Wärme noch Rumlaufen noch Stillliegen noch Rumnölen. Nach drei Stunden habe ich den Kerl angejammert, mich bitte in die Notaufnahme zu begleiten, weil mein Kreislauf inzwischen so weit im Keller war, dass ich kaum noch die Treppe zum Taxi runtergekommen bin.

In der Notaufnahme stellten wir uns hinter einige lustig gewandete Gesellen in die Schlange am Empfangstresen. Der Schlagermove war in der Stadt und damit ne Menge viel zu gut gelaunter Leute mit viel zu viel Bier im Blut. Nach zehn Minuten Rumstehen und Bauchfesthalten und Frieren (Fiebermessen ergab 35,4°) waren wir dran, ich erzählte, wie’s mir so ginge, bekam zu hören „Das kann heute dauern“, nickte ergebenst und begab mich an Kerls Arm ins Wartezimmer. Keine zehn Minuten später wurde ich aufgerufen und schlurfte ins Untersuchungszimmer, wo ein Arzthelfer sich erzählen ließ, was ich so hätte und das in eine Mozilla-Eingabemaske tippte, wie mir der Kerl später berichtete, der einen besseren Blick auf den Monitor hatte, während eine freundliche Arzthelferin Blutdruck maß, mir zehn Elektroden irgendwohin klebte und dann eine Viertelstunde lang versuchte, mir Blut abzunehmen.

Dass ich anscheinend unsichtbare Venen habe, weiß ich schon länger. Ich schwärme heute noch von einer Spezialpraxis, die nur Blutuntersuchungen macht und daher Leute an den Nadeln sitzen hat, die schon alle Arme dieser Welt gesehen haben. Die Dame damals hatte ungelogen einmal auf meinen Arm getippt, die Nadel reingestochen, ohne dass ich es groß gemerkt habe und innerhalb von einer Minute fünf Ampullen voll. Sie war fast beleidigt, als ich – ich gucke beim Blutabnehmen nie hin – fragte, ob sie schon angefangen habe. Die andere Seite des Spektrums war der Arzt in der Reha, in der ich nach meiner Bandscheiben-OP war, der es zehn Minuten lang in jedem Arm probierte, dann noch in beiden Handrücken und mir schließlich eine Nadel seitlich am Handgelenk reinrammte, während ich damit beschäftigt war, nicht vor Kreislaufschwäche vom Stuhl zu rutschen, denn das ganze war morgens, ich war nüchtern und inzwischen so sturmreif gepiekt, dass ich kurz davor war, mich zu übergeben.

So schlimm war es diesmal nicht; die Nadel war relativ schnell drin, auch wenn das Auf-den-Arm-Klopfen, um die Venen hervorzulocken, und das Faustmachen nicht so richtig angeschlagen hatten. Diesmal waren dann nicht meine Adern zickig, sondern mein Blut, das sich nur tröpfchenweise in die Ampulle „ergoss“. Nach fünf Minuten suchte der Arzthelfer mal meinen anderen Arm ab, während die Arzthelferin sich mit meinem Handrücken beschäftigte. Das Stechen war dann auch eher ein Bohren, ich klapperte inzwischen mit den Zähnen, was aber alles prima von den Bauchschmerzen ablenkte, und schließlich hatte ich zwei Kanülen drin, aus denen endlich genug Blut fürs Labor raustropfte.

Eine gute halbe Stunde nach unserer Ankunft saßen wir also wieder im Wartezimmer, und ich dachte noch naiv, wenn’s in dem Tempo weitergeht, ist ja alles halb so wild. Neben uns saß ein ganz in Weiß gekleideter Typ, der auch schon eine Kanüle im Arm mit sich rumtrug und ansonsten Notizen auf alten Moleskine-Blättern machte, die er in der Hosentasche mit sich führte. Drei türkische Kinder spielten auf dem Fußboden, der große Bruder passte auf.

