Von Verdun nach Verona

In den Schützengräben von Millionen von TV-Sendern. Die Schrapnelle der Talkshows, Gerichtsshows und Politainmentmagazine zischen über die Köpfe der Kämpfer für das Gute, Wahre, Schöne. Es regnet in Strömen, das Wasser unterspült das Schlachtfeld, das mit den Leichen vieler Kameraden bedeckt ist. frank sitzt geduckt an einem Erdwall. Er hat alles gesehen, alles miterlebt. Die Zeit an der Front hat ihn gezeichnet. Mir verhärteten Zügen blickt über den Grabenrand und knurrt lakonisch: „Die Jungs da draußen brauchen wenigstens ihre Feldration nicht mehr, die sind jetzt im Entertainmenthimmel“ und reißt mit den Zähnen eine Packung gefriergetrocknetes Popcorn auf. Gierig schlingt er die unansehnliche Masse hinunter, nur keine Zeit verlieren bis zur nächsten Sendung, nur dem Feind keine Angriffsfläche bieten aus Hunger nach guter Unterhaltung. Es ist kalt. Die Nacht senkt sich langsam über die Massaker, die am Tage passieren und bedeckt schwarz und unheilvoll, was noch kommen wird. Leidensgenosse smal kriecht zu frank hinüber, seine Hände rissig vom ständigem Klicken der Fernbedienung, sein Atem sichtbar. „Hast du noch ne Programmzeitschrift?“ frank sucht kurz in seinem tarnfarbenen Rucksack, schiebt ein Plüschteletubby beiseite, den Feldspaten, die zerfingerten Landkarten, die ihn und smal durch unwegsames Gelände bringen sollen. Er findet ein zerfleddertes Etwas – TV Digital? TV Movie? oder doch nur die Fernsehbeilage der Ilmenauer Neuen Presse? Egal –, was sich smal mit einem geübten Griff unters Hemd schiebt. „Diese verdammte Kälte.“ frank nickt. Schweigend sitzen die beiden nebeneinander und beobachten das bläuliche Geflacker aus tausend Bildschirmen, die sie umzingelt haben. „Irgendwas Gutes heute abend?“ fragt smal leise, wohl wissend, dass es kaum Hoffnung gibt. „Silvester Countdown“ antwortet frank, während ihn ein Hustenanfall schüttelt. „Kenn ich nicht“, gibt sma zurück. „Ich auch nicht, aber ich spür’s beim Pinkeln, der Film taugt was.”

7 Antworten:

  1. Ha!
    Der erste Lacher des Tages.
    Danke Anke!
    Was macht Dein Schrotter Harry?
    Kommst voran?

  2. Seite 462. Müsste morgen durch sein.

  3. Ich frag Dich dann, wie er Dir gefallen hat…

    Hätte übrigens nicht gedacht, dass es außer mir noch lebende Teens-Fans gitbt! Ich hab die Geschichte vor ein paar Tagen entdeckt, wie ich ja überhaupt Deinen Blog erst vor Kurzem entdeckt habe und mich köstlich drüber amüsiert. (Alex war meine “erste Liebe”).
    Das nur mal so nebenbei…
    (gimme, gimme, gimme *sing*)
    Liebe Grüße!

  4. Was passiert mit einem Grabenkämpfer, wenn der Krieg zu Ende ist? Wenn man einem wie frank die Glotze wegnimmt, Harakiri? Nie wieder Frieden?

  5. wunderbar. (und bis auf den plüschteletubby sogar ziemlich treffend.)

  6. Das ‘Mißverständnis’ tut mir leid, ich bin noch nicht lang genug hier …

  7. sehr geil geschrieben :).