Museumsreif oder: Nieder mit dem Blogblues

Letzten November habe ich einen Blogeintrag über meinen Opa geschrieben. Der entstand, weil ich bei meinem Vater im Keller über eine Kiste mit Holzklötzen und -brettchen gestolpert bin, auf denen mein Opa Notizen gemacht hat: über seine Arbeit, das Wetter, die Kinder (also meinen Vater) und was ihm sonst noch so einfiel. Ich fand diese Art des Festhaltens, des Sichtbarmachens von winzigen Lebensabschnitten so spannend, dass ich mir einen Klotz mitgenommen habe und ihn als Andenken, aber auch als Besonderheit bei mir im Esszimmer aufgestellt habe. Da, wo auch Esstisch, Stühle und ein Schrank meiner Großeltern stehen.

Den Holzklotz fand auch jemand anders spannend: eine Mitarbeiterin des Museums für Kommunikation in Frankfurt. Sie schrieb mir Anfang diesen Jahres eine Mail, dass das Museum eine Ausstellung plane zum Thema Tagebuch und Weblogs. Und dass sie sich für den Holzklotz meines Opas sehr interessiere und ihn gerne ausstellen würde.

Ich fand das sehr lustig, dass die Holzabfälle meines Großvaters in ein Museum kommen sollten. Vor einigen Wochen hat die besagte Mitarbeiterin dann auf meinem Sofa gesessen und wir haben uns unterhalten: über Weblogs und ob man sie Tagebücher nennen darf (meins ja), über die Entwicklung von Weblogs in den letzten Jahren, wer eigentlich wie Tagebuch geführt hat und warum, über Kafka, Kempowski, Pepys, Anne Frank – und meinen Opa, der sein „Tagebuch“ auf Holz geschrieben hat.

Der Holzklotz aus dem Blogeintrag ist inzwischen in Frankfurt und wartet auf die Ausstellungseröffnung im März kommenden Jahres. Danach geht er mit der Ausstellung auf Reisen: nach Berlin, wahrscheinlich nach Nürnberg und hoffentlich auch nach Hamburg. Ebenfalls in Frankfurt: alle anderen Klötze und Brettchen mitsamt der Holzkiste, in der sie von meinem Vater aufbewahrt wurden. Ich weiß noch nicht, wie genau die Präsentation in der Ausstellung aussehen wird, wieviele von den Brettchen im Glaskasten liegen werden (und ob es überhaupt einen Glaskasten geben wird), ob mein Weblogeintrag ausgedruckt sein wird oder an einem Monitor gelesen werden kann, keine Ahnung. Ich werde aber garantiert im März 2008 in Frankfurt sein und mir angucken, wie sich Opas Notizen mit denen von Rainald Goetz vertragen.

Wahrscheinlich werde ich verdammt nah am Wasser sein – so wie jetzt beim Tippen – und gleichzeitig sehr stolz. Darauf, dass ich einen Opa hatte, bei dem ich viele klassische Bilderbuchsommerferien erleben durfte. Darauf, dass er diese kleine Besonderheit hatte, Alltagsnotizen auf Holzklötze zu schreiben. Darauf, dass ich darüber schreiben konnte und es anscheinend nicht nur mich interessiert hat. Und auch darauf, zu einer Gemeinschaft von Autoren/Schreibern/Bloggern (jeder wie er mag) zu gehören, die sich jeden Tag an den Rechner setzen, nachdenken, kritisieren, erzählen – und das dann aufschreiben und auf „Publish“ klicken, damit andere ihre Geschichten, Kritiken und nachdenklichen Worte lesen können.

Edit: Frau Nowak (oder „Tine“, wir haben uns ja geduzt) vom Museum für Kommunikation beantwortet meine Frage, wieviele von Opas Holzstücken im Museum landen werden – und plaudert nebenbei aus, dass meine Eltern keine Ahnung davon haben, was ich hier den ganzen Tag so mache. (Eltern eben.)