*keuch*

Fitness- und Wohlfühlprogramm vor der Erkältungswelle, die mich seit Ende September im Griff hat: zwei bis drei Mal wöchentlich eine Stunde aufs Laufband. Schnelles Gehen, kein Joggen. (Ich glaube, die Profis nennen es „walken“.) Zügiges Tempo, aber kein Rumrennen; ich kann bei geshuffelten Take-That-Songs noch mitsingen, wenn auch nicht schön, und mein Shirt ist nach einer Stunde angenehm durchgeschwitzt.

Fitness- und Wohlfühlprogramm Ende September bis Anfang November: nix. Eine Woche erkältet gewesen, viel geschlafen, erholt, zur Arbeit gegangen, wieder eine Erkältung eingefangen, diesmal zehn Tage flachgelegen, erholt, zur Arbeit gegangen, keinen Sport mehr gemacht, weil: Wir wollen es ja nicht gleich übertreiben.

Vor zehn Tagen dann ein hartnäckiger Husten, der nach drei Tagen zur Atemnot wurde. Notfallsprechstunde, irgendwelche pflanzlichen Präparate, einen Tag später die Hausärztin*, die endlich die Sprays rausrückt, die die Bronchien wieder weiten. Leider nicht weit genug. Seit sieben Tagen kann ich nicht mehr liegen, ohne sofort Hustenanfälle und/oder Atemnot zu bekommen. Ich schlafe im Sitzen bzw. lungere irgendwie so auf meinen Sofa rum, dass mein Oberkörper und damit die kapriziöse Lunge leicht vornübergebeugt lagert. Das ist die einzige Position, in der ich atmen kann und ich keine Geräusche produziere, die jedem Zombiefilm Ehre machen würden.

Nach drei Tagen Spraybehandlung und dem unguten Gefühl, dass es zwar ein bisschen, aber nicht richtig besser wird, der Gang zu den Lungenspezialisten. Dort kam die Diagnose, vor der ich mich gefürchtet hatte, denn ich habe sie vor zehn Jahren schon einmal gehört: Asthma. Durch das ewige Erkältetsein hat ein Etagenwechsel stattgefunden; das heißt, jetzt zickt nicht nur das Näschen, sondern der ganze Atemapparat. Immerhin habe ich jetzt ein Pülverchen, dass die Bronchien wirklich freiräumt – gegen den Husten kann es aber leider auch nichts ausrichten. Daher sind meine Nächte weiterhin extrem unentspannt, und ich warte eigentlich nur darauf, dass uns die Nachbarn rausklagen, weil ich seit zehn Tagen das Haus zusammenhuste.

Ich hoffe natürlich weiterhin, dass sich das möglichst schnell erledigt, denn ich würde, auch meinem Rücken zuliebe, gerne mal wieder liegen. Einfach so irgendwo liegen. Mich mal lang machen und entspannen anstatt die ganze Zeit gekrümmt darauf zu hoffen, keinen Hustenanfall zu bekommen.

Daher habe ich heute mein Fitness- und Wohlfühlprogramm wieder aufgenommen. Mit dem Kerl als Wachhund bin ich einmal um den Häuserblock geschlichen. Tempo: Jede Oma mit Rollator ist schneller. Strecke: circa 600 Meter. Pausen: eine. Hustenanfall: einer. Grundstimmung: läuft.

Aber die zwei Treppen in die Wohnung haben mich dann doch wieder fertiggemacht.

* Die Hausärztin hat, wenn ich schon mal da bin, ein Blutbild anfertigen lassen. Meine Werte, ganz gleich ob Zucker, Cholesterin, Blutfette und was auch immer man da noch testet, sind alle hervorragend. Trotz des schlimmen, SCHLIMMEN Übergewichts.

„Wer nach Hause will, muss sich auf den Weg machen“

Dienstag. Die Stimme ist tiefer als sonst, die Bronchien kratzen, aber ich habe abends eine Essensverabredung mit lauter netten Menschen, und am Mittwoch warten meine Jungs in der Allianz-Arena. Mein Mann in München, auf dessen Sofa ich nächtige, wirft mir eine Decke über, setzt mich vor einen Zombiefilm und schenkt mir eine Maß Bier ein, nach der es mir interessanterweise wirklich besser geht.

Abends lasse ich mich mit Münchener Gin in Form eines unfassbar trockenen Martinis verwöhnen und mit dem knusprigsten Gänsebraten ever. Ich bringe ein Gastgeschenk mit und trage sechs wieder nach Hause. Scheint zu stimmen mit dieser südländischen Gastfreundschaft.

