We’re in Trouble/The Night Listener

Eins der beeindruckendsten Bücher, die ich letztes Jahr gelesen habe, ist We’re in Trouble von Christopher Coake. Im Buch versammeln sich sieben längere Kurzgeschichten, eine deprimierender als die andere – aber gleichzeitig so schlicht, fast filigran geschrieben, das jedes Happy End nur peinlich dahergekommen wäre. Coake vermeidet allzuviele Adjektive, seine Sprache ist manchmal schon spröde, seine Erzählweise ziemlich creative-writing-Seminar-gerecht: schön mit Rückblenden und Einwürfen und Charakter nochmal unterfüttern … fast alle Geschichten fühlen sich vom Aufbau her sehr ähnlich an, und trotzdem hat mich jede überraschen können. Und selbst die, bei denen gar keine Ãœberraschung nötig war, habe ich verschlungen.

Ich habe jeden Abend eine Geschichte gelesen; eine zweite hätte mich überfordert. Außerdem habe ich dieses Buch „exklusiv“ gelesen, also nicht noch ein zweites oder drittes parallel, wie ich das gerne mache. Einfach, weil es mir genug war. Und als ich das Buch durchgelesen hatte, habe ich es noch ein paar Tage auf dem Nachttisch liegen lassen, bevor ich das nächste angefangen habe. Aus Rücksicht auf die vielen Figuren, die mir sehr nahe gekommen sind.

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Ganz anderer Schnack: The Night Listener von Armistead Maupin. Maupin habe ich vor 20 Jahren das erste Mal gelesen, natürlich seine wunderbaren Tales of the City-Bücher, mit denen ich damals schon zu spät dran war. Auch The Night Listener ist bereits 2001 erschienen, ich habe aber erst jetzt mitgekriegt, dass der Gute nach Maybe the Moon, dem ersten Buch nach der Tales-Serie, wieder was rausgebracht hat. Könnte daran liegen, dass es inzwischen einen Film mit Robin Williams gibt, der angeblich auch schon in Deutschland gelaufen sein soll. Ist völlig an mir vorbeigegangen.

The Night Listener erzählt die Geschichte eines Radio … ähm … moderators? Nee, Gastgeber einer Late-Night-Show passt vielleicht eher …, dem eines Tages ein Verleger ein Buch zuschickt: Ein 13-jähriger Junge beschreibt, wie er jahrelang von seinen eigenen Eltern sexuell missbraucht wurde. Inzwischen sind die Eltern im Gefängnis und er bei einer Pflegemutter. Angeblich sei der Junge ein Fan von ihm und habe den Verleger gebeten, ihm das Buch zu schicken. Die beiden beginnen, miteinander zu telefonieren, alles scheint ganz großartig zu sein, bis dem Exfreund des „Moderators“ Zweifel an der Geschichte kommen. Beziehungsweise an der Existenz dieses 13-Jährigen.

Auch dieses Buch habe ich exklusiv gelesen, was aber daran gelegen haben könnte, dass ich gar keine Zeit für ein Zweitbuch gehabt habe. Ich habe mit Listener Samstag abend angefangen, bin mit dem Buch in der Hand eingeschlafen, habe Sonntag morgen damit weitergemacht und war um 17 Uhr fertig. (Und dann musste ich noch die vier Filme weggucken, die ich Samstag geliehen hatte und die ich eigentlich entspannt über den Sonntag verteilen wollte.) The Night Listener lässt sich wie alles von Maupin einfach weglesen. Es ist spannend, überraschend, rührend, ehrlich – Maupin eben. Ich lese ihn wahnsinnig gerne, und daher lege ich euch einfach mal alle seine Bücher ans Herz.

(in The Night Listener reinlesen)