„Ganz ruhig, Mama.“

Malte Welding erinnert sich an den Tod seiner Mutter und eine Therapeutensitzung mit alten Familienfotos. Aus der Berliner Zeitung.

„Mein Therapeut packte die Fotoalben auf den Tisch. “Wollen wir dann?”, fragte er und ich konnte mich nicht zu einem Nicken aufraffen. Seit Wochen hatte ich Albträume, jede Nacht musste ich meiner Mutter sagen, dass sie tot ist und sie antwortete mir, dass ich nicht so einen Unsinn reden solle. Ich glaubte nicht an Psychotherapie, das hatte ich von meiner Mutter geerbt, aber ich hätte mir auch von einem Schamanen die Geister austreiben oder von einem Druiden einen Zaubertrank bereiten lassen, wenn das die Krankenkasse bezahlt hätte, ich musste nur endlich wieder einmal durchschlafen.

Neun Monate zuvor hatte meine Mutter ein paar Münzen Trinkgeld auf das zu kleine Tischchen in dem italienischen Eiscafé gelegt und müde ausgesehen. In der Onkologischen Praxis über dem Eiscafé hatte sie gerade ihren Kampf gegen den Brustkrebs für beendet erklärt.“