Mittwoch. Ich futtere Probeks Hausapotheke leer und lasse mir von der Kaltmamsell ihr München zeigen. Wir gehen durch das Sendlinger Tor („Macht das was? Steht das hier nur so?“), schauen in die Asamkirche („Ihr Katholen habt so schöne bunte Kirchen. Wir ham ja nix.“), gucken von außen auf die Synagoge und sind mal wieder davon angekotzt, dass man in Deutschland immer noch nicht einfach so in Synagogen gehen kann wie man in bunte Kirchen gehen kann, schlendern an den Klangsteinen vorbei, die leider nicht klingen (diesen Besichtigungspunkt hatte ich mir gewünscht) und stärken uns dann erstmal beim Frühstück im Café Glockenspiel am Marienplatz, wo wir über gepflegte Konversation natürlich das Glockenspiel verpassen. Ich stelle fest, dass es Cafés mit Klofrau gibt, die ich sonst nur noch in Opernhäusern sehe (wenn überhaupt), und dann werde ich an viel zu vielen Schaufenstern vorbeigezerrt, in denen leckeres Zeug liegt, das ich verschnupft eh nicht genießen kann und das es sowieso nie bis nach Hamburg schaffen würde. Wahrscheinlich nicht mal bis zu meinem Koffer. Also wird nichts gekauft, sondern weiter gebummelt. In der Theatertinerkirche zünde ich eine, laut Aufschrift, rußfreie Kerze an, damit die schöne weiße Kirchendecke nicht dreckig wird. Ich freue mich darüber, dass ich überhaupt eine Kerze anzünden kann, denn in Rom überwogen inzwischen die elektrischen. IT’S NOT THE SAME! Ein kleines Gebet für alle, die mir am Herzen liegen und eine Bitte, mir bei ein paar Entscheidungen auf die Sprünge zu helfen, und dann geht’s weiter durch den Englischen Garten in Richtung Königsplatz, wo wir uns in der Glyptothek vergnügen. „Ich find den Faun ja eher arrogant.“ – „Ich find den toll. Wenn ich so aussehen würde, würd ich auch den ganzen Tag breitbeinig rumliegen.“ Leider schaltet mein Kreislauf nach einem halben Tag auf memmig, woraufhin ich zu Bettdecke und Obstsalat zurückkehre, um abends hustend in der S-Bahn in Richtung Allianz-Arena zu sitzen und nölig zu sein.

Und dann komme ich in Fröttmaning an, sehe im Nebel die rote Arena, und die Nöligkeit ist weg. Die Fußball-Hibbeligkeit, die ich seit einigen Wochen als naturgegebene Begleiterscheinung akzeptiert habe, meldet sich, ich grinse über den Husten weg und reihe mich in die Massen von rot gekleideten Menschen ein.

Im Stadion stelle ich erfreut fest, dass mein Südtribünensitz heute nicht nur ein herrlicher Platz zum Fußballgucken ist, sondern dass ich Teil der Choreo sein darf, der vom Club Nr. 12 vorbereitet wurde. Auf unseren Plätzen liegen rote oder weiße Folien und eine Gebrauchsanweisung, wann wir die Folien hochhalten sollen. Mit dem Einmarsch der Spieler machen wir genau das – und das sah dann so aus: Bild beim Club Nr. 12, Bild von Breitnigge. Wenn Sie ganz genau hinschauen: In der Reihe direkt vor dem Neapel-Schild, die erste rote rechts neben einer weißen Folie, das bin icke.

Nach dem Spiel sah der Block dann etwas anders aus.

Meine Folie liegt da übrigens nicht, die wurde brav gefaltet und mit der Gebrauchsanweisung im Rucksack verstaut.

Probek (hartherziger Möpp, seit 100 Jahren im Stadion):
„Du schleppst ein Stück Plastikfolie nach Hause?“

Ich (frisch zum Fan konvertiert und wahrscheinlich fiebrig):
„Ich schleppe ein Stück meiner ersten Choreo nach Hause.“

Im Gästefantreff (leerer als der Bayernfantreff) müssen wir unsere Schals abnehmen und die Trikots verdecken, damit die Neapel-Fans nicht ärgerlich werden. Mit meiner vor dem Spiel frisch erworbenen Arena-Card erstehe ich bargeldlos ein Radler und stoße mit Breitnigge, Probek, @Big Easy Muc und @lik0n an, die ausnahmsweise mal alle der Meinung sind, dass Gomez ein großes Spiel gemacht habe. Endlich darf ich meine Zuneigung mal ungestraft postulieren, bevor ich wieder husten muss.