Stunde 2. Die Mutter der Kinder kommt aus der Untersuchung wieder und legt ihren Arm seltsam verrenkt neben sich auf den Stuhl. Sie verabschiedet ihre Kinder, die fröhlich das Krankenhaus verlassen, während sie hierbleibt. Ganz in Weiß geht zu einer Untersuchung und kommt kurz darauf wieder zurück, äußerlich unverändert. Er schreibt weiter auf seinen losen Blättern rum. Ein älterer Mann mit Regenschirm kommt rein, nimmt sich nichts zu lesen, sondern guckt nur. Draußen am Tresen sammeln sich die nächsten Schlagerfredels und verstreuen Kunstblumen im Eingangsbereich. Die Krankenwagen kommen ohne Blaulicht und schieben Leute auf Tragen an uns vorbei. Verbundene Füße, Köpfe und Hände.

Stunde 3. Zwei Frauen in meinem Alter mit Gucci-Täschchen machen es sich bequem. Ich habe keine Ahnung, was ihnen fehlt. Überhaupt sehen alle im Wartezimmer nicht so aus, als hätten sie irgendwas. Meine Bauchschmerzen sind inzwischen netterweise schwächer geworden (wie immer, wenn man beim Arzt ist), mein Kreislauf hat sich etwas stabilisiert und ich lese Proust. Zwei Polizisten führen ein hysterisches Mädchen mit Handy am Ohr zum Tresen und raunzen „Jetzt ist aber Schluss mit Telefonieren, wir sind hier im Krankenhaus.“ Das Mädchen muss anscheinend eine Urinprobe abgeben; jedenfalls geht sie aufs Klo, das vom Warteraum abgeht. Die beiden Gucci-Tanten bekommen Zuwachs, ein Freund von ihnen leistet ihnen beim Warten Gesellschaft. Zusammen erkunden sie den Heißgetränkeautomaten und stellen fest, dass es Vanillemilch gibt. Ich verkneife mir seit Stunden einen Gang zum Klo, weil ich ja denke, dass ich jederzeit dran sein müsste. Der ältere Herr mit dem Regenschirm verschwindet mit einem Arzt, Ganz in Weiß guckt in der Gegend rum. Nach einiger Zeit fällt den Polizisten auf, dass Handy-Mandy immer noch nicht wieder vom Klo zurück ist. Zusammen mit einer Schwester stürmen sie die Toilette, wo das Mädchen entspannt telefoniert anstatt zu pinkeln.

Stunde 4. Ich kann mich nicht mehr auf Proust konzentrieren und daddele am iPhone rum. Der Kerl sitzt neben mir und macht das gleiche mit seinem iPhone. Draußen rollen wieder blutende Schlagerdeppen an uns vorbei. Ganz in Weiß und Regenschirm haben sich angefreundet und tauschen Erzählungen hinter den Kulissen aus. Ganz in Weiß muss Montag auf Geschäftsreise und wollte vorher nur mal seine Blutwerte durchchecken lassen. Da habe er sich ja nen Supertag für ausgesucht. Regenschirm rückt nicht so recht raus, was er eigentlich hat, sagt aber immer jaja, und die beiden verabreden sich schon mal fürs Frühstück im Erikas Eck. Die türkische Mutter wird von einem Arzt abgeholt und darf endlich gehen. Dem Begleiter von Gucci-Täschchen wird es langweilig, und er setzt sich nach draußen ins Auto, wo es bequemer wäre als hier drinnen. Kerl und ich überlegen, an welchen Tagen man nicht in Hamburg in eine Notaufnahme gehen sollte: „Schlagermove … Hafengeburtstag … Welt-Astra-Tag … Harley Days … CyClassics … Hanse-Marathon … CSD … 1. Mai … Grand Prix d’Eurovision … wenn Pauli spielt … wenn der HSV spielt …“

