Minority Report

Minority Report
(USA, 2002)

Darsteller: Tom Cruise, Samantha Morton, Max von Sydow, Colin Farrell, Peter Stormare
Drehbuch: Scott Frank & John Cohen (nach einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick)
Kamera: Janusz Kaminski
Musik: John Williams
Regie: Steven Spielberg

Die Vision ist zu schön: Die polizeiliche Organisation PreCrime kann Verbrechen vorhersagen und sie damit verhindern. Ihr Mittel: drei geistig übermäßig begabte, menschliche Wesen, die Precogs, die in einer Art Think Tank gehalten werden und die Zukunft voraussehen. Nach ihren Visionen wird eine Task Force zum Ort des Verbrechens, das noch gar nicht stattgefunden hat, geschickt, um eben dieses zu verhindern. Der zukünftige Attentäter wird eines noch nicht verübten Verbrechens schuldig gesprochen und verurteilt.

In Washington im Jahre 2054 ist PreCrime seit sechs Jahren eine eingespielte Organisation. Seit sechs Jahren ist kein Mord mehr verübt worden. Und seit sechs Jahren ist John Anderton (Tom Cruise) der Chef der Behörde und vom System überzeugt. Bis eben dieses System ihn als den nächsten Verbrecher anprangert: Er soll in wenigen Stunden einen Mann umbringen, den er noch nicht einmal kennt.

Das ist die Ausgangslage in Steven Spielbergs neuem Film Report. Die Story beruht auf einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick, der posthum zum besten Ideenlieferant Hollywoods geworden ist: Auch Blade Runner und Total Recall stammen in Kurzgeschichtenform aus seiner Feder. Und genau wie in den beiden Klassikern des Genres entwirft Dick auch in Minority Report eine eher düstere Zukunft: voller technischer Spielereien, die uns das Leben nicht leichter machen, sondern bedrohlich und befremdlich wirken, voller enger, dunkler Räume und Locations, die an eine industrielle Vorzeit erinnern – aber er entwirft auch Charaktere, die sich zu heute nicht besonders verändert haben, die, genau wie wir heute, menschliche Schwächen mit sich herumtragen, Eitelkeiten, Verletztlichkeiten, aber auch Stärke, einen eigenen Willen und der Glaube, dass das Gute siegen möge.

Steven Spielberg hat es geschafft, die Charaktere überzeugend auf die Leinwand zu bringen. Wir sehen atemlos zu, wie John Anderton dem System zu entfliehen versucht, wir sehen seine innere Zerrissenheit: Wird er jemanden umbringen, weil das System sich nie irrt oder wird er seine eigene Zukunft ändern können und damit das System ad absurdum führen?

Auch Andertons Mitspieler – sein väterlicher Freund und Vorgesetzter, der PreCrime landesweit einführen möchte, und sein innerbetrieblicher Konkurrent, der ihm auf die Finger schaut und seinen Job will – haben starke Geschichten, und wir verfolgen gespannt, wie sich ihre Storylines entwickeln, schließlich mit der von John verwoben werden und schlussendlich einen Sinn ergeben.

Das Dumme ist nur, dass wir über zwei Stunden darauf warten müssen, bis alles einen Sinn ergibt – und dass wir in dieser Zeit ständig hin- und hergeworfen werden zwischen einer sehr intensiven Diskussion über „Ist alles vorherbestimmt oder sind wir immer Herr über unser Leben und unsere Zukunft“, einem ziemlich konventionellen Actionfilm-Plot und teilweise unglaublichen, teilweise abgekupferten Zukunftsvisionen. Wie auch bei seiner letzten Regiearbeit A.I. kann sich Spielberg nicht wirklich entscheiden. Sein Ziel und die Aussage des Film sind klar: We all have a choice, aber der Weg dahin hätte konsequenter sein können.

Es ist sicherlich zu einfach, nur die Szenerien aufzuzählen, in denen man das Gefühl hat: Hey, das hab ich schon mal gesehen (die heruntergekommenen Wohnblocks in Blade Runner; die Staatsmacht, die fast komisch und slapstickmäßig in die Privatsphäre ihrer Bürger dringt wie in Brazil; die Gedanken und Fantasien, die gespeichert und wie Drogen konsumiert werden wie in Strange Days). Das, was es so nervig macht, ist, dass Spielberg im gleichen Film auch sehr eigene, großartige Welten schafft, dass er es eben einfach nicht nötig gehabt hätte, sich von anderen, zugegebenermaßen sehr guten Filmen „inspirieren“ zu lassen. Die erste halbe Stunde des Films entwirft eine kühle, aber nicht distanzierte Zukunftsvision voller neuer technischer Möglichkeiten, die zusammen mit den menschlichen Fähigkeiten der Precogs eine seltsam stimmige Mischung ergeben. Andertons Appartement, sein Auto, die Straßen der Stadt – alles passt zusammen und wirkt neu, ungesehen, aber trotzdem realistisch. Dann gleitet der Film ab in eine schon hundertmal dagewesene Actionhandlung, die unnötigerweise auch noch mit komischen Elementen unterfüttert wird. Spielberg ruiniert selber die dichte Atmosphäre, die er 30 Minuten lang aufgebaut hat. Und so geht der ganze Film weiter: Er kann sich nicht wirklich entscheiden, welchen Weg er zum Ziel nehmen soll und fasert die Handlung auch noch mit mehreren kleinen Unterhandlungen auf, die wohl atmosphärisch sein sollen, aber eher den Spannungsbogen ruinieren.

Das Ende selber ist natürlich der klassische Spielberg: Die Guten gewinnen, das Böse verliert, wir alle sind unseres Glückes Schmied. Und wenn Tom Cruise zum Schluss nicht noch seiner schwangeren Ex- und Jetzt-wieder-Frau die Hand auf den Bauch gelegt und dabei in den Sonnenuntergang geguckt hätte und John Williams die Streicher ein wenig heruntergefahren hätte, würde ich ein bisschen weniger nölen. So reicht”˜s aber nicht zum neuen Meisterwerk. Minority Report bläst die sehr straffe und sehr spannende Short Story von Dick unnötig auf, und Spielberg spült sie unnötig weich. Der Film ist sicher viel besser als A.I., aber bis zu einem weiteren Meilenstein wie Schindler’s List ist es noch ein weiter Weg.

2 Antworten:

  1. Hallo Anke, ich hab den Film gestern endlich gesehen, und es drängte sich eine inhaltliche Frage auf: ist das Happy-End real?? oder passiert es nur in den Visionen des gefangenen John??
    schließlich sagt der Wärter im Gefängnis, als er ihn einschließt, dass er Träume und Visionen haben wird, dass er sogar schöne Träume und Visionen haben wird! Und dann passieren alle Dinge, die zum Happy-End führen….
    ??? Was meinst Du dazu? oder jemand anderes?
    Ansonsten hat mir der Film sehr gut gefallen. Ist vielleicht nicht “der beste Spielberg” ;-), aber ein ordentlicher.

  2. Precrime “it works…” – Was ist Precrime ?

    Precrime Logo auf dem Bildschirm zu sehen und eine Stimme, die sagt “it works” zu hören…
    Precrime ist das Verbrechen-Vorhersage-System aus dem Film Minority Report.
    Aber warum macht pro7 Werbung für Precrime ? – Handelt es sich da…