2016 revisited

(2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003.)

Ich verkürze den Fragebogen mal wieder.

Manche Fragen gingen mir im Laufe der Jahre auf die Nerven oder ich empfand sie als bedeutungslos, weswegen sie rausflogen. Als erstes starb die Frage „Zugenommen oder abgenommen?“, weil mich diese Frage viel zu lange viel zu sehr beschäftigt hatte. Seit ich intuitiv esse, gut esse, gern esse und mich bewege, weil es Spaß macht und nicht, weil es Kalorien verbrennt, geht es mir deutlich besser. Ich habe seit 2009 keine Waage mehr und sie keinen Tag vermisst. Da ich eher selten Klamotten kaufe und gerade Hosen so lange trage, bis sie auseinanderfallen, kann ich aber trotzdem vermelden, dass ich anscheinend seit ungefähr sieben Jahren mein Gewicht halte – das habe ich seit der Pubertät nicht mehr hinbekommen.

Ich habe seit 2012 auch keinen Ganzkörperspiegel mehr und das war ebenfalls eine sehr gute Idee. Wenn ich mich in irgendwelchen Klamotten gut fühle, dann reicht mir das als Bestätigung, ich brauche keine visuellen Hinweise mehr dazu. Deswegen fliegt dieses Jahr auch die Frage nach „mehr oder weniger bewegt“ raus, denn darauf will ich ebenfalls nicht bewusst achten. Ich liebe mein Fahrrad, ich habe bequeme Schuhe, das reicht mir. Generell geht mir der Selbstoptimierungswahn, was den Körper angeht, seit Längerem auf den Zeiger. Aber auch ich bin davon leider nicht ganz frei: Seit ein paar Jahren trainiere ich fast jeden Tag meinen grauen Klumpen im Kopf. Team 2h Bib statt 2h Gym! Aber jeder, wie er mag.

Die Fragen nach Haarlänge oder Kurzsichtigkeit haben sich bei mir auch erledigt; meine Haare bleiben irgendwie immer halblang, so dass ich sie mir hinter die Ohren klemmen kann, um ungestört zu lesen, und an meiner Kurzsichtigkeit wird sich vermutlich auch nichts mehr ändern. Das muss ich nicht jedes Jahr wieder neu notieren. Die Frage nach dem besten Sex habe ich von Anfang an eher ausweichend beantwortet, weil euch das nichts angeht; die ist anscheinend seit letztem Jahr nicht mehr dabei, was mir erst beim Copypasten des Eintrags aufgefallen ist.

Was in diesem Jahr rausfliegt: die Frage nach dem Geld. Das spielt seit meinem ersten Semester nur noch eine Rolle, weil es nicht mehr so üppig da ist wie vorher, was mir klargemacht hat, wie sehr ich mich früher über meinen Kontostand definiert habe. Ich habe immer von mir behauptet, dass mir das egal sei, „it’s just money“, aber den Satz kann man in all seiner Großkotzigkeit natürlich auch nur von sich geben, wenn eben genug da ist. Auch meine erste Twitter-Bio, Liberaces Ausspruch „I cried all the way to the bank“, schien mir im Nachhinein zu sagen, ja, dir geht’s vielleicht nicht gut, aber hey, du kannst dir alles kaufen. Was mich aber anscheinend auch nicht glücklich machen konnte. Das kriegt das viele Wissen, das ich in den letzten vier Jahren angehäuft habe, deutlich besser hin, auch wenn ich beim Anblick meines Kontos manchmal in eine Papiertüte atmen möchte. Jedenfalls will ich nicht mehr darüber nachdenken, ob ich mehr oder weniger verdient habe als im Jahr davor. So viel wie in der Werbung werde ich vermutlich eh nie wieder haben. Auch okay.

Ich ahne, dass sich spätestens hier die Frage aufdrängt, wieso ich den Bogen überhaupt noch ausfülle. Ganz einfach: Alleine die Fragen nach Dingen, die ich im vergangenen Jahr zum ersten Mal oder nach langer Zeit wieder gemacht habe, lohnen das Nachdenken.

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1. Der hirnrissigste Plan?

Ich glaube, ich hatte in diesem Jahr keinen einzigen hirnrissigen Plan. Seit der Trennung, dem Umzug, der beruflichen Neuorientierung und dem Alles-auf-Anfang meiner neuen Beziehung bewege ich mich gefühlt sehr auf Eierschalen. Alles wackelt ein bisschen, daher bin ich vermutlich gerade etwas übervorsichtig bei allem, bloß nicht noch mehr kaputtmachen. Vielleicht ist das auch der hirnrissige Plan, überlege ich gerade.

2. Die gefährlichste Unternehmung?

Eventuell ohne anwaltliche oder steuerfachliche Unterstützung mit der KSK korrespondiert zu haben. Ich warte noch, was dabei rauskommt.

3. Die teuerste Anschaffung?

Letzter Teil des Umzugs.

4. Das leckerste Essen?

Die erste Stadionwurst in Augsburg, jedes Oktoberfestbier, das Schnitzel mit Katha und dem Sängermeister in Wien, der Burger auf F.s Balkon und mein Geburtstagsmenü im Broeding,

5. Das beeindruckendste Buch?

Comic: La page blanche von Pénélope Bagieu. Auf französisch mühsam entziffert, ein paar Monate später auf deutsch runtergelesen. Das sollte ich vielleicht nochmal mit einem anderen französischen Comic machen. Runner-up: Haarmann von Peer Meter und Isabell Kreitz.

