Murder by Numbers

Murder By Numbers
(Mord nach Plan, USA 2002)

Darsteller: Sandra Bullock, Ben Chaplin, Ryan Gosling, Michael Pitt
Drehbuch: Tony Gayton
Kamera: Luciano Tovoli
Musik: Clint Mansell
Regie: Barbet Schroeder

Murder By Numbers ist ein Film, in dem zwei größenwahnsinnige Schüler (Ryan Gosling, Michael Pitt) den perfekten Mord begehen wollen. Eine toughe Polizistin (Sandra Bullock) und ihr unerfahrener Kollege (Ben Chaplin) werden mit dem Fall betreut. Ab da weiß man natürlich schon, wie der Film ausgeht. Die beiden Polizisten werden die beiden Mörder zur Strecke bringen, denn das hier ist schließlich Kino, und da müssen die Bösen meistens für das bezahlen, was sie tun.

Wieso also ist Murder By Numbers dennoch ein spannender Film?

Erst einmal, weil die Schauspieler großartig sind. Sandra Bullock gibt ausnahmsweise mal nicht das hässliche Entlein, das zum Schwan wird oder den weiblichen Kumpel, der doch noch den Helden abkriegt oder einen ähnlichen Charakter, den wir von ihr erwarten. Stattdessen ist sie eine biestige, verbitterte Polizistin, die tut, was sie will und dafür auch jeden vor den Kopf stößt, der nicht ihrer Meinung ist. Respekt verschafft sie sich durch Leistung und nicht durch ihr ach so bezauberndes Lächeln.

Ryan Gosling und Michael Pitt, zwei relative Newcomer, machen ihre Sache auch sehr ordentlich. Oberflächlich bieten sie die üblichen arroganten Machosprüche, aber man hat ständig das Gefühl, dass mehr hinter ihrer Fassade steckt, als sie uns zeigen. Und das ist ein weiterer Grund, warum Murder By Numbers im Laufe der Zeit immer spannender wird: Jeder der Charaktere offenbart Wesenszüge, die dem Zuschauer beim ersten Hinsehen nicht aufgefallen sind. Und sie alle haben ihren Sinn.

Der (fast) perfekte Mord entstand nicht aus Langeweile, sondern weil beide Mörder ihre ganz eigenen Gründe hatten. Und er ging schief, weil beide eben doch nicht perfekt sind, sondern jeder seine persönlichen Stärken und Schwächen mit an den Tatort gebracht hat.

Der Fall wird gelöst, weil auch die Polizistin ihre eigene Geschichte mit sich herumschleppt und auch dann weiter ermittelt, als der Rest des Reviers den Fall schon zu den Akten gelegt hat. Aber sie weiß eben, dass hinter allem mehr steckt. Auch hinter ihrer eigenen Fassade. Und manchmal muss sie selber daran erinnert werden.

Immer, wenn man geglaubt hat, die Hauptpersonen zu durchschauen, kommen neue Überraschungen zum Vorschein. Immer, wenn man geglaubt hat zu wissen, was passiert ist, ändern sich die Fakten. Als Zuschauer kann man sich nicht im Sitz zurücklehnen und warten, bis die Bösen zur Strecke gebracht werden. Sondern man wird mit Sandra Bullock zusammen ständig auf neue Fährten geschickt. Zum Schluss ist doch alles anders, als wir geglaubt haben. Oder eben genauso, wie wir geglaubt haben. Je nachdem, wie unsere erste Einschätzung der jeweiligen Charaktere am Anfang des Films war.

Was also ist die Botschaft dieses Films? Verbrechen lohnt sich nicht? Nicht jeder ist so, wie er scheint? Vertraue niemandem? Stell dich deinen Ängsten? Du kannst vor nichts und niemandem davonlaufen, am wenigsten vor dir selbst? Du bist, was du bist?

Ein wenig ist von allem drin. Trotzdem kommt der Film nie wie eine Moralkeule daher. Denn er schafft es, eine sehr emotionale Geschichte seltsam emotionslos zu erzählen. Genau, wie manche Menschen sich gerne mögen und andere sich eben nicht leiden können, lässt auch der Film es offen, ob er gemocht oder einfach nur interessiert verfolgt werden will. Er bietet genug Gründe, ihn an sich heranzulassen. Dann wird der Film einem sehr nahe gehen. Man kann aber auch einfach neutral daneben stehen – dann bekommt man immer noch einen sehr spannenden Thriller serviert.

Ich hab den Film an mich rangelassen. Ich habe fasziniert die Einzelschicksale verfolgt und versucht, mich in die Charaktere einzufühlen. Manche mochte ich, manche habe ich gehasst, andere bewundert. Aber keiner hat mich unberührt gelassen. Und der Grundgedanke: Jeder kann ein Mörder sein, auch der Typ, der gerade neben dir gesessen hat – reicht eigentlich schon, die Autotüren nach dem Kinobesuch zu verriegeln, bevor man losfährt. Und genau das hab ich gemacht.