Enjoy the silence

Hallo, liebe SZ-online-Leser. Warum ich keine Kommentare (mehr) habe, steht hier. In etwas längerer Ausführung als nur der eine Satz im verlinkten Artikel. Lustig, dass dieses Thema gerade so aktuell ist; ich habe mich das letzte Mal Ende 2005 großartig mit Kommentaren beschäftigt und finde es komisch, dass jetzt auch andere darüber nachdenken (Spreeblick, Niggemeier).

Das hier ist ein persönliches Blog. Ich decke keine Skandale auf, ich gebe keine lustigen Tipps zur Suchmaschinenoptimierung und ich will auch nicht den Journalismus revolutionieren, verbessern oder sonst was mit ihm machen. Ich möchte einfach nur schreiben. Wer’s mag, darf gerne mitlesen, wer’s nicht mag, darf gerne weiterklicken. Aber ich brauche eben nicht für jeden Zweizeiler Feedback. Und auch nicht für die 200-Zeiler. Wer mir unbedingt ganz wahnwitzig dringend etwas mitteilen möchte, schreibt mir eine E-Mail. Was dazu führt, dass ich fast nur noch gehaltvolle Rückmeldungen bekomme oder Post, die sich über das freut, was ich schreibe.

Ich glaube nicht, dass es das Wesen eines Weblogs ist, eine Kommentarfunktion zu haben, und ich glaube auch nicht, dass jeder User ein Recht darauf hat, immer und dauernd etwas sagen zu dürfen. Ich genieße inzwischen Seiten, die Kommentare vorsortieren oder bewerten; ich nutze z.B. bei Salon.com grundsätzlich die Editor’s-Choice-Funktion, die mir nur die Kommentare liefert, die den Artikel sinnvoll ergänzen, und mir 100 weitere Me-too-Sätze, Beleidigungen, Sexismus (gerade bei „Frauenthemen“ immer gerne genommen), themenfremdes Geseier oder kaum entzifferbares Spackentum erspart. Noch eher verzichte ich allerdings darauf, Leserreaktionen zu lesen, weil ich ganz zufrieden damit bin, nur die Stimme des Autors zu hören. Ich lese Salon wegen der Artikel, nicht wegen der Kommentare. Und genauso geht es mir bei den meisten Weblogs, die ich lese.

Seit ich keine Kommentare mehr zulasse, hat sich auch mein eigenes Kommentarverhalten geändert. Denn ich habe zu meinem eigenen Entsetzen festgestellt, dass ich zum Schluss genau die gleiche banale Grütze unter viele Artikel gesetzt habe, die mich an manchen meiner eigenen Kommentatoren genervt hat. Inzwischen lese ich wieder viel mehr anstatt mir schon beim Überfliegen der Zeilen eines anderen darüber Gedanken zu machen, was ich wohl dazu sagen könnte.

Ich kommentiere fast nur noch in Blogs, deren Betreiber ich kenne oder die ich schon so lange lese/die mich schon so lange lesen, dass ich das Gefühl habe, sie zu kennen. Dort ist die offene Kommentarfunktion für mich eine Art Watercooler Talk, bei dem man sich kurz austauscht und dann weitergeht. Aber auch in diesen Blogs schreibe ich nicht unter jeden Artikel irgendwas, sondern habe mir inzwischen angewöhnt, meistens stumm zu nicken, den Kopf zu schütteln oder mir anderweitig meine Gedanken zu machen, ohne sie zwingend dem Blogbetreiber mitteilen zu müssen.

Und selbst mein Bloggen hat sich verändert. Die ganzen Nichtigkeiten sind zu Twitter ausgelagert worden, wo sie sich sehr, sehr wohlfühlen inmitten einer Horde weiterer Nichtigkeiten. Und die Dinge, über die ich schreibe, sind inzwischen auch deutlicher vorsortiert als früher. Ich muss nicht jedes Buch, das ich lese, und jeden Film, den ich sehe, und jeden Sonnenuntergang, den ich genieße, beschreiben, rezensieren, kommentieren. Vieles nehme ich einfach hin – und behalte es ganz für mich. Schweigend.