Sideways

Bis jetzt war Thelma & Louise der Film, bei dem mir das Zusehen Entzugserscheinungen bereitet hat, weil dort in fast jeder Szene geraucht wird und ich im Kino immer hibbeliger wurde, bis der Film endlich (leider) zu Ende war und ich ins Foyer stürmen konnte, um mir eine Marlboro anzuzünden. Thelma und Louise haben Konkurrenz bekommen: In Sideways wird zwei Stunden lang über Wein geredet, von Wein geschwärmt und vor allem Wein genossen, so dass ich wirklich Mühe hatte, den Film in Ruhe zu gucken und bis zum Abspann zu warten, um endlich ein Fläschchen zu entkorken.

In Sideways geht es aber nicht nur um Wein. Es geht um die Endgültigkeit einer Ehe, die es vor dem Ja-Wort nochmal zu prüfen gilt, es geht um unerfüllte Träume und Lebensentwürfe, es geht um falsche Versprechungen und Hoffnungen – es geht schlicht und einfach um das Leben und wie es jeden Tag anders geschieht. Genau wie ein Wein, der jeden Tag anders schmeckt, der jeden Tag anders ist, wie es Virginia Madsen im Film so schön formuliert.

Sideways nutzt die sehnsuchtsvolle Tapete eines Roadmovies, um seine Geschichte zu erzählen. Komischerweise habe ich die Geschichte als eher banal empfunden – wahr, stimmungsvoll, lustig, emotional, aber eben banal. Mal abgesehen davon waren die Weinmetaphern irgendwann auch nur noch albern und sehr durchsichtig. Was den Film aber trotzdem für mich so schön gemacht hat, war erstens sein entspanntes Erzähltempo. Und zweitens waren es die kleinen Gesten, die mehr erzählt haben als minutenlange Dialoge. Wie Virginia Madsen liebevoll ihre Hand auf die des depressiven, schüchternen Paul Giamatti legt, nachdem sie ihn mit einer Ode an den Wein schon fast verführt hatte, und er verkrampft nach dem Badezimmer fragt, anstatt ihre Geste zu erwidern – den enttäuschten, traurigen und zugleich verständnisvollen Blick, den sie ihm dabei zuwirft. Sein vorsichtiges Streicheln über ihren Rücken, während sie ihre Haustür öffnet. Der hysterische Lachanfall, der Giamatti übermannt, als sein Freund Thomas Haden Church ihn weinerlich anbettelt, ihm aus der Patsche zu helfen. Und der fürchterliche Blick, den Giamatti seiner Ex-Frau zuwirft, als diese ihm erzählt, dass sie von ihrem neuen Ehemann schwanger sei: schmerzverzerrt, Freude fühlen wollend und doch nicht könnend, überwältigt, zutiefst verletzt.

Sideways ist schönes, schlichtes Erzählkino mit guten Charakteren, einer guten Geschichte und vor allem guten Schauspielern. Ein kleiner Film, der so viel über das große Leben zu erzählen weiß. Da lässt man sich gerne nebenbei noch was über Pinot Noir beibringen, auch wenn man’s noch nie wissen wollte.

Eine Antwort:

  1. Nicht zu vergessen, ist der Film mit schuld an der Bierkrise jenseits des Atlantik ;)

    Was ich nachvollziehen kann. Ich habe mich dadurch auch auf den Pinot bringen lassen …