Der traditionelle Nach-Fußball-White-Russian in Probeks Küche fällt wegen allgemeiner Mattigkeit aus. Ich huste mich in den Schlaf, nachdem ich auf Twitter nachgelesen habe, wie sehr sich meine Timeline für mich freut (und für Schnucki, aber anscheinend eher für mich. Sehr sympathisch, meine Timeline).

Noch zweieinhalb Wochen bis Villareal.

Bücher Oktober 2011

Habe in diesem Monat eher mit Kopfhörern im Ohr als mit einem Buch vor der Nase in Bussen gesessen, daher ist die Ausbeute gering. Aber ich kenne jetzt viele schöne neue Lieder.

Jean Rhys – Wide Sargasso Sea

Klassiker. Hat ein bisschen gedauert, bis ich drin war, aber dann war es schön. (Was soll man zu Klassikern schon sagen?)

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Nick Hornby – Fever Pitch

Das Buch hätte ich vor fünf Jahren wahrscheinlich mit Interesse, aber ohne Leidenschaft gelesen, denn Fußball war für mich damals noch ein netter Zeitvertreib. Inzwischen ist es zu einem ernsthaften Hobby geworden, und daher konnte ich vieles, was Hornby über das Fan-Sein schreibt, nachvollziehen. Fever Pitch ist aber nicht deswegen toll. Auch, aber nicht deswegen. Es ist toll, weil es gleichzeitig über das Erwachsenwerden spricht, über den großen Lebensplan, den man haben sollte (oder auch nicht), über Beziehungen zu verschiedenen Menschen und wie sie sich ergeben oder ändern, indem man zu Fußballspielen geht. Weniger schön, aber nicht weniger aufschlussreich sind Hornbys Erinnerungen an Ereignisse wie Heysel oder Hillsborough, die Fußball für immer verändert haben.

Fever Pitch ist bereits 20 Jahre alt, weswegen vieles nicht mehr so stimmt (so haben sich zum Beispiel die von Hornby angesprochenen „verrottenden Stadien“ in der englischen Liga, soweit ich weiß, größtenteils zu hochgerüsteten Arenen herausgeputzt), aber genau das gibt dem ganzen eine weitere, charmante Ebene. Große Empfehlung.

Arno Geiger – Der alte König in seinem Exil

Eine weitere große Empfehlung. Geiger beschreibt, wie sein willensstarker, fast starrköpfiger Vater an Demenz erkrankt und wie es die Familiendynamik verändert. Das Buch ist gleichzeitig ein Biografie seiner Familie mit Schwerpunkt auf Eltern und Großeltern, und es erzählt vom Wandel des ländlichen Österreich. Was das Buch für mich so faszinierend gemacht hat, waren die vielen Dialoge, die Geiger mit seinem Vater geführt und danach aufgeschrieben hat. Ich war sehr hin- und hergerissen zwischem der Bewunderung für viele schöne Sätze und dem Wissen, dass diese schönen Sätze überhaupt keinen Sinn ergeben, weil sie einem zerbrechenden Geist entspringen.

(Leseprobe bei amazon.de)

Craig Thompson – Habibi

Ich hadere noch mit dem Buch, wenn ich ehrlich sein darf. Habibi ist episch und sieht wunderschön aus, verbindet arabische Kalligrafie mit westlichem Storytelling, aber leider verbindet es auch eine extrem unschöne Geschichte von Gewalt gegen Frauen mit so putzigem Zeug wie Tausendundeiner Nacht, Suren, Bibelversen und einem süßlichwabernden Orientkitsch plus total aus dem Nichts kommender Zivilisationskritik, was mir mehr und mehr auf die Nerven gegangen ist.

Ja, mir ist schon klar, dass es in der Geschichte um Liebe geht, um den Wunsch nach Zusammenhalt, Familie, Geborgenheit, um den Willen, einander wiederzufinden, ja, weiß ich. Aber alles, was mir im Gedächtnis geblieben ist, sind die unzähligen Vergewaltigungen, die Dodola über sich ergehen lassen muss, weil ihr als Frau anscheinend keine andere Möglichkeit bleibt zu überleben. Ich weiß gerade nicht, ob das meine eigene Verweigerungshaltung ist („Ich will sowas einfach nicht mehr lesen“) oder ob das Buch sich wirklich um Alternativen rumdrückt, weil’s halt so toll in die Geschichte passt, wenn die Hauptfigur einen Großteil der Geschichte gezwungenermaßen in einem Harem verbringt.

(Die Links unter den Buchtitel führen zu amazon.de und sind Affiliate-Links.)

Twitter-Lieblinge Oktober 2011