The Incredibles

The Incredibles (Die Unglaublichen, USA 2004, 121 Minuten)

Originalstimmen: Craig T. Nelson, Holly Hunter, Samuel L. Jackson, Jason Lee, Spencer Fox, Sarah Vowell, Elizabeth Peña, Brad Bird
Musik: Michael Giacchino, Tim Simonec
Kamera: Andrew Jimenez, Patrick Lin, Janet Lucroy
Drehbuch und Regie: Brad Bird

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Trailer

Die Incredibles sind eine ganz normale Familie – wenn man davon absieht, dass Daddy ein bärenstarker Superheld im ungewollten Ruhestand ist, sein Sohn wahnsinnig schnell laufen kann, aber nicht darf, die Tochter sich unsichtbar machen kann, aber nicht darf, und Mama dehnbarer als Gummi ist, aber nicht will, weil auch sie eine Superheldin im Ruhestand ist. Der Film hat wundervolle Charaktere, erzählt eine schräge und doch sehr menschliche Geschichte, hat fast durchgängig ein hohes Tempo und fasziniert mal wieder mit unglaublichen Bildern komplett aus dem Rechner. Also alles, was man eben von Pixar gewohnt ist und von Finding Nemo, Toy Story und A Bug’s Life kennt und liebt. Ist The Incredibles also genauso gut wie die angesprochenen Pixar-Filme? Falsche Frage. Denn The Incredibles ist anders.

Zum ersten Mal spielen nicht Fische oder Ameisen oder Spielzeug die Hauptrolle, sondern Menschen. Gut, Menschen mit besonderen Fähigkeiten, aber immer noch Menschen. Zum ersten Mal konnte Pixar sich nicht auf die Niedlichkeit von glubschäugigen Tieren verlassen oder total knuffigem Plüschzeug, um ein Publikum zu begeistern. Können Menschen niedlich sein? Bestimmt, aber das wollen die Incredibles gar nicht. Stattdessen zeigen sie uns eine straffe Helden- und gleichzeitig Familiengeschichte und überzeugen mit sehr menschlichen Zügen: Die Eltern haben Eheprobleme, die Kinder zicken sich an, der Sohn hat Stress in der Schule … der übliche Alltag eben. Und genau das ist ungewohnt für Pixar.

Waren es bisher immer „Stellvertreter“, die uns menschliche Probleme näher gebracht haben, so sind es diesmal wirklich „Menschen“. Klar hatte auch Nemo mit seinem Papa Ärger, und Woody und Buzz mussten lernen, was Freundschaft bedeutet, aber die Geschichten blieben immer Parabeln. Die Incredibles sind keine Metaphern mehr, sie sind wie wir. Genauso fehlbar, genauso größenwahnsinnig, genauso liebevoll und genauso – unglaublich.

Dieses fehlende Metaphernsein macht den Film etwas ernster, etwas düsterer als die bisherigen bunten Abenteuer. Die Incredibles bewegen sich statt unter Wasser oder im Spielzeugland in einer realen Szenerie: Mr. Incredible arbeitet in einer Versicherung, die Kinder gehen ganz normal zur Schule, Mrs. Incredible kümmert sich um den Haushalt. Der Film fühlt sich wahrhaftiger, erwachsener an als die bisherigen, und deswegen erlebt man ihn ganz anders. Die Figuren kommen näher an einen heran als ein Fisch oder ein Plastikastronaut je an einen herankommen könnten, und daher beeindrucken die Themen des Film auch mehr. Es geht um alte Träume, die man wieder aufleben lassen will; Talente, die man nicht mehr verstecken möchte aus Angst, anders zu sein und damit ein Außenseiter; es geht darum, eine Familie zu sein, eine Gruppe, eine Gang und diese gegen alle Widerstände zu bewahren, und es geht darum, einfach man selbst sein zu dürfen, ja zu müssen, um glücklich sein zu können. Und obwohl diese Motive so schwer sind, lädt sich der Film nicht zuviel auf, denn natürlich strotzt er von kleinen und großen Ideen, die aus ihm keine Moralpredigt machen, sondern eine spannende, aufregende und mitreißende Geschichte.

Alleine der Look ist das Eintrittsgeld wert. Er macht den Film in seiner Vielfältigkeit zeitlos; das Haus der Incredibles sieht aus wie eine wohlwollende Version der 60er Jahre mit seinen eckigen, spinnenbeinigen Möbeln und den großen Panoramafenstern. Das Versicherungsbüro, in dem Mr. Incredible vor sich hinleidet, ist eine Reinkarnation der 80er-Jahre Cubicle-Hölle, die Autos sind entweder stromlinienförmige Batmobile aus den 40er oder 50er Jahren oder kleine Kästen, wie sie heute in Nordkorea gebaut werden (wenn da überhaupt Autos gebaut werden). Und die Insel, auf der der obligatorische böswillige Bösewicht seine bösartigen Bosheiten ausheckt, ist ein futuristischer Traum mit einer Monorail und gleichzeitigem Steinzeiturwald.

Apropos Urwald: Das Rennen, das sich Sohnemann Incredible mit seinen Verfolgern dort liefert, lässt das Pod Race aus Episode I wie einen Zeitlupenfilm aussehen. War das Wasser in Finding Nemo schon fantastisch, so ist es hier – fast logisch – unglaublich. Gerade die Elemente wie Feuer, Wasser, Eis und sämtliche Oberflächen haben mich begeistert und manchmal sogar kurzfristig von der Story abgelenkt. Als das Ehepaar Incredible ungefähr hundertmal dem sicheren Tod entkommen ist und sich wieder versöhnt, streicht Frauchen dem Gatten liebevoll über die starke Schulter. Und ich hab nicht gedacht, ach schön, sie haben sich wieder gern, sondern ich hab gedacht, wow, sieht dieser Lackhandschuh auf dem glitzernden Heldenkostüm klasse aus.

