Borat: Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan (Borat: Kulturelle Lernung von Amerika um Benefiz für glorreiche Nation von Kasachstan zu machen, USA 2006, 84 min)

Darsteller: Sacha Baron Cohen, Ken Davitian, Pamela Anderson
Musik: Erran Baron Cohen
Kamera: Luke Geissbühler, Anthony Hardwick
Drehbuch: Sacha Baron Cohen, Anthony Hines, Peter Baynham, Dan Mazer
Regie: Larry Charles

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Trailer

Ich habe etwas gezögert, mir Borat (den kompletten Titel erspare ich mir hier und im Folgenden) anzuschauen. Ich bin nicht unbedingt ein Fan von der Figur Ali G. gewesen, und ich kann generell dem Format „Wissender Interviewer macht sich über unwissende Interviewte lustig“ nichts abgewinnen. Das mag daran liegen, dass ich dieses Format hauptsächlich von Brachial„komikern“ wie Stefan Raab oder Oli Pocher kenne, die ich für durchaus intelligent halte, die aber für eine müde Pointe ihre Großmutter auf den Strich schicken würden. Gerade bei den Interviews der beiden habe immer das Gefühl, dass es ihnen nie darauf ankommt, wirklich einen guten Witz zu machen, sondern stattdessen ihr Gesprächsopfer als kompletten Trottel hinzustellen. Ähnliches hatte ich von Borat erwartet. Und wurde glücklicherweise eines Besseren belehrt.

Sacha Baron Cohen ist Borat, ein Reporter aus Kasachstan – einem realen Land, das aber in der Filmversion wie eine Schreckensvision eines überfütterten Westeuropäers aussieht. Verfallene Häuschen, Ostblockklamotten aus den 70er Jahren, dicke Frauen, hässliche Männer – und lustige Bräuche wie das traditionelle Running of the Jew, das arg nach Pamplona aussieht. Nur dass keine Stiere gehetzt werden, sondern Pappmaché-Juden, die auch noch Eier legen können. Und vor AIDS schützt man sich mit Zigeunertränen, die man in einer Phiole um den Hals trägt. Spätestens hier ist klar: Dieser Film und seine Handlung sind so dermaßen überzogen, dass man sich selbst zum Affen machen würde, wenn man ihn auch nur eine Sekunde lang ernstnehmen würde.

Borat reist mit seinem Produzenten in die USA, um zu lernen und vielleicht ein paar Errungenschaften mit nach Hause zu nehmen. Im Hotel in New York bleibt er beim Zappen bei Baywatch und Pamela Anderson hängen, woraufhin er seinen Reportageauftrag eigenmächtig ändert. Statt weiter in New York zu bleiben, reisen die beiden Kasachen nach Kalifornien, wo Borat Pamela heiraten möchte.

Zunächst muss ein Verkehrsmittel gefunden werden. Die beiden entscheiden sich für ein Auto – und beim Autohändler entspannt sich ein Dialog, über den ich im Vorfeld schon einiges gehört hatte. Borat fragt nämlich, ob das Auto seiner Wahl – ein Hummer – Schaden nehmen würde, wenn er in eine Gruppe Zigeuner führe. An anderer Stelle fragt er einen Waffenhändler, welche Waffe dieser empfehlen würde, wenn er einen Juden erschießen möchte. Und beide Männer antworten, als ob das nichts Besonderes wäre; der Autohändler meint, bei 40 km/h könne die Windschutzscheibe Schaden nehmen, und der Waffenhändler empfiehlt eine .45er. So gelesen klingen diese Antworten fürchterlich, aber im Film hatte ich nicht das Gefühl, zwei eiskalte Rassisten vor mir zu haben. Ich glaube eher, dass die beiden des Öfteren mit kompletten Schwachköpfen zu tun haben, die komplett schwachsinnige Fragen stellen. Da ignoriert man eben den Teil, bei dem man sonst entsetzt nach Luft schnappen würde, und beantwortet den Teil, auf den man antworten kann.