Stunde 5. Ein Arzthelfer fragt mich, ob mich schon ein Arzt gesehen habe. Ich verneine und glaube, gleich dranzukommen. Ein Krankenwagen bringt ein heulendes Mädchen rein, das verzweifelt ihre Mutter auf dem Handy anfleht, schnell in die Notaufnahme zu kommen. Keine 20 Minuten später sind Mama und ein Kerl da. Der Kerl trägt ein Shirt mit der Aufschrift „Der frühe Vogel kann mich mal“ und scheint sich nicht sonderlich dafür zu interessieren, dass Stieftöchterchen (?) fast einen Nervenzusammenbruch hat. Mama tröstet leise, Wurm holt sich nen Kaffee. Oder eine Vanillemilch. Gucci-Täschchen und Freundin werden allmählich nölig, dass alles so lange dauert. „Ich meine, ich muss Montag zur Arbeit, wie stellen die sich das denn vor?“ Sie sucht einen Arzt, um sich zu beschweren. Der Begleiter scheint im Auto eingeschlafen zu sein. Ganz in Weiß und Regenschirm werden von verschiedenen Ärzten abgeholt, verschwinden, kommen wieder, setzen sich und plaudern weiter.

Stunde 6. Die ersten lauteren Besoffskis rollen festgeschnallt auf Tragen an uns vorbei. Ein Mädchen ist nicht zu erkennen hinter ihren Haaren, ihre Freundin hält ihre Hand. Einige der Leute, die vor Stunden an uns vorbeikamen, rollen oder humpeln jetzt wieder raus. Bis zu drei Krankenwagen gleichzeitig stehen immer an der Tür. Eine Schwester kommt rein und fragt, ob hier jemand einen silbernen Volvo führe, der würde gleich abgeschleppt. Gucci hat einen Arzt gefunden und berichtet stolz ihrer Freundin, dass sie gleich dran sei. Sie habe gedroht, sonst zu gehen, ohne irgendwas zu unterschreiben. „Die können mich doch nicht zwingen, hierzubleiben. Und überhaupt: gegen ärztlichen Rat. Ich hab doch noch gar keinen Arzt gesehen!“ Mama und das heulende Mädchen werden nach hinten gebeten, von wo sie sichtlich erleichtert wieder auftauchen. Zwei Schlagerdeppen, die ihren Freund mit Kopfverband abholen, machen Erinnerungsfotos vor dem Empfangstresen. Ich gehe endlich aufs Klo und teste dann den Wasserspender an. Zimmerwarm, kalt, mit Sprudel und ohne. Toll.

Stunde 7. Ein Arzt kommt auf uns zu: „Ich suche eine Frau Gröner?“ Kerl bringt mich zum Untersuchungsraum, wo ich all das nochmal erzähle, was ich vor sieben Stunden schon mal erzählt habe. Inzwischen geht’s mir deutlich besser, ohne dass ich irgendwas bekommen hätte. Der Arzt ist nett und geduldig, gibt mir zwei Tabletten, rät zu den frei verkäuflichen Medikamenten und meinte, ich müsse nochmal kurz ins Wartezimmer, bevor es den Entlassungsbrief gebe, er habe noch eine Patientin. Ich gehe raus und Gucci scharrt schon mit den Hufen. Ganz in Weiß und Regenschirm rauchen vor der Tür, bekommen ihre Entlassungsbriefe und gehen gemeinsam. Wir sind alleine im Wartezimmer.

Stunde 8. Gucci kriegt ihren Entlassungsbrief vor mir. Der Kerl schläft allmählich ein und ich schicke ihn nach Hause, weil ich noch auf jemanden warte, der mir meine blöde Kanüle aus dem Handrücken zieht. Ich bekomme meinen Entlassungsbrief und die Ansage, es käme gleich jemand, um mich zu entnadeln. Ich mache es mir im Eingangsbereich bequem, wo niemand mehr an mir vorbeirollt. Kein Krankenwagen ist mehr zu sehen. Ich warte 20 Minuten, bis ich mich traue, doch mal am Empfang nachzufragen, ob sich jemand um mich kümmern könnte. „Ach, wir dachten, Sie warten auf Ihren Freund.“ Zwei Minuten später habe ich ein blutiges Pflaster auf der Hand und gucke draußen an der Bushaltestelle dem Sonnenaufgang zu.

