„Die Zentralgewalt im Deutschen Reich zerfiel im späten Mittelalter mehr und mehr und ging weitgehend an die Landesherren über. In England und Frankreich konnten die Könige ihre Machtposition dageben noch ausbauen. Dadurch orientierten sich Wirtschaft und Kultur verstärkt an den Hauptstädten London und Paris. Dieser Prozess trug maßgeblich dazu bei, dass sich in Frankreich und in England auch viel homogenere Esskulturen entwickelten und der Weg zu einer jeweiligen Nationalküche geebnet wurde. Im Gegensatz dazu begann im deutschen Sprachraum das Zeitalter der territorialen Sonderwege und damit auch das Zeitalter der regionalen Sonderküchen. (…)

Ebenfalls ins 11. Jahrhundert fällt der Beginn der abendländischen Kreuzzugsbewegung, die bis ins 12. und 13. Jahrhundert anhielt. Durch die Kreuzzüge kam es zu einem regen Kulturaustausch mit dem Orient; viele Kreuzritter lebten über längere Zeit hinweg im Heiligen Land. Dort übernahmen sie mit der Anpassung an die orientalische Lebensweise auch orientalische Essgewohnheiten. Eine der Neuerungen bestand im starken Würzen von süßem Gebäck. Safran, Ingwer, Zucker und Zimt gelangten auf diese Weise in immer größeren Mengen ins Abendland. Die Geschmacksrichtung moderner Weihnachtsbäckerei, besonders die des Spekulatius, geht auf den Kulturtransfer der Kreuzritter zurück.“

Gunther Hirschfelder, Europäische Esskultur – Geschichte der Ernährung von der Steinzeit bis heute, Campus-Verlag 2005, Seite 114