Aus diesem Grund kann ich die Vorwürfe nicht nachvollziehen, die von einigen Gruppen in Bezug auf Borat geäußert wurden: Der Film sei antisemitisch, sexistisch, fremdenfeindlich, und überhaupt scheint jede Gruppe angepisst zu sein, die im Film auf die Schippe genommen wird (Cohen hat, glaube ich, außer geistig behinderten Kindern auch wirklich niemanden ausgelassen). Ich selbst reagiere zugegebenermaßen etwas dünnhäutig auf Witze über das weibliche Geschlecht, aber ich konnte mich vor Lachen kaum halten, als Borat sich mit drei Feministinnen unterhält und ihnen erzählt, dass ein Frauengehirn nicht größer sei als das eines Eichhörnchens. Und als die drei trotzdem noch ernsthaft mit ihm reden wollen, macht er sich zum schleimigen Depp und säuselt einer von ihnen ein „Come on, pussycat, gimme a smile“ entgegen, worauf die drei ihn endlich sitzen lassen.

Ich war überrascht davon, wie lange die meisten Borats Spiel mitgespielt haben. Natürlich bekommt „der Amerikaner an sich“ auch genug Breitseiten ab, aber ich fand die meisten Menschen sehr freundlich und entgegenkommend. Ich hatte das Gefühl, dass sie den seltsamen Hinterwäldler wie einen kleinen, noch nicht stubenreinen Hund behandeln, der mitten ins Wohnzimmer gekackt hat. Den erschießt man ja auch nicht gleich im Hinterhof (naja, vielleicht in „Kasachstan“), sondern weist ihn mal kurz und bestimmt darauf hin, dass das nicht geht, was er da macht. So ist einer der häufigsten Sätze im Film auch „We don’t do that here“. Was mich überrascht hat; ich hätte auf „Fuck off, you weirdo“ getippt. Was hauptsächlich von den ahnungslosen Passagieren in der New Yorker U-Bahn kam, die Borat zur Begrüßung küssen will, bis er von seinem Huhn abgelenkt wird, das aus seiner Tasche flieht. Selbst der ehemalige Kongressabgeordnete, dessen Namen ich vergessen habe, macht halbwegs gute Miene zum bösen Spiel, als Borat ihm zur Begrüßung Käse auftischt, den seine Frau selbst hergestellt hat – und nachdem beide einen Bissen genommen haben, fügt er hinzu „with milk from her tits“.

Borat hat dermaßen abstruse Szenen und Dialoge, dass ich teilweise kaum glauben konnte, dass sie improvisiert waren. Cohen bringt es dabei fertig, seine Gesprächspartner nicht im Regen stehen zu lassen, sondern outet sich selbst als den größten Schwulenhasser, Antisemiten und Obertrottel. Bis auf einmal, als er seine Meister in Idiotie fand – die einzige Szene, bei der ich völlig ungläubig auf die Leinwand geschaut habe vor Entsetzen über so viel Dummheit. Auf seiner Reise wird er von drei Collegestudenten mitgenommen, die sich mit ihm zusammen die Rübe dichtsaufen. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass Cohen eine Gesellschaft ein bisschen unangenehm fand, denn die drei zogen so dermaßen neandertalmäßig vom Leder, dass ich es kaum fassen konnte: Minderheiten hätten in diesem Land viel zu viel zu sagen, Frauen sollten den Kerlen bloß nicht dumm kommen, und eigentlich wäre alles viel besser, wenn es in Amerika wieder Sklaven gäbe.

Mitten in all dem Irrsinn schafft es Borat, noch eine kleine zärtliche Liebesgeschichte zu erzählen – nein, nicht mit Pamela, sondern mit einer dicken schwarzen Prostituierten. Der Film dauert 84 Minuten, die wahnsinnig schnell verfliegen, aber länger hätte der Film auch nicht sein dürfen. Irgendwann haben sich die Witze erschöpft, und man möchte, dass der radebrechende Schnauzbart wieder nach Hause fliegt. Was er auch tut. Und im Abspann hören wir nochmal die kasachische Hymne, die davon erzählt, dass Kasachstan das tollste Land der Welt ist. Das glaube ich zwar nicht, aber es bringt immerhin grandiose Reporter hervor. Die auch nackt eine sehr gute Figur machen, wie eine Maklervereinigung in einem voll besetzten Hotelsaal bezeugen kann.