Sonntag. Kerl holt mir Medikamente aus der Apotheke plus lustiges Pulver für eine Glucoselösung, weil ich das selbstgebraute Zeug (ein Liter Wasser, einen Löffel Salz, drei Löffel Zucker) einfach nicht runterkriege. Die Apotheke hat ihm ein pinkfarbenes Pulver mitgegeben, das großartig und wie Kabafit Erdbeer schmeckt. Mir geht’s seit einer Woche zum ersten Mal wieder halbwegs gut. Ein bisschen müde vielleicht. Und nen riesigen blauen Fleck in der Armbeuge habe ich auch. Aber immerhin knapp 100 Seiten Proust geschafft.

Ich hätte gerne ein T-Shirt mit der rechten Figur im zweiten Panel und diesem Satz drauf.

Schleift die Gutenberg-Festung!

Von der Gutenberg-Festung zum digitalen Kontinent schreibt das Ethority-Weblog:

Der digitale Kontinent wird nicht von Early Adopters bevölkert, sondern von der Early Majority

Auf der anderen Seite: Ein Blick auf die wichtigsten Zahlen für diesen Bereich ergeben ein ganz anderes Bild. Die Internetdurchdringung liegt mittlerweile auch in Deutschland zwischen 67% (ARD/ZDF-Onlinestudie 2009) und 76% (ACTA 2008). Ein unerforschter digitaler Kontinent mit 50 Millionen Einwohnern? Wenn man auf die jüngeren Generationen blickt, sind die Zahlen noch beeindruckender: 71% der 7 bis 10jährigen, 93% der 11 bis 14jährigen und sogar 99% der 15 bis 17jährigen Deutschen nutzen das Internet, hat der BITKOM gerade festgestellt. Wer hier von einer exotischen Minderheit spricht, hielt vermutlich auch Das Kursbuch für eine Massenpublikation. Der digitale Kontinent wird nicht von Early Adopters bevölkert, sondern von der Early Majority – vielleicht sogar immer stärker auch von der Late Majority, wenn man sich vergegenwärtigt, dass mittlerweile bereits 25% der Über-60jährigen laut ARD-ZDF-Onlinestudie 2008 daran (sehr) interessiert sind, aktiv Beiträge zu verfassen und ins Internet zu stellen.“

„… so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe.“

Jesaja 55, 11 (Einheitsübersetzung)

Popkulturelle Referenzen, j’adore!

Hier geht der Link hin. (Und hier hab ich nachgeguckt, was das überhaupt bedeutet, damit ich’s dann toll finden konnte.)

derdiedas

How does our language shape the way we think? Schöner Artikel von Lera Boroditsky. Via Arts & Letters Daily.

“In one study, we asked German and Spanish speakers to describe objects having opposite gender assignment in those two languages. The descriptions they gave differed in a way predicted by grammatical gender. For example, when asked to describe a “key” — a word that is masculine in German and feminine in Spanish — the German speakers were more likely to use words like “hard,” “heavy,” “jagged,” “metal,” “serrated,” and “useful,” whereas Spanish speakers were more likely to say “golden,” “intricate,” “little,” “lovely,” “shiny,” and “tiny.” To describe a “bridge,” which is feminine in German and masculine in Spanish, the German speakers said “beautiful,” “elegant,” “fragile,” “peaceful,” “pretty,” and “slender,” and the Spanish speakers said “big,” “dangerous,” “long,” “strong,” “sturdy,” and “towering.” This was true even though all testing was done in English, a language without grammatical gender. The same pattern of results also emerged in entirely nonlinguistic tasks (e.g., rating similarity between pictures). And we can also show that it is aspects of language per se that shape how people think: teaching English speakers new grammatical gender systems influences mental representations of objects in the same way it does with German and Spanish speakers. Apparently even small flukes of grammar, like the seemingly arbitrary assignment of gender to a noun, can have an effect on people’s ideas of concrete objects in the world.”