Das ist auch der einzige Punkt, über den ich ein winziges bisschen meckern möchte. Die Optik war so wundervoll und stimmig, dass sie manchmal in den Vordergrund getreten ist. Jedenfalls dann, wenn das Tempo ein wenig gemächlicher wurde und die Szenen kamen, in denen man merkte, dass sie nur im Film sind, weil die Programmierer sich solche Mühe gegeben haben. Zum Beispiel die Auftritte der Designerin der Heldenkostüme. Ein wunderbarer Charakter, viel Charme, viele schöne Details – aber alles einen Hauch zu lang ausgewalzt. In diesen Momenten habe ich auf die Haare geachtet, die fast zu perfekt um die Pixelköpfe fielen, auf die Finger, die bei jedem „Darsteller“ anders aussahen, auf die riesigen Kulleraugen, die trotz Kleinkindschema galore ein so differenziertes Minenspiel widerspiegelten, dass ich gar nicht mehr weggucken wollte. Sämtliche Details haben mich begeistert, aber manchmal waren sie so atemberaubend, dass ich darüber die Story ein wenig vergessen habe.

Der Film sieht unglaublich modern aus und erzählt doch eine sehr altmodische Geschichte. Man fühlt sich ständig an James Bond erinnert, an die klassischen Bösewichter und die strahlenden Helden, den Schwarzweiß-Zusammenstoß von Gut und Böse – und überraschenderweise passt es perfekt zusammen. The Incredibles hat weniger kleine Spielereien am Rand, weniger throwaway jokes, die man fast nebenbei wahrnimmt wie z.B. in Finding Nemo die tintenpupsende Krake oder die bayerisch radebrechende Raupe in A Bug’s Life. Er lässt einen ab und zu Luft holen anstatt in einem Irrsinnstempo an einem vorbeizurauschen. Und er ist nicht so unwirklich bunt und laut wie die anderen Pixars, sondern fühlt sich ausgereift und konsequent an. Er legt weniger Wert auf die kleinen Gags der einzelnen Charaktere, sondern konzentriert sich auf den großen Bogen, der stringent erzählt wird. Deswegen vermisst man die sonst obligatorischen Outtakes im Abspann auch nicht, denn sie hätten einfach nicht gepasst; sie hätten den Film aus seiner seltsam realen Irrealität wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Der Abspann ist übrigens nochmal eine Welt für sich: die satten 60er Jahre-Orchesterarrangements, die ein bisschen wie aus Batman (die Serie) klingen, führen den Film fort und lassen einen nicht los.

The Incredibles fühlen sich an, als ob Pixar erwachsen geworden wäre. Und so gerne ich aus allen anderen Pixar-Filmen mit leuchtenden Kinderaugen gekommen bin und nur noch begeistert zusammenhanglos vor mich hingebrabbelt habe, so gerne bin ich diesmal voll stiller Bewunderung aus dem Kino gegangen; voller Bewunderung für die Kunst, mich in jeder Sekunde gefangen nehmen zu können – durch ein „bisschen“ schnöde Rechnerleistung, aus der echte Menschen mit einer echten Story geworden sind.

12 Antworten:

  1. kurz: unglaublich gut der film.

    aber ihre langversion ist auch sehr gut. mich hat am abspann noch der 3d-effekt fasziniert. die credits sprangen beinahe aus der leinwand. ach, und den vorfilm fand ich auch klasse …

  2. jau!

  3. An dieses blöde Episode1-Rennen musste ich auch sofort denken. Und dass es sich warm anziehen kann, bei so viel besserer Konkurrenz.
    Ich kann mich nicht erinnern, mit virtuellen Charatkeren so sehr mitgefiebert zu haben. Zumindest nicht, seit ich erwachsen bin.

  4. ich hatte zunächst nicht vor, mir den film anzuschauen. doch nach dem ich ihre zeilen gelesen habe schon … ok, ich nehme die kids als alibi mit … ;)

  5. sehr!schöne!besprechung! :)

  6. Komme gerade aus dem Kino. Fazit: umwerfender Film. Und ich hätte gerne die Dartsteller aus dem Vorfilm als Plüschtiere. Hach, war das gut.

  7. Jaaa, das hab ich auch gedacht. Die komischen Erdhörnchen zum Knuddeln.

  8. The Incredibles
    Morgen gehts ins Kino. Den Beitrag bei Anke verkneife ich mir und lese ihn erst, wenn ich den Film gesehen habe. Den Trailer habe ich bei Pixar bereits vor einem Jahr gesehen. Den Ausschlag, den Film wirklich bald zu sehen,…

  9. Heute Morgen sowas aehnliches im ICE geschrieben. Immer noch stellenweise hyperventilierend, obwohl bereits Freitag gesehen. Jojo …

  10. The Incredibles
    Soeben komme ich aus dem Kino. Der Film war toll. Anke kommt erst irgendwann in ihrem ausführlichen Beitrag dazu, einen Vergleich zu James Bond herzustellen. Ich fand die Story sehr stark an James Bond angelehnt. Die Landschaft, die Tramaturgie, die…

  11. Ich war ebenso begeistert von “Die Unglaublichen” (und ärgere mich immer noch, ihn nicht schon in London geguckt zu haben). Mich haben besonders die Haare der Charaktere begeistert, aber auch in jeder anderen Szene war der Film ein Augenschmaus.

  12. How wonderful it is! Today, I had seen the film – “The Incredibles” this afternoon, My father also had seen this film in this evening. This cartoon movie is powered by Disney Company.
    In this film, I love the people’s sensation, scene, bugbears. The scene is so sublime.
    With the great imagination.