Sachbuch: Kongo von David van Reybrouck. Generell eins der beeindruckendsten Sachbücher, die ich je gelesen habe, nicht nur in diesem Jahr. Runner-up: Mythos Trümmerfrauen von Leonie Treber.

Fiktion: Room von Emma Donoghue. Runner-up: This isn’t the sort of thing that happens to someone like you von Jon McGregor. Ich habe viel zu wenig Fiktion gelesen in diesem Jahr; hier liegen noch so viele schöne Leser*innengeschenke, zu denen ich noch nicht gekommen bin.

6. Der ergreifendste Film?

The Last Laugh, ganz knapp vor Toni Erdmann.

7. Die beste CD? Der beste Download?

Ich habe in diesem Jahr überhaupt keine Musik gekauft, zahle aber brav für Spotify, weil ich mich an meinen „Mix der Woche“ so gewöhnt habe.

8. Das schönste Konzert?

F. führte mich in die Oper aus und das war ziemlich toll.

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9. Die tollste Ausstellung?

Anselm Kiefer im Centre Pompidou und in der Albertina. Das war fantastisch, so viele Werke so kurz nacheinander (Januar und März) von ihm anschauen zu können. Wobei: Der Prado hat mich auch umgehauen.

10. Die meiste Zeit verbracht mit …?

… überlegen, was schön war, damit ich es ins Blog schreiben kann. War eine gute Therapie, um nicht dauernd Vergangenem hinterher zu trauern oder Zukunftsangst zu schieben. Manchmal denke ich aber auch darüber nach, ob das nur eine blöde Vermeidungsstrategie ist.

11. Die schönste Zeit verbracht mit …?

… Kunstgucken, kuscheln, lesen (auf dem Sofa, am Schreibtisch, in Bibliotheken), schreiben (auf dem Sofa, am Schreibtisch, in Bibliotheken), lernen, dazulernen, noch mehr lernen, weiterlernen.

12. Vorherrschendes Gefühl 2016?

Quo vadis, Gröner?

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13. 2016 zum ersten Mal getan?

Die goldene Hochzeit meiner Eltern gefeiert. Einen Fahrradschlauch gewechselt. In Wien gewesen. In Madrid gewesen. In Rosenheim und Bad Aibling gewesen. Ja, das mag etwas abstinken, aber diese Aufenthalte haben sowohl mein Masterthema als auch die Entscheidung für eine Promotion sehr bestimmt. Ach ja, mich für eine Promotion entschieden (wenn man mich lässt). In vielen Archiven gewesen und es so toll gefunden, dass ich das noch viel öfter machen möchte. Den FC Augsburg als alternativen Fußballclub zu Bayern entdeckt. Und: an einem Museumskatalog mitgeschrieben. So, jetzt isses raus. Das war dieser Job, über den ich immer nur wolkige Andeutungen gemacht habe. Der Katalog erscheint aber erst 2017 und daher darf ich IMMER NOCH NICHT darüber bloggen.

14. 2016 nach langer Zeit wieder getan?

In Paris gewesen, Geister vertrieben.

Paris und ich hatten immer eine etwas schwierige Beziehung. Als ich das erste Mal in Paris war, zerstritt ich mich übelst mit meinem besten Freund auf dem Père Lachaise. Das zweite Mal war Kai mein Begleiter, wobei: Eigentlich war ich seine Begleiterin, denn Paris war immer seine Stadt; sein Onkel lebt da, wir übernachteten da, Kai ging vor und ich hinterher. War damals okay, weil ich es nicht anders wollte, aber dieses Mal war Paris meins. Ich war zum ersten Mal alleine in der Stadt und ich flog, weil ich eine Ausstellung anschauen wollte; ich kam als Besucherin und ging als Kunsthistorikerin. Paris und ich sind jetzt Kumpels.

15. Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

Zweifel an der Art, wie ich jetzt esse und lebe.

Der letzte Teil meines Hamburg-München-Umzugs, der zwar theoretisch durch ist, mich seelisch aber immer noch nicht loslässt. Überhaupt alles, was mich noch nicht loslässt – oder was ich noch nicht loslassen kann.

Die geschichtsvergessene Wiederkehr der Idiotie (Trump, Brexit, AfD).

16. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

Ähnliche Antwort wie im letzten Jahr: Mich selbst davon, dass das schon irgendwie alles wieder passen wird.

17. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

So oft, wie F. es erwähnt hat, war meine Kondition im Prado – fünf Stunden statt zwei – anscheinend ziemlich schön für ihn. Für mich auch.

18. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

Eine Flasche Wein von meinem liebsten Neuseeländer Weingut, eine Packung Nougatpralinen (TEAM NOUGAT!), ein kleines Stofftier und eine Postkarte mit Münchner Motiven, auf der nur „Welcome home“ stand, die in meiner Münchner Küche auf mich warteten, als ich zum letzten Mal aus Hamburg geflogen kam.

19. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt geschrieben hat?

„Wären Sie an einer Zusammenarbeit interessiert?“

20. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

„Ich möchte gerne wieder mit dir zusammen sein.“

21. 2016 war mit einem Wort …?

Aufbruch. (Hoffentlich.)