Und mit diesem Wissen im Hinterkopf nöle ich weiter darüber, dass die Piratenpartei das Wort „Pirat“ ernsthaft als geschlechtsneutral ansieht (§1.5). Falls ich mich dazu entschließen sollte, dieser Partei beizutreten, werde ich trotzdem eine „Piratin“ sein. (Nicht dass das meine Hauptsorge ist, die diese Partei betrifft, aber ja, ich denke durchaus über sowas nach.)

Free

Chris Andersons Buch Free ist seit gestern erhältlich: umsonst in Scribd-Form und als ungekürztes Hörbuch. Die gekürzte Fassung kostet bei Audible knappe 8 Dollar, das gedruckte Buch kostet 13,95 Euro und sollte eigentlich ab heute verfügbar sein.

Die Stellungnahme des Piraten-Vorstands zum Fall Thiesen. #piraten+

Heidelberger Jeremiaden

Ein kluger Kommentar von Thierry Chervel beim Perlentaucher zu Google Books: Hört nicht auf die Heidelberger Bocksgesänge.

„Der “Heidelberger Appell” und das ganze apokalyptische Gemurmel, das von interessierte Lobbyorganen darum getrieben wird, sollte die Politiker, die Verlage und die Autoren ohnehin nicht dazu verleiten, unvernünftig zu handeln:

Die Digitalisierung der Bücher wird sowohl den Autoren als auch den Verlagen Chancen bieten. Autoren (und ihre Erben) werden mit Büchern Geld verdienen, die für sie längst totes Kapital waren. Verlage finden neue Vertriebswege jenseits aller geografischen Grenzen. Und gerade die Verlage mit großer Backlist, die Publikums- und Qualitätsverlage, die jetzt schon wegen der Backlistverkäufe Amazon zu Füßen liegen, werden profitieren. Je mehr Klicks sie auf ihren Seiten haben, desto besser werden sie diese neuen Umsätze lenken können. Es hilft also nur eins: Nachdenken über die Potenziale des Internets.

Das Netz verändert alles. Es ist wirklich ein dramatischer, zugleich zutiefst faszinierender Bruch. Dieser Bruch wird auch Opfer fordern, bei alten und bei neuen Akteuren. Aber man sollte ihm mit Optimismus begegnen. In der Literatur zum Beispiel ermöglicht das Netz plötzlich eine ganz neue Kommunikation zwischen Autoren und Lesern. Viel zu wenige Autoren, die vor lauter Angst den “Heidelberger Appell” unterzeichnet haben, denken darüber nach. Wer von ihnen schreibt ein Blog?

Klügere Autoren werden das Netz suchen, um ihre Leser zu finden. Klügere Verleger werden die Heidelberger Jeremiaden als das nehmen was sie sind, Konvulsionen eines erstarrten Wesens, das aufwacht und sich die Augen reibt. Soll es zurücksinken in den Status quo?“

(Danke an Stephanie für den Hinweis)

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Sehr spannender Artikel von Berthold Seliger aus der Berliner Zeitung, der sich vordergründig mit der Popkomm beschäftigt, aber eine Menge interessanter Zahlen und Fragen im Gepäck hat (Hervorhebungen von mir):

„Keine Rede davon, dass die Branche bei der Entwicklung digitaler Tonträger alles verschlafen hat – von der Erweiterung der Vertriebswege bis zur Erneuerung des Urheberrechts. Außerdem weist selbst der BMI (Anm: Bundesverband Musikindustrie) in seinem Jahreswirtschaftsbericht darauf hin, dass illegale Downloads und der Absatz von CD-Rohlingen stark rückläufig sind: Von 2003 bis 2007 hat sich die Zahl illegaler Downloads von 602 auf 312 Millionen fast halbiert, obwohl es drei mal so viele DSL-Zugänge gibt, heißt es dort. Die Tonträgerkonzerne erwirtschaften längst mehr als jeden fünften Euro im Internet, 2007 weltweit 3,7 Milliarden Dollar, wobei der Umsatz allein von 2007 auf 2008 um ein Drittel stieg.

Die Erhebungen sind durchaus fragwürdig: Woher will der Verband etwa genaue Zahlen illegaler Downloads wissen? Und nicht jeder Rohling wird zum “Schwarzbrennen” von Musik genutzt. Es gehört Chuzpe dazu, von der Politik dennoch protektionistische Gesetze zu verlangen. Gornys Konzept ist es, der Politik seine Forderungen stetig einzuhämmern: der tausendfach verbreitete Unsinn wird schon irgendwann hängenbleiben. Unter diesem Motto unternahmen Gorny & Co. schon Kriminalisierungsversuche der Kunden durch ihre fragwürdige “Copy kills music”-Kampagne und forderten scharfe Gesetze zur Diebstahl-Abwehr im Internet. Vorbild ist die Netzsperren für einzelne Musik-Piraten in Frankreich – ein Gesetz, das dort gerade vom Verfassungsgericht kassiert wurde, weil es gegen das Grundrecht auf Informationsfreiheit verstößt.

Das Geschäftsmodell der Tonträgerindustrie ist überlebt und so siech wie der Quelle-Katalog. Der Daseinszweck der Tonträgerindustrie war es, Musikaufnahmen zu finanzieren, zu kopieren und zu vertreiben. Alle drei Aufgaben sind mittlerweile obsolet: Mittlerweile beherrschen die Künstler die Produktionsmittel, und in Zeiten von Internet ist es leicht, direkten Kontakt zwischen Künstler und Publikum herzustellen. Nicht nur Radiohead verkaufen so ihre Musik. Und da die”kulturveräußernde” Tonträgerindustrie nie ernsthaft an der Entdeckung und Förderung guter neuer Musik interessiert war, hat sie ihre Existenzberechtigung verloren – im Gegensatz zu all den ehrenwerten Independent-Firmen, bei denen Musikliebhaber arbeiten, und die genau deshalb und wegen ihres Vertrauensverhältnisses zu ihren Künstlern auch überleben werden, wenn auch mit verändertem Geschäftsmodell.

Die Tonträgerindustrie aber hat ein neues Betätigungsfeld für sich entdeckt, das Urheberrecht. Sie behauptet, damit den Künstlern zu nützen – das Gegenteil ist der Fall. Die wenigsten Künstler haben etwas von den Gema-Gebühren, die Veranstalter für ihre Konzerten bezahlen. Das Urheberrecht ist ein Kampfbegriff der Verwertungsindustrie. Musik aber gab es schon vor der Gründung von Plattenfirmen und der Gema, und Musik wird es auch nach dem Untergang der Tonträgerindustrie geben. Es ist in der Menschheitsgeschichte eine anerkannte Kunstform, Werke nachzuahmen, zu kopieren und weiterzuentwickeln. Warum sollte die Politik ausgerechnet in Zeiten der Digitalisiering einer relativ kleinen Industriesparte die Legitimität eines anachronistischen Systems verschaffen?“

(via Spreeblick)

Ein feuchter Fleck

Stefan Niggemeier zerpflückt ein Interview von DerWesten mit Dieter Gorny: Understanding Dieter.

Wie könnte ein sinnvolles Zusammenspiel zwischen Musikindustrie und Internet aussehen?

Gorny: Alle Content-Anbieter müssen erkennen, dass der Vertrieb über das Internet eine enorm wachsende Rolle spielt.

Aber echt. Enorm wachsend. Bald geht’s los mit diesem Internet.

Gorny: Also muss man gemeinsame Geschäftsideen entwickeln.

Ob ihm mal jemand iTunes zeigen könnte?

Gorny: Diese gemeinsamen Geschäftsideen nutzen aber nichts, wenn beim Anbieter nebenan alles umsonst ist.

Ob ihm mal jemand iTunes zeigen könnte?

Gorny: Also brauchen wir auch gemeinsame Regeln. Die könnten so aussehen: Konsens ist, im Internet gibt es spezielle Warenhäuser, und wir sorgen dafür, dass der Anbieter da vernünftig verkaufen und der Kunde vernünftig kaufen kann.

Ob ihm mal jemand iTunes zeigen könnte? Oder Amazon? Oder Musicload? Oder Saturn?“

In diesem Zusammenhang kann man sich auch prima Franks übersetzte Pressemitteilungen nochmal durchlesen. (Scrollen. Runter. Ja, noch ein bisschen.)

Free vs. Freemium vs. Alles Quatsch

Der Wired-Chefredakteur Chris Anderson erklärt dem Guardian, wie Zeitungen in Zukunft im Netz Geschäfte machen könnten:

“As newspapers debate their future, the argument has been pitched as free versus paid models, but Anderson argues that the real decision is free versus “freemium”. It’s not about whether to charge but choosing carefully which specialised content people will pay for and developing additional premium services.

Of course, many newspapers look to the Wall Street Journal’s model. The Journal offers most of their popular content and many exclusives for free, but they keep their specialised, niche content behind a paywall for subscribers. Referring to his theories behind the long tail, he suggested that newspapers should give away the “head and charge for the tail”. The head of the tail refers to the general interest, high traffic content, while the tail is specialised, special interest content. (…)

Broadly, Anderson rejected the idea that the internet had conditioned everyone to expect content for free. “We’re training them that it’s free to try, but then we must train them to pay for what they value,” Anderson said.

Many content creators believe that quality will win out, but Anderson believes that it is more about relevance than quality. He gives his children two hours of “screen time” a week. Given the choice of watching Star Wars in high-definition or Star Wars stop-action lego animation on YouTube, they always choose YouTube, he said.

That doesn’t mean that it is the end of the blockbuster, but it is the end of the blockbuster monopoly, just as the internet has meant the end of newspapers’ monopolies. “We need mass, and we need niche,” he said.”

Public relation professional Jason Falls hingegen meint: The Economy of Free is Stupid.

“All this Web 2.0 culture shift has created a disturbing attitude in most of us toward advertising as well. We DVR our favorite shows and skip the ads. We get pissed off when we go watch something on Hulu and have to sit through a 15-second car commercial. Hulu’s tag line is, “Watch Your Favorites. Anytime. For Free.”

But Hulu isn’t free. Watching the ad is the price of admission. If you don’t watch it, Hulu will either charge you a subscription fee or not let you watch your shows.

This is why advertising is not dead and why we need to wake up and smell the rich, pure aroma of our Folgers Coffee. The Economy of Free will only last so long.

Better save your money.

Is open source sustainable? Are venture capitalists leading the world in dumb moves right now? Can television shows survive without advertising? If so, will enough people pay to watch what they want to sustain entertainment as we know it?”

Meiner Meinung nach widersprechen die beiden sich nicht einmal so sehr. Beide glauben, unsere Medienlandschaft hat sich verändert und wird sich weiterverändern. Und deswegen müssen neue Modelle her, die es sowohl den Produzenten ermöglichen, rentabel zu arbeiten als auch den Konsumenten, weiterhin ihre Nachrichten, ihre Musik, ihre Fernsehsendungen zu beziehen, ohne sich wie ein Krimineller zu fühlen bzw. dem Irrglauben aufzusitzen, alles sei umsonst zu haben.

(Links via Carta)

„Ein Künstler braucht seine Gedanken in seinem Werk nicht direkt auszudrücken, damit dieses deren Eigenart spiegelt; es ist sogar behauptet worden, das höchste Lob Gottes liege in der Verneinung des Atheisten, der die Schöpfung so vollkommen findet, daß er auf den Schöpfer verzichten kann.“

(Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 3: Guermantes, Suhrkamp 1996, Seite 582, Übersetzung von Eva Rechel-Mertens)

„Un artiste n’a pas besoin d’exprimer directement sa pensée dans son ouvrage pour que celui-ci en reflète la qualité; on a même pu dire que la louange la plus haute de Dieu est dans la négation de l’athée qui trouve la création assez parfaite pour se passer d’un créateur.“

